Der selbsternannte Boss kommt nach München - musste sich dafür aber sehr kurzfristig eine neue Bühne suchen: Das Backstage hat das ausverkaufte Konzert des Rappers Kollegah am Samstagabend nur einen Tag vorher abgesagt. Stattdessen soll der Musiker nun im "VIP Club" auftreten. Die 1200 Fans, die sich bereits vor langem Tickets für die "Monument"-Tour gekauft haben, dürften sich freuen. Viele andere tun das wohl nicht.
Seit Wochen ist darüber diskutiert worden, ob der umstrittene Rapper in München auftreten darf. Felix Blume, so heißt Kollegah mit bürgerlichem Namen, wird Antisemitismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Bei der Echo-Preisverleihung 2018 hatten er und der Musiker Farid Bang mit antisemitisch bewerteten Texten für einen Eklat gesorgt, der Preis wurde abgeschafft. Mehrere ihrer Titel stehen auf dem Index für jugendgefährdende Schriften. Kritiker wie Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, oder das Linke Bündnis gegen Antisemitismus forderten deshalb vom Backstage, den Rapper auszuladen. Das erklärte Ziel von Backstage-Betreiber Hans-Georg Stocker war es, Künstler, Fans und Kritiker zusammenzubringen. Das habe man monatelang mit enormem Aufwand versucht. Der neue Manager von Kollegah habe sich dafür offen gezeigt, erzählt Stocker. Doch bis zuletzt wollte sich keine der drei Seiten für ein offenes Gespräch auf die Bühne stellen.
24 Stunden vorm Konzert dann die Absage. Der Grund? "Ausschlaggebend war die absolut destruktive Haltung des Künstlers", sagt Rainer Sontheimer, der als Musiksoziologe den Club berät. Das Backstage schreibt in einer Erklärung: "Für uns war es immer Voraussetzung gegenüber dem Veranstalter und dem Künstler, dass dieses Konzert - wenn überhaupt - nur stattfinden kann, wenn bei diesem eine ehrliche, kritische Auseinandersetzung stattfindet und der Künstler sich im Vorfeld eindeutig und glaubwürdig anders darstellt. Dies hat der Künstler nicht gemacht."
Glaubwürdig anders darstellen: Dafür hätte Kollegah nach Sontheimers Ansicht von früheren Aussagen abrücken müssen. In Interviews hat er zwar schon beteuert, kein Antisemit zu sein - in seinen Texten klingt das dennoch anders. Zudem habe er sich jüngst bei Auftritten über seine Kritiker lustig gemacht, sagt Sontheimer, etwa bei einem Konzert in Köln Mitte November. Die Konsequenz sei die Absage des Konzerts auf der Bühne des Backstages. Die Entscheidung komme zwar spät, teilte Charlotte Knobloch am Nachmittag mit, "aber sie ist die einzig richtige". Das Backstage gab sich nachdenklicher: Vielleicht sei es naiv gewesen, zu glauben, "man könnte eine differenzierte Auseinandersetzung mit allen Akteuren im Engagement gegen Antisemitismus realisieren". Genau die sei aber nötig, um junge Fans über die Probleme mit Kollegahs Texten aufzuklären.
Vom VIP-Club in der Schwanthalerstraße wollte sich am Freitagabend niemand inhaltlich dazu äußern. Der Club sei die "Nr. 1 für Balkan Parties in München und ganz Europa" - am Samstag werden womöglich einige Menschen davor gegen den Rapper demonstrieren.