Süddeutsche Zeitung

Abschluss:Ein Ort zum Vorzeigen

Nach drei Jahren ist "Bellevue di Monaco" mit dem Umbau der drei einst zum Abriss bestimmten Häuser an der Müllerstraße fertig - und gibt ein Fest

Von Thomas Anlauf

Es waren einmal drei alte Häuser. Sie standen verwunschen und verwachsen am Rande der Münchner Altstadt, nebenan kickten Kinder im Hinterhof der Glockenbachwerkstatt. Doch plötzlich war der Bolzplatz in Gefahr, die Stadt wollte nebenan die Häuser abreißen und Wohnungen bauen. Das war im Jahr 2012. Es gab Proteste, Demonstrationen, Fußballer wie Bastian Schweinsteiger und Paul Breitner protestierten mit und schließlich fand auch der Münchner Stadtrat, dass der letzte Bolzplatz der Altstadt bleiben müsste. Doch da waren auch noch die drei alten Nachbarhäuser. Und die Leute, die sich schon für den Bolzplatz eingesetzt hatten, kämpften nun für den Erhalt der Müllerstraßenhäuser. Mit Erfolg. Was sich wie ein modernes Märchen liest, ist beinahe eines: An diesem Wochenende feiert die Sozialgenossenschaft "Bellevue di Monaco" mit einem zweitägigen Fest den Abschluss des dreijährigen Umbaus der drei Häuser.

Vor fünf Jahren hatte Kommunalreferent Axel Markwardt mit fachlicher Unterstützung namhafter Architekten beteuert, dass eine einfache Sanierung der angeblich zum Teil einsturzgefährdeten Gebäude nicht möglich sei. Doch mehrere Architekten, darunter Matthias Marschner und Clarissa Weidinger von Hirner und Riehl Architekten, sahen das anders. Sie waren es letztlich mit vielen freiwilligen Helfern, die aus den heruntergekommenen Häusern ein bundesweites Vorzeigeprojekt geschaffen haben. Mittlerweile leben im Vorderhaus, dem markanten grünen Gebäude der Müllerstraße 6, etwa 20 junge Geflüchtete in Wohngemeinschaften auf vier Stockwerke verteilt. Betreut werden sie von mehreren sozialen Einrichtungen. Im Erdgeschoss ist ein Begegnungscafé entstanden. Dort treffen sich nicht nur Münchner, sondern auch Flüchtlinge, die dort arbeiten oder Integrationsangebote annehmen können. Nebenan leben ebenfalls Menschen mit Migrationshintergrund, die auf dem Münchner Wohnungsmarkt keine Chance hätten. Und das Häuschen der Müllerstraße 2 ist nun das Herz von Bellevue.

Bei einem Presserundgang am Mittwoch wurde klar, dass Hunderte freiwillige Helfer, engagierte Architekten und Handwerker in Sichtnähe des Luxuswohnturms "The Seven" etwas geschaffen haben, das als Beispiel für Integration "wunderbar funktioniert", wie Bellevue-Vorstand Till Hofmann betont. Neben den Wohnungen für Flüchtlinge gibt es eine Fahrradwerkstatt, in der gebrauchte Räder gemeinsam mit ihren künftigen Besitzern repariert werden. Es gibt 16 Gruppen und Vereine, die regelmäßig in den drei Häusern kostenlos Räume belegen, um Flüchtlingen Hilfestellungen wie Deutschkurse zu geben. Es gibt Asyl-, Arbeitsmarkt- und Migrationsberatung sowie Lern- und Hausaufgabenhilfe, die von Hunderten Freiwilligen und Hauptberuflichen geleistet wird.

Im Haus der Müllerstraße 2 ist im ersten Stock ein großer hoher Saal entstanden, der dank der Unterstützung der Kammerspiele mit professioneller Lichttechnik ausgestattet ist. Im Innenhof haben die Architekten ein aus Lärchenholz bestehendes Amphitheater gebaut, das in einen der Seminarräume mündet. Die Mauer zur Glockenbachwerkstatt wurde eingerissen und nun trennt nur noch ein Zaun die beiden Einrichtungen. Als "Traumehe" bezeichnet Matthias Weinzierl von Bellevue di Monaco die Nachbarschaft zur Glockenbachwerkstatt. Denn nebenan können Flüchtlinge, die an der Müllerstraße leben, womöglich auch beruflich Fuß fassen, auch bei Veranstaltungen sind nun alle Häuser mit mehreren Durchgängen miteinander verbunden.

Das wird auch am kommenden Wochenende so sein, wenn Bellevue di Monaco sein Einweihungsfest geben wird. Oberbürgermeister Dieter Reiter wird am Samstag um 14 Uhr die Feier offiziell eröffnen. Es werden Embryo, Dreiviertelblut, Pollyester und andere bekannte Gruppen kurze Auftritte haben, es soll aber in erster Linie ein Fest für die Münchner, die Ehrenamtlichen und die Flüchtlinge werden. "Das Fest ist schon ein kleiner Paukenschlag", sagt Weinzierl. Er meint damit nicht nur den Abschluss der Sanierung, sondern sieht das Fest auch als Botschaft an die bayerische Staatsregierung, die derzeit die Asylpraxis deutlich verschärft. Das Bellevue di Monaco in München sei schließlich ein Erfolgsmodell für Integration geworden, das man in dieser Form auch in anderen Städten umsetzen könnte - und sollte.

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SZ vom 07.06.2018
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