Schwabing:Max-Planck-Institut will 31 Wohnungen für Mitarbeiter abreißen

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Ohne Zukunft: Die Häuser an der Kraepelinstraße sollen abgerissen werden. (Foto: Stephan Rumpf)
  • In einem Haus an der Kraepelinstraße in Schwabing wohnen 31 Parteien, alle sind oder waren Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie.
  • Nun soll das Gebäude abgerissen werden, um Platz für einen Klinik-Neubau zu schaffen.
  • Das Institut bietet Ersatzwohnungen, doch es formiert sich Widerstand.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Fritz und Käte Sieger wohnen seit 50 Jahren an der Kraepelinstraße 4. Ihre Kinder sind hier geboren und aufgewachsen, die Geschwister leben in der Nähe. Vor zwölf Jahren ging Sieger in den Ruhestand, zuvor hatte er als Verwaltungsleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie gearbeitet. "Der Job war meine Leidenschaft, ich habe mit zig Direktoren bestens zusammengearbeitet", sagt der heute 72-Jährige. So gut, dass er und seine Frau dank eines unbefristeten Mietvertrags auf Lebenszeit in der Wohnung hätten bleiben können. Wären da nicht die Planungen des Instituts.

Warum das Haus weichen soll

Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie will das erst vor drei Jahren sanierte Haus mit den Nummern 4, 4a und 4b abreißen. Es steht auf dem Klinikareal - und damit einem Neubau im Weg, den das Institut quer über das gesamte Gelände errichten will. "Die in den Sechzigerjahren erbaute Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie ist dringend sanierungsbedürftig", erklärt Institutssprecherin Anna Niedl, "wenn wir weiterhin zu den weltweit führenden Einrichtungen gehören wollen, müssen wir jetzt mit dem Neubau die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine zukunftsweisende, moderne Patientenversorgung schaffen."

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Künftig sollen Stationen, Tageskliniken und Ambulanzen unter einem Dach vereint sein. Der Psychotherapie werden mehr Räume zur Verfügung stehen, auch eine neue Sporthalle und ein Schwimmbad für Sporttherapie sind geplant. Patienten sollen von größeren Zimmern, Bädern und Aufenthaltsräumen mit zeitgemäßer Ausstattung profitieren. Rund 60 Millionen Euro wird der 11 000 Quadratmeter große, vierstöckige Neubau voraussichtlich kosten.

Wie sieht es mit der Fürsorgepflicht gegenüber den Bewohnern aus?

"Dass die Klinik sich weiterentwickelt, ist völlig korrekt, das unterstützt auch jeder", sagt Markus Sieger, Fritz und Käte Siegers Sohn, der als Sprecher der Mieter auftritt, "aber nicht nachvollziehbar ist, warum die Modernisierung zu Lasten von Mitarbeitern passieren muss." Fürsorgepflicht sieht für ihn anders aus. Außer den Siegers leben in dem Gebäude mit den 31 Wohnungen an der Kraepelinstraße 4, 4a, und 4b Pflegekräfte und Angestellte der Klinikverwaltung. Familien, Paare und Alleinstehende, deren Verdienst im Mittel- und Niedriglohnsektor liegt.

"Diese Menschen haben jetzt Angst, sie sind verunsichert", weiß Markus Sieger. Die Klinikleitung lasse die Mitarbeiter spüren, dass sie Verständnis erwarte. "Wie kann ein Institut, das sich auf Depressionen und Burn-Out spezialisiert hat, so mit seinen eigenen Leuten umgehen?" Zumal es aus Sicht der Mieter durchaus Alternativen gibt: Der geplante Neubau müsse lediglich etwas nach Westen versetzt werden, Richtung Altenheim an der Rümannstraße: "Dann könnte man die Kraepelinstraße 4, 4a und 4b erhalten."

Ein "ganz bitterer Punkt" ist für Markus Sieger die Tatsache, dass das Amt für Wohnen und Migration der von der Klinik beantragten Zweckentfremdung der Kraepelinstraße 4, 4a und 4b bereits zugestimmt hat. Ebenso der Westschwabinger Bezirksausschuss in nichtöffentlicher Sitzung. "Da wurden offensichtlich Entscheidungen getroffen, ohne den Sachverhalt vorher genau geprüft zu haben", kritisiert der Mietersprecher.

"Dieses Gebäude war ursprünglich ein reines Mitarbeiterhaus, das dem allgemeinen Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stand", erklärt Sozialreferatssprecher Frank Boos den Bescheid, "insofern musste ein Negativ-Attest ausgestellt werden, da blieb uns rechtlich gar nichts anderes übrig."

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"Und wir haben uns dem Votum des Amtes angeschlossen, weil die Begründung in dem Papier, das uns vorlag, ganz klar war. Im Flächennutzungsplan ist das Haus lediglich als Werksgebäude, aber nicht als Wohnraum gekennzeichnet", rechtfertigt sich der Chef des Stadtteilgremiums, Walter Klein (SPD). Jetzt, da klar sei, dass es sich tatsächlich um Wohnungen handle, habe er "gar kein Problem, deswegen einen Streit anzufangen". Wegen der von den Mietern in die Debatte geworfenen Idee einer Verschiebung des Neubaukomplexes nach Westen will Klein mit Siegfried Benker, dem Geschäftsführer des benachbarten Altenheimträgers Münchenstift, reden.

Was es mit dem Ersatzwohnungen auf sich hat

Man habe, sagt Pressesprecherin Niedl, vor der Entscheidung verschiedene Varianten von internen und externen Gremien prüfen lassen: "Als einzige zukunftssichere und nicht zuletzt wirtschaftlichste Option erwies sich der Neubau." Um den Klinikbetrieb während der Bauzeit aufrechterhalten zu können, werde das neue Gebäude neben der jetzigen Klinik errichtet und müsse "daher auch die Grundfläche des Wohnhauses einschließen". Einen Bauantrag hat das Max-Planck-Institut bislang nicht eingereicht, die Bauvoranfrage ist aber bereits im Genehmigungsverfahren.

"Wir verstehen, dass ein angekündigter Abriss, der jedoch nicht vor 2018 erfolgen wird, und ein somit erforderlicher Umzug manchen Mietern Sorgen macht", sagt Niedl. Deswegen habe man mit dem Betriebsrat "sozialverträgliche Lösungen" erarbeitet.

Von Mitte 2017 an sollen die Mieter Ersatzwohnungen auf dem Gelände beziehen können. Im Haus 12 werden bis dahin die Heizungsanlage, Trinkwasserversorgung, Bäder und Küchen generalsaniert, "was die Wohnqualität im Vergleich zum jetzigen Haus 4 steigern wird". Die benötigten Wohnungen in Haus 14 sollen ebenfalls vor dem Bezug renoviert werden. Die Bedenken der Mieter, dieser Gebäudekomplex könne irgendwann auch der Abrissbirne zum Opfer fallen, zerstreut sie: "Der Gebäudezug 12-14-16 wird nach der Generalsanierung und dem Klinikneubau auch weiterhin für Gästezimmer und Mitarbeiterwohnungen zur Verfügung stehen.

Inzwischen ist auch der Stadtrat aufmerksam geworden: Die Rathaus-SPD hat beantragt, das Max-Planck-Institut auf das Gelände des Schwabinger Klinikums zu erweitern. Dann, heißt es, könnte man die Werkswohnungen erhalten.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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