Abfallentsorgung:Die Stadt, der Müll und das eigene Auto

Abfallentsorgung: Müllentsorgung mit dem Fahrrad - nicht immer leicht...

Müllentsorgung mit dem Fahrrad - nicht immer leicht...

(Foto: imago)

Warum man sich benachteiligt fühlen muss, wenn man seine Altstoffe per Fahrrad zum Container bringt - und plötzlich SUV-Fahrer beneidet

Zur SZ-Berichterstattung über Autoverkehr und Luftreinhaltung in München, zum Bericht "Flotter Schlenker" (18. August) und zum Leserbrief "Nichts für Radler, aber autogerecht" (8. September):

Ich hätte so gerne ein wenig Platz. Wenn schon nicht draußen, so doch wenigstens im eigenen Keller. Leider ist das nicht so einfach. Zumindest in München.

Aber von Anfang an: Seit meinen 10. Lebensjahr lebe ich ohne Auto. Bisher fehlte mir nichts Wesentliches. Trotz vieler besorgter Warnungen: Als ich 18 war, hörte ich: Der Führerschein gehört zum Erwachsen werden. Als ich zu arbeiten begann, hörte ich: "Ohne Auto geht das nicht. Du hast nicht so viel Zeit." Ich pendelte mit Rad und Bahn zur Arbeit. Und blieb stark und beweglich. Als ich ein Kind bekam, hörte ich: "Aber jetzt spätestens brauchst Du ein Auto! Wie willst Du denn sonst arbeiten, einkaufen, Baby bewegen, mit dem ganzen Zeug?" Aber das Baby wurde groß, stark, beweglich und selbständig.

Als ich einen Keller bekam, der sich allmählich mit Zeug füllte, hörte ich: Nichts mehr. Und hatte erstmals ein Problem. Das kam so: Früher, als ich weder Keller noch Zeug hatte, gab es dort, wo ich wohnte, eine halbjährliche Sperrmüllentsorgung der Stadt, umsonst, unbürokratisch, zuverlässig. Die Anwohner stellten ihr Zeug auf die Gehwege, am nächsten Morgen war alles weg. Der Abend vorher war ein Fest: Man strolchte durch die Straße und fand Schätze. Einen habe ich immer noch, einen Kinderstuhl, unverwüstlich.

In München sagte man mir, soll es das auch mal gegeben haben, vor langer Zeit. Abgeschafft wurde es auch wegen dem "Fest" am Vortag. Menschen seien extra hingekommen, um zu stöbern. Chaotische Zustände. Lärm bis in die Nacht. Scherben. Wer sollte das aufräumen? Silvester? Streetlife? Jeder warme Tag im Englischen Garten? Flaucher? Wer räumt das auf? Doch es kamen die "Wertstoffhöfe".

Leider kamen sie nicht, sondern man sollte zu ihnen kommen. Jeder Münchner darf einen Kubikmeter je Tag entsorgen. Gratis. Seitdem nutzt ganz München dieses Angebot, und alle fahren immer wieder mit ganz vielen großen und kleinen Autos einzeln durch die Stadt zu den Höfen, um der Umwelt etwas Gutes zu tun und den Müll fachgerecht zu entsorgen.

Ganz München? Nein! Ein paar Unbeugsame widersetzen sich bis heute dem Kauf eines eigenen Automobils, verzichten auf Abwrackprämien, fahrbare Wohnzimmer im öffentlichen Raum und wöchentliche Großeinkäufe, stattdessen drängeln sie sich auf schmalen, zugeparkten Rad- und Fußwegen und im öffentlichen Nahverkehr. Aber an ihrem eigenen Sperrmüll werden sie jetzt ersticken.

Einen Mietwagen pro Tag für jeden Kubikmeter? Kommt teuer. Und wie den fahren ohne Führerschein und Fahrpraxis? Schwer. Einen Profi samt Wagen? Der muss bezahlen fürs Entsorgen, auch wenn der Müll aus dem Privathaushalt einer echten Münchnerin stammt. Kommt sehr teuer. Aber die städtische Müllabholung - die gibt es! Kostenpflichtig - kein Problem, denke ich, denn ohne Auto spare ich Geld. Ich blättere in den Bestimmungen: Lange Listen sind auszufüllen: Wie viel genau, was genau wird entsorgt? Das muss viele Wochen vor dem Termin angegeben werden. Wann der ist, bestimmt die Abfuhr, der Tag wird kurzfristig festgesetzt. Dann hat der Müll draußen zu stehen. Keinen Tag vorher. Sonst bestünde die Gefahr, dass sich der Haufen auf meine Kosten vergrößert. Von der Unordnung ganz zu schweigen. Ich gehe mit der Liste in den Keller: Der Sperrmüll verteilt sich großflächig über Regale, Boden, Wände. Dazwischen, darunter und darüber immer wieder Brauchbares.

Die Lage ist unübersichtlich. Mir schwirrt der Kopf. Wie sollte ich das alles, für den Fall, ich kann es im übervollen Keller sortieren, schnell kurz vor der Arbeit am Tag der Abholung raus stellen? Kurz vor der Arbeit? Ich lese: Jemand muss da sein. Kein Wunder, dass dieser "Service" nur selten genutzt wird.

Vor einiger Zeit las ich eine Zeitungsnotiz, der zufolge die SPD das Problem erkannte und sich für eine regelmäßige kostenpflichtige städtische Abholung aussprach: "Insbesondere ältere und nicht so mobile Münchner" hätten zu wenig Chancen, ihren Sperrmüll loszuwerden (SZ vom 11. April). Bin ich alt? War ich mein Leben lang alt? Und unbeweglich? Aber zumindest ein Hoffnungsschimmer. Doch bis heute hörte ich nichts mehr davon.

Mir reichts jetzt! Ich geb' auf. Ich mache den Führerschein und kaufe mir einen SUV, fünf Meter lang und zwei Meter breit. Und stelle ihnen den vor die Nase. Im öffentlichen Raum. Das ist mein gutes Recht. Triumphierend drücke ich aufs Gas - wie schön das Getöse, wenn man es selber macht! Blase meine Abgase in die Luft wie jeder Andere auch und fahre mit 575 PS zum Wertstoffhof. Und entsorge meinen ganzen Mist. Umsonst! Und tue dabei was für die Umwelt. Mülltrennung ist wichtig! Und um die Ecke zum Bioladen fahre ich auch und mache einen Großeinkauf für ein Jahr. Dafür habe ich jetzt Platz. Endlich. Und draußen habe ich den jetzt auch.

Oder doch nicht? Ich stehe im Stau. Der Stau ist endlos. Es riecht nach Abgasen. Die Klimaanlage weht sie rein. Ich schalte sie ab. Lasse die Fenster hoch fahren. Es ist heiß. Es stinkt. Ich kriege keine Luft mehr. Schweißgebadet wache ich auf.

Anja Schaefer, München

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