Abweichler:Fast geschlossen

Einige CSU-Stadträte dürfen gegen die Fraktion stimmen

Die politische Nachricht hört sich irreführend einfach an: Oberbürgermeister Dieter Reiter hat aller Voraussicht nach Recht behalten, die Rathausmehrheit aus SPD und CSU wird noch dieses Jahr die Tram-Westtangente gemeinsam beschließen. Hinter diesen Worten verbirgt sich allerdings mit das heftigste Gezerre und Gewürge, das sich das Bündnis 2016 geliefert hat. Denn für die SPD ist die Strecke eines der wichtigsten Verkehrsprojekte dieser Stadtratsperiode. Die CSU wollte sie zu großen Teilen verhindern.

Hinter den Kulissen begann ein Ringen mit klar verteilten Rollen: Der OB wusste, dass die CSU deswegen das Bündnis nicht gefährden würde, strahlte nach außen Gelassenheit aus und wartete ab. Die CSU wiederum spekulierte, dass ein steigender Zeitdruck die SPD zu immer mehr Zugeständnissen zwingen würde. Hier ein Detail, da eine Gesprächsrunde, dazwischen noch ein Ortstermin, am Ende ein Prüfauftrag an die Planer, die dafür erst noch neue Zahlen liefern sollten. Ein Prozedere dieser Art wurde monatelang gefühlt für fast jede Kreuzung der Strecke durchgezogen. Am kommenden Mittwoch in der Vollversammlung, dem letztmöglichen Termin des Jahres 2016, werden CSU und SPD nun wohl einen Kompromiss beschließen.

Die SPD-Fraktion verschickte eine freundliche Siegesmeldung an die Medien, die CSU arbeitet intensiv an einer Verkaufsstrategie. Ihre Stadträte im Westen hatten im Kommunalwahlkampf gegen die Westtangente massiv Stimmung gemacht, "sich extrem weit aus dem Fenster gelehnt", wie Fraktionschef Hans Podiuk sagt. Bei den Koalitionsverhandlungen musste die CSU aber bei diesem Thema Abstriche machen. Im Bündnispapier steht die Tram als Ziel vermerkt, mit dem Hinweis, dass sie einvernehmlich zu beschließen sei. Hätte die CSU diese Absprache platzen lassen, hätte sich daraus "ein Spaltpilz für die kommenden Jahre" entwickeln können, sagt CSU-Stadtrat Walter Zöller. Er ist selbst kein Freund der Strecke und liebäugelte öffentlich schon mit einer Ablehnung im Stadtrat, fügt sich aber nun der Fraktionsdisziplin. "Wir müssen die Kröte mit Verbesserungen schlucken."

Da dies für die Stadträte im Münchner Westen einen massiven Gesichtsverlust bedeuten würde, dürfen sie mit Erlaubnis der Fraktionsspitze gegen den Beschluss stimmen. Ihr Nein zur Westtangente steht. "Die ist so überflüssig wie ein Kropf, egal in welcher Variante", sagt der Haderner Stadtrat Hans Stadler. Die Busse auf der Strecke würden leicht reichen. "Die Kosten werden hoch sein, den Stau gibt's gratis dazu." Durch Stadlers Stadtteil wird die Route von Obersendling nach Nymphenburg führen; am Montag hat er seine Bedenken in der Fraktionssitzung der CSU noch mal vorgetragen. Vergeblich.

Mit dem Nein zur Westtangente stehen er und die anderen Stadträte aus dem Westen der Stadt nun alleine da. "Wir sind ein Opfer der politischen Vernunft", sagt Stadler. Seine Fraktion betont, mit 20 bis 25 Verbesserungen an der Streckenführung das Maximale herausgeholt zu haben. Für die Sitzung am Mittwoch gibt Fraktionschef Podiuk die Linie vor: Mehr als sechs Abweichler dürfe es nicht geben.

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