Süddeutsche Zeitung

Abwasser:Stadt investiert 130 Millionen Euro in zwei Klärwerke

  • Die beiden Klärwerke Gut Großlappen und Gut Marienhof sind die größten kommunalen Energieverbraucher.
  • Die Münchner Stadtentwässerung will deshalb nun umbauen - und nahezu 100 Prozent des benötigten Stroms selbst erzeugen.
  • 130 Millionen Euro sollen in verschiedene Projekte und Umbauten investiert werden.

Von Anna Hoben

Am Stadtrand in Freimann, nahe der Allianz-Arena, liegt Münchens größtes Klärwerk Gut Großlappen. 300 000 Kubikmeter Abwasser kommen jeden Tag hier an, von bis zu zwei Millionen Menschen aus dem Stadtgebiet und dem Umland. Um es zu reinigen, wird Strom benötigt. Sehr viel Strom. Tatsächlich sind die beiden Klärwerke - neben Gut Großlappen gibt es noch das halb so große Gut Marienhof in Eching - der größte kommunale Energieverbraucher. Jedes Jahr benötigen die Werke rund 85 Millionen Kilowattstunden Strom. Das entspricht einem Fünftel des kompletten städtischen Verbrauchs. "Damit könnte man 20 000 Vier-Personen-Haushalte versorgen", sagt Christian Berchtenbreiter, der über das Gelände von Gut Großlappen führt.

Der Ingenieur leitet die Abteilung Klärwerksbau bei der Münchner Stadtentwässerung. Deren Ziel sei es, so Berchtenbreiter, die eigenen Energieressourcen noch besser zu nutzen. Zurzeit erzeugen die Klärwerke Gut Großlappen und Gut Marienhof bereits ungefähr 60 Prozent ihres benötigten Stroms selbst. Dieser Anteil soll irgendwann bei nahezu 100 Prozent liegen. Die zwei Anlagen sollen komplett autark sein und in einer Art Energieverbund betrieben werden. Dafür werden in den kommenden Jahren 130 Millionen Euro in verschiedene Projekte und Umbaumaßnahmen investiert. Der Anschluss an das öffentliche Stromnetz werde aber bestehen bleiben, sagt Berchtenbreiters Kollegin Ute Blotenberg - um auch in Spitzenverbrauchszeiten den Betrieb sicherzustellen.

Klärwerke verbrauchen nicht nur Strom, sie erzeugen ihn auch. Während der Abwasserreinigung entstehen große Mengen an Klärschlamm, aus dem durch Faulung Biogas gewonnen wird. Das geschieht in Gut Großlappen in sogenannten Faulbehältern. Die vier kegelförmigen, 35 Meter hohen Türme grüßen den München-Besucher schon von der Autobahn A 9 aus - nur optisch, nicht olfaktorisch. Die Zeiten, in denen es um Klärwerke herum in einem weiten Umkreis nicht gerade angenehm roch, um es vorsichtig auszudrücken, sind vorbei. Auch das dazugehörige Image haben sie abgelegt. "Sie werden nicht mehr als Gestankquelle wahrgenommen", sagt Christian Berchtenbreiter. Ein Klärwerk ist heute eine hochmoderne Anlage, in der viel mehr stattfindet als Abwasserreinigung, es ist außerdem "komplizierter als jedes Chemiewerk", wie er findet.

Die Faultürme zum Beispiel, die seit 2008 in Betrieb sind: Es handelt sich bei ihnen um nichts weniger als Münchens größte Biogasanlagen. 3000 Kubikmeter Rohschlamm werden dort jeden Tag vergoren. Die Kegel-Architektur, verrät Berchtenbreiter, war übrigens auch der Überlegung geschuldet, dass "ein Ei ja auch psychologisch stinkt". Eiförmig waren die alten Faultürme, die seit Jahren ungenutzt auf dem Gelände stehen und nun abgerissen werden sollen. In Blockheizkraftwerken wird aus dem Biogas dann direkt am Ort durch den Einsatz von Gas-Otto-Motoren elektrische Energie erzeugt. Der Wärmebedarf, etwa zum Beheizen der Faultürme und Gebäude beider Klärwerke, kann damit komplett gedeckt werden. Beim Stromverbrauch sind es bislang 60 Prozent.

Wie kann dieser Anteil erhöht werden, wie wollen die Münchner Klärwerke energieautark werden? Zum einen will die Stadtentwässerung durch Umbauten Energie einsparen, zum anderen soll die Stromgewinnung aus Klärgas optimiert werden. Und drittens sollen die Möglichkeiten der Stromspeicherung ausgelotet und ausgebaut werden.

Der Weg in die Energie-Zukunft läuft dabei in den beiden Werken unterschiedlich ab. Im kleineren Gut Marienhof werden etwa Diesel-Klärgas-Motoren, die seit mehr als 25 Jahren in Betrieb sind, durch neue Gas-Otto-Motoren ersetzt. Sie haben eine verbesserte Technologie und nutzen das Klärgas effektiver. Weil das bestehende Maschinenhaus zu klein ist, wird eine neue Energiezentrale gebaut. Auch bei der biologischen Abwasser-Reinigung soll der Stromverbrauch reduziert werden. Bis voraussichtlich 2020 soll der Strombedarf in Gut Marienhof dann zu nahezu 100 Prozent aus Eigenproduktion gedeckt werden. Von 2018/19 an soll dort zudem ein Photovoltaikpark entstehen.

Das Klärwerk Gut Großlappen ist größer, dementsprechend ist natürlich auch der Bedarf an Strom höher. Der entsteht hier auch durch die Verbrennungsanlage, in der zwei Drittel des Schlamms aus beiden Werken verwertet werden. Künftig soll der aus Sonnenstrahlung erzeugte Strom aus dem Fotovoltaikpark im Gut Marienhof über eine 13 Kilometer lange Kabelverbindung zum Gut Großlappen geleitet werden. In einer ersten Stufe soll der Solarpark zur Hälfte gebaut werden. Allein damit können fünf Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr zusätzlich erzeugt werden. Das entspricht dem Verbrauch von 1200 Vier-Personen-Haushalten.

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SZ vom 09.08.2017/mmo
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