Mit Sorge hatten Bewohner der Gemeinden Haar und Feldkirchen auf den Konzertmarathon der britischen Sängerin Adele in der nahen Messestadt Riem geblickt. Ihnen war die Show-Saison von 2022 nicht in bester Erinnerung geblieben. Damals hatten Robbie Williams, Helene Fischer und Andreas Gabalier mehrfach aufgespielt, jeweils vor zwischen 90 000 und 130 000 Zuschauern, die teils aus ganz Deutschland und aus dem Ausland anreisten. Damals mussten manche Haarer und Feldkirchner die Konzerte unfreiwillig mithören. Groß war insbesondere der Ärger über das „Verkehrschaos“, zu dem es auf den Straßen zeitweise gekommen war, weil es kein funktionierendes Konzept gab.
Bei zehn Konzertterminen im August, zu denen fast eine Million Besucher aus der ganzen Welt in der eigens erbauten „Adele World“ erwartet wurden, waren die Befürchtungen vor stetiger Lärmbelästigung und wild parkenden Fans also durchaus berechtigt. Bestätigt haben sie sich bei den ersten sechs Konzerten nach Einschätzung einiger Anwohner Salmdorfs jedoch kaum. Der Haarer Ortsteil liegt in unmittelbarer Nähe zu Adeles Pop-up-Stadion; sowohl die Arena als auch der Rodelhügel im Riemer Park, auf dem Fans ohne Tickets bei günstigem Wind die Konzerte verfolgen, sind von hier fußläufig erreichbar.
Ja, die Shows und das ganze Drumherum seien natürlich zu hören, sagt etwa die Salmdorferin Brigitte Karg, die dort am sechsten Konzerttag noch spätabends unterwegs ist. Darüber habe die Gemeinde aber lange im Voraus schriftlich informiert. „Und mein Gott, bei dem Wetter ist man um diese Zeit ja nicht im Bett. Außerdem hören sie ja pünktlich auf“, sagt Karg schulterzuckend.
Sogar als „großartig“ beschreibt Petra Otto, Geschäftsführerin im Hotel Bauer in Feldkirchen, die Konzertreihe. „Natürlich hat das unsere Buchungssituation sehr erfreut, aber es tut auch einfach der Stimmung im Land und diesem Sommer gut“, sagt sie. Die Fans, angereist aus Ländern wie Südafrika, Litauen, Belgien oder Slowenien, nehme sie als „durchweg positiv“ wahr, die ganze Organisation halte sie für „sehr sicher“. Dass die Konzerte „bisserl Lärm“ bringen, sei unbestritten. Doch die positiven Seiten, zu denen sie auch ein gutes Sicherheitskonzept zählt, überwiegen ihrer Meinung nach.
Am sechsten „Adele-Abend“ ist von dem laufenden Konzert zunächst kaum ein Ton zu hören; erst gegen 21 Uhr wird die schwüle Abendluft in weiten Teilen Haars und Feldkirchen vereinzelt von Bass- und Klavierfetzen durchdrungen.
Eine Ausnahme ist die Salmdorfer Seidlhofstraße, von wo aus ein Gehweg Richtung Riemer Messegelände führt und die tanzenden Scheinwerfer der Show sichtbar werden. Hier ist das Konzert so deutlich zu hören, dass sich sogar die Songtitel – gerade hat Adele etwa ihre James-Bond-Hymne „Skyfall“ angestimmt – erkennen lassen. Deshalb hat sich hier auch der Akustik-Ingenieur Claus Mündel hingestellt, in der Hand ein Schallpegel-Messgerät. „51,6 Dezibel“, sagt er mit Blick auf das Display. „Die Grenze liegt bei 70 Dezibel – es bleibt also deutlich unter dem zulässigen Wert.“
Mündel erklärt, er sei als „offizieller Messer“ von der Stadt München beauftragt worden, die Lautstärke der Konzertabende in den nahen Anwohnergebieten zu überprüfen. Auf seiner Route liegen neben Salmdorf noch die Ueberreiterstraße in Aschheim, die Riemer Straße und die Willy-Brandt-Allee in München sowie die Olympiastraße in Feldkirchen. In Letzterer geht es ihm zufolge mit circa 56 Dezibel gerade am lautesten zu. 68,2 Dezibel seien der höchste Wert gewesen, den er bisher bei den Adele-Konzerten gemessen habe, das abschließende Feuerwerk inklusive. „Also perfekt“, befindet Mündel. Beschwerden hätten ihn zwar durchaus erreicht; einige davon hätten sich aber auf die teils bis zu 12 000 Fans zurückführen lassen, welche nach dem Konzert auf dem Rodelhügel feierten.
Auch in einer E-Mail an die SZ beklagt eine Anwohnerin „spürbar negative Auswirkungen der Veranstaltungen“; neben der „massiven Lärmbelästigung“ ist darin noch die Rede von einem „Verkehrschaos“ in den konzertnahen Ortschaften. Ganz so dramatisch ist die Situation – zumindest an diesem Abend – allerdings nicht. Die Gemeinden Haar und Feldkirchen haben heuer Durchfahrts- und Parkverbotszonen etwa in der Johann-Karg-Straße (Haar) und in der Olympiastraße (Feldkirchen) ausgewiesen. Daran halten sich nicht alle; die Feldkirchener Olympiastraße ist ziemlich zugeparkt und auf der Wiese vor der Gronsdorfer Kirche stehen einige Autos kreuz und quer.
Rigoros kontrolliert wird dagegen die maximal erlaubte Standzeit von zwei Stunden für Nicht-Anwohner in der Seidlhofstraße in Salmdorf: Als um 22.11 Uhr der letzte Feuerwerkskörper des Abends am Nachthimmel verglüht, klemmt an fast jedem zweiten der rund 20 dort geparkten Autos ein Strafzettel unter dem Scheibenwischer.