50 Jahre Forschungsreaktor Garching:Jubel oder Protest?

Pionier oder überflüssige Einrichtung? Zum 50. Geburtstag des Garchinger Atomeis gibt es wieder einmal Streit zwischen Anhängern und Gegnern des Forschungsreaktors.

Michael Tibudd

Es sind äußerst unterschiedliche Schlussfolgerungen, die altbekannte Gegner aus der 50-jährigen Geschichte einer ganz speziellen Einrichtung in Garching ziehen. "Pionier auf dem Hightech-Forschungsgelände", ist diese aus Sicht der einen, "Ausgangsort von bahnbrechenden Forschungen" dazu, die "weltweite Anerkennung" gefunden haben.

50 Jahre Forschungsreaktor Garching: 2001 wurde das Atom-Ei von einem neuen Reaktor abgelöst.

2001 wurde das Atom-Ei von einem neuen Reaktor abgelöst.

(Foto: Foto: dpa)

Die anderen halten die Einrichtung dagegen für "überflüssig und gefährlich", "wirklich wegweisende Ergebnisse" seien nicht erzielt worden. Während die einen an diesem Mittwoch zum Feiern zusammenkommen und sich eine glorreiche Zukunft herbeisehnen, sagen die anderen: "50 Jahre sind genug. Es bleibt nur das Abschalten".

Die Rede ist vom Forschungsreaktor (FRM) in Garching, wahlweise dem alten oder dem neuen. Der erste, der in eine charakteristische Hülle aus Beton gepackt ist und entsprechend "Atomei" genannt wird, wurde am 31. Oktober 1957 in Betrieb genommen. Seine Betreiber und mit ihnen, so propagieren es diese jedenfalls, die gesamte forschende Welt, begehen ein Jubiläum.

Die ablehnenden Worte kommen von der Münchner Dependance des Bundes Naturschutz in Gestalt des Vorsitzenden Christian Hierneis. "Jubelfeiern", sagt der, "sind nicht angebracht."

"Zensurskandal"

Hierneis füttert seine These mit dem Hinweis auf eine Reihe von Zwischenfällen am FRM II, der 2004 in Betrieb genommen wurde. Auf der Homepage des bayerischen Umweltministeriums sind mehrere Fälle dokumentiert, in denen der Reaktor schnell abgeschaltet wurde. Das beweise, dass die Anlage nicht sicher sein könne.

Das Umweltministerium wiederum bezeichnet die Argumentation des Bundes Naturschutz als "Panikmache" und verweist darauf, dass alle gemeldeten Ereignisse auf Stufe 0 eingeordnet wurden - "und damit sogar noch unterhalb der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala".

Für Aufregung sorgte zudem vor der 50-Jahr-Feier, bei der Ministerpräsident Günther Beckstein als Festredner auftritt, was die Berliner taz bereits als einen "handfesten Zensurskandal" bezeichnet hat: Die Leitung der Technischen Universität (TU) ließ Plakate entfernen, auf denen Gegner der Kernkraft und des Forschungsreaktors zum Protest gegen die Einrichtungen aufriefen. Acht solcher Plakate räumte ein TU-Mitarbeiter weg.

In der ohnehin aufgeregten Atmosphäre stellte sich sofort die Frage: Mit welchem Recht war das geschehen? Die Frage drang bis in den Landtag zur Grünen-Abgeordneten Ruth Paulig vor. Die Plakatierungen seien rechtens, findet die. Schließlich sei das Forschungsgelände öffentlich zugänglich, die "Bürger gegen Atomreaktor Garching" hatten schließlich eine Genehmigung der Stadt in der Tasche, die Plakate anzubringen.

Paulig will den Sachverhalt in der kommenden Woche im Plenum des Landtags diskutieren lassen. Die TU indes verteidigt ihre Aktion. Eigentümer sei der Freistaat Bayern, die Wege seien zwar öffentlich, aber nicht gewidmet, weswegen sie "ihrer Rechtsnatur nach Privatwege" seien.

Privat oder öffentlich, am heutigen Mittwoch werden beide Seiten ihre Veranstaltungen durchziehen. Die Forscher feiern von 10 Uhr an im Gebäude des Physikdepartments auf dem Garchinger Campus. Schon um 9 Uhr wollen sich draußen die Gegner versammeln - zum Protest.

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