Süddeutsche Zeitung

50-Jähriger vor Gericht:Fatale Explosion nach 18 Überfällen

18 Überfälle auf Tankstellen, Optikergeschäfte und eine Bank gehen auf sein Konto. Auf der Flucht sprengte sich Wolfgang M. in die Luft. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Doch bei der Explosion wurden auch sieben Polizisten verletzt. Nun muss sich Wolfgang M. vor Gericht verantworten.

Christian Rost

Der Mann hat keine Nase mehr, die Ohren wurden ihm weggerissen, die Augen sind nach der Explosion nur noch Sehschlitze in der Haut. Für den Rest seines Lebens wird Wolfgang M. auf einen Rollstuhl angewiesen sein. Nach einer Serie von 18 Überfällen auf Tankstellen, Optikergeschäfte und zuletzt eine Bank sprengte sich der 50-Jährige am 16. August 2010 auf der Flucht in seinem VW-Bus in die Luft.

Bei der Detonation des Fahrzeugs auf der B 300 bei Gessertshausen im Kreis Augsburg wurden auch sieben Polizeibeamte verletzt. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I hat M. jetzt angeklagt: Wegen versuchten Mordes in sieben Fällen und schweren Raubes muss er sich vor dem Münchner Schwurgericht verantworten. Der Prozess beginnt am 17. Oktober.

Wolfgang M. führte über Jahrzehnte ein unauffälliges Leben. Vom Lehrling bei der Baywa arbeitete er sich zum gut bezahlten IT-Projektleiter bei der British Telekom hoch, für die er in München tätig war. Im Januar 2005 gab es einen gravierenden Einschnitt für den gebürtigen Augsburger: Er erlitt einen Hirnschlag, erschien nicht mehr regelmäßig zur Arbeit, und auch seine Freunde bemerkten Wesensveränderungen bei ihm.

Drei Jahre später tauchte er unter. Heimlich packte er sein Hab und Gut aus seiner Wohnung in Hadern in seinen VW-Bus, ließ die Schulden, die er mittlerweile angehäuft hatte, hinter sich und fuhr nach Süditalien. Mit 5000 Euro Bargeld kam er aber selbst auf einem einfachen Campingplatz in Kalabrien nicht weit - im Mai 2008 ging im das Geld aus. Einen Monat später begann in Oberbayern und Schwaben eine Serie von Überfällen, die stets nach dem selben Muster abliefen.

M. fuhr bei jeder Tat von Süditalien in seine alte Heimat, um mit einer Spielzeugpistole bewaffnet und einem Motorradhelm auf dem Kopf Tankstellen und Optikerläden auszurauben. Im VW-Bus brachte er einen Motorroller mit, mit dem er die letzten Kilometer zu den Tatorten fuhr: In Augsburg, München, Freising, Bad Wörishofen, Rosenheim und anderen Orten bedrohte er Angestellte und Geschäftsinhaber, leerte die Kassen und ließ seine Opfer mit Kabelbindern gefesselt zurück.

In manchen Fällen erbeutete er wenige hundert Euro, in anderen deutlich mehr als 1000 Euro. Sein größter Coup bei der Bankfiliale in Unterknöringen bei Günzburg sollte sein letzter sein.

Rund 21.000 Euro nahm M. aus der Bank mit - obwohl ein Mitarbeiter schon Tage vorher auf den Mann mit dem Roller aufmerksam geworden war, der immer wieder auf der anderen Straßenseite stand. Auf der Flucht über die Dörfer - der Roller war wieder im Bus verstaut - wurde eine Polizeistreife auf den Multivan aufmerksam, der ohne Zulassung unterwegs war. Die Polizei wusste bereits, dass der Täter mit einem Roller und einem größeren Fahrzeug unterwegs sein musste. Transporter wurden deshalb besonders genau beobachtet.

Die Streife verfolgte den Bus, bis auf der B 300 Verstärkung eintraf. Eingekeilt von den Verfolgern gab M. schließlich auf - und schloss mit seinem Leben ab. Während die Polizisten vergeblich versuchten, in das Fahrzeug zu gelangen, öffnete M. das Ventil einer Propangasflasche, die hinter dem Beifahrersitz stand.

Er nahm seinen Hund Cleo auf den Schoß, der ihm in Italien zugelaufen war, und rief den Polizisten zu, sie sollten weggehen. Er zeigte sein Feuerzeug, betätigte es, der Funke sprang aber nicht über. M. wurde nervös. Ein Polizist feuerte einen Warnschuss in die Luft. Das Feuerzeug glitt dem Räuber aus der Hand und fiel in den Fußraum. Als er es zu fassen bekam, rochen die Polizisten auch draußen das Gas. Da flog der Bus in die Luft.

Die Beamten wurden zu Boden geschleudert und erlitten vergleichsweise leichte Verletzungen. Wolfgang M. war völlig verbrannt am Körper und im Gesicht. Der Hund überlebte schwer verletzt. Die Taten hat der 50-Jährige gestanden. Er beteuert, er habe die Polizisten gewarnt und keinesfalls töten wollen.

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SZ vom 06.08.2011/tob
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