Süddeutsche Zeitung

Abtreibungen:Fachwissen für Gynäkologen gibt es nur unter der Hand

Bei der Facharztausbildung wird das Thema Schwangerschaftsabbrüche ausgeklammert. Frauenärzte können nur von anderen lernen.

Von Sofie Czilwik

Wenn Ärzte in Bayern Schwangerschaftsabbrüche anbieten möchten, dann müssen sie ziemlich viel Eigeninitiative aufbringen. Die Medizinerin Anna Behut zum Beispiel, die ihren wirklichen Namen aus rechtlichen Gründen nicht in der Zeitung lesen möchte, ließ sich von einem Kollegen die erforderlichen Methoden zeigen und erklären, weil die Abbrüche nicht zur gynäkologischen Facharztausbildung gehören.

In dieser Ausbildung lernen die Ärzte in der Regel, wie eine Fehlgeburt eingeleitet wird. Das Vorgehen bei Fehlgeburten ähnelt dem bei Schwangerschaftsabbrüchen, ist aber nicht ganz vergleichbar, wie Behut sagt. Weil Schwangerschaftsabbrüche nicht explizit Teil der Facharztausbildung sind, bedeutet das auch, dass nicht jeder Gynäkologe Abbrüche durchführen kann. Und: Er kann auch nicht dazu verpflichtet werden.

In Bayern benötigen Ärzte eine Erlaubnis des zuständigen Regierungsbezirks, um Abbrüche anbieten zu dürfen. Dafür müssen sie vorweisen, dass sie über Personal und die nötige Ausstattung verfügen. Schließlich müssen sie einen Nachweis über eine Fortbildung bei der bayerischen Landesärztekammer vorlegen. Bei dieser geht es aber nicht darum, wie Schwangerschaftsabbrüche praktisch durchgeführt werden. Inhalte der Fortbildung sind die juristischen, ethischen und medizinischen Aspekte.

In München haben derzeit rund 50 Ärztinnen und Ärzte die Erlaubnis zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. "Allerdings lässt diese Zahl nicht darauf rückschließen, ob sie diese Erlaubnis auch tatsächlich in Anspruch nehmen", sagt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern. Denn in der Tat gibt es immer weniger Ärzte, die Abbrüche anbieten. Das liegt auch daran, dass die Generation, die politisch motiviert war, sichere Abbrüche anzubieten, in Rente geht. Anna Behut nimmt pro Woche nach eigenen Aussagen bis zu 15 Schwangerschaftsabbrüche vor. In ganz Bayern waren es im vergangenen Jahr insgesamt rund 12 000. Bedarf besteht also, aber es gibt zu wenig Mediziner. Das sagt auch Behut.

Denen, die interessiert sind, sichere Abbrüche für Frauen anzubieten, wird der Weg dahin nicht besonders leicht gemacht. Was ist, wenn ein Assistenzarzt Abbrüche lernen will, aber an dem Klinikum, an dem er seine gynäkologische Ausbildung durchläuft, keine angeboten werden? "Viele gehen dann zu Kollegen im Ausland", sagt Anna Behut. Die Niederlande oder England seien in dieser Hinsicht liberaler. Und Behut weiß auch: "Manche bringen sich den Abbruch auch selbst bei."

Frauenärzte beschreiben den Eingriff als nicht besonders kompliziert. Behut schätzt aber, dass ein Arzt 100 bis 200 Eingriffe vornehmen müsse, bis er ihn richtig beherrsche. Wo die Ausbildung für Schwangerschaftsabbrüche nicht systematisiert ist, sind angehende Gynäkologen darauf angewiesen, dass erfahrene Kollegen ihr Wissen teilen. Anna Behut würde sich anbieten. Bis jetzt habe sich aber noch kein junger Arzt bei ihr gemeldet.

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SZ vom 05.07.2018/vewo
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