84-Jährige verprügelt Sanitäter:Retter wird zum Opfer

Alarmierte Sanitäter wollen einen schwerkranken Mann ins Krankenhaus bringen, da schlägt die 84-jährige Ehefrau mit einem Telefon brutal zu. Fünfmal muss der verletzte Helfer operiert werden. Jetzt erhält er Schmerzensgeld.

Christian Rost

Die Frau ist einer "gepflegten Umgebung groß geworden", wie sie sagt, das ist allerdings schon eine Weile her. Mittlerweile ist sie 84 Jahre alt. Doch sowohl ihr Temperament als auch ihre körperlichen Fähigkeiten zeugen von einer bemerkenswerten Konstitution. Die Unterhachingerin verprügelte im Mai vorigen Jahres einen Rettungsassistenten derart, dass er seither fünf Mal am Kiefer operiert werden musste und noch ein weiterer Eingriff bevorsteht.

Vor dem Münchner Amtsgericht leugnete die Frau am Montag die gefährliche Körperverletzung hartnäckig: "Ich habe nie und nimmer einen Menschen geschlagen." Das Gericht befand sie dennoch für schuldig - und fällte ein salomonisches Urteil.

Am 9. Mai 2011 rief die Frau um 19.50 Uhr den Rettungsdienst zu Hilfe, weil ihr an Leukämie schwer erkrankter Mann aus seinem Bett gefallen war und sie ihn alleine nicht heben konnte. Zwei Rettungsassistenten erschienen daraufhin und fanden den 82-jährigen Patienten in sehr schlechter Verfassung vor. Der Mann lag "in einem blutverschmierten Bettlaken, hatte Hämatome am gesamten Oberkörper und schorfige Wunden im Gesicht", so einer der Sanitärer im Zeugenstand.

Die Helfer entschieden, den Patienten sofort in eine Klinik zu genaueren Untersuchung zu bringen - das aber wollte die Frau keinesfalls zulassen. Sie wollte nur, dass die Sanitäter ihren Mann zurück ins Bett heben. Vom Hausarzt habe sie längst gewusst, dass ihr Mann jede Minute sterben könne, und sie habe ihm ein Sterben zu Hause ermöglichen wollen, so die Angeklagte. Die Sanitäter jedoch bestanden darauf: "So kann man den Patienten nicht lassen."

Die Frau reagierte auf die unnachgiebige Haltung heftig. Nach mehreren verbalen Entgleisungen und der Drohung mit einer Anzeige gab sie vor, einen Herzanfall zu erleiden. Als auch dies die Helfer nicht umstimmte, sondern sogar dazu bewog, Notarzt und Polizei zu alarmieren, wurde die Frau grob.

Erst die Polizei konnte die Lage beruhigen

Zuerst rempelte sie den Rettungsassistenten Frank A. gegen einen Türstock, verdrehte ihm zwei Finger und schlug dann mit einem schnurlosen Telefon auf sein Gesicht ein. Erst die Polizei konnte die Lage beruhigen. Der Rettungsassistent erlitt einen Jochbeinbruch und eine Verletzung am Unterkiefer, was ihn auch einen Zahn kostete. Seit der Attacke kann der 42-Jährige nicht mehr richtig kauen.

"Normalerweise ist man sehr dankbar, wenn Sanitäter Hilfe leisten, bei der Angeklagten war das nicht so", fasste die Staatsanwältin den Ablauf zusammen. Die Frau habe das Telefon als "gefährliche Waffe" eingesetzt und die Schläge "mit Wucht" ausgeführt. Negativ wurde der Rentnerin zudem ausgelegt, dass sie die Tat nicht gestanden und kein Unrechtsbewusstsein habe. Ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung forderte die Anklägerin deshalb.

"Das war doch keine Wirtshausschlägerei!"

Der Verteidiger reagierte sichtlich verblüfft auf den Antrag: "Das war doch keine Wirtshausschlägerei!" Seine Mandantin habe sich emotional in einem Ausnahmezustand befunden. Eine Landgerichtsärztin hatte zwar keine Psychose bei der Angeklagten erkannt, ihr aber eine histrionische Persönlichkeit attestiert, was sich auch in ihrem Hang zu theatralischem Verhalten zeige.

Eine verminderte Steuerungsfähigkeit der Angeklagten schloss die Sachverständige nicht aus. Der Verteidiger überließ die Entscheidung über das Strafmaß dem Gericht. Vor der Urteilsverkündung nutzte die inzwischen verwitwete Angeklagte allerdings noch ihr Recht auf das letzte Wort und verkündete: "Ich zahle nichts, lieber ich gehe ins Gefängnis."

Die Vorsitzende Aurelia Arend wollte es nicht soweit kommen lassen und verhängte eine Geldstrafe von 9000 Euro auf Bewährung. Der Betrag wird also nur fällig, falls die Angeklagte binnen eines Jahres erneut straffällig wird. Zahlen muss sie trotzdem. Die Richterin sprach A. 3000 Euro Schmerzensgeld zu.

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