Homosexualität:Manchmal fliegen noch Eier

Homosexualität: Treffpunkt und Beratungsstelle gleichermaßen: Das Sub ist seit 30 Jahren an der Müllerstraße zu Hause. Hier gibt es ein gemütliches Café und zahlreiche Hilfsangebote, die vor allem von Geschäftsführer Kai Kundrath (links) und dem fachlichen Leiter Christopher Knoll (rechts) koordiniert werden.

Treffpunkt und Beratungsstelle gleichermaßen: Das Sub ist seit 30 Jahren an der Müllerstraße zu Hause. Hier gibt es ein gemütliches Café und zahlreiche Hilfsangebote, die vor allem von Geschäftsführer Kai Kundrath (links) und dem fachlichen Leiter Christopher Knoll (rechts) koordiniert werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Als die Beratungsstelle Sub vor 30 Jahren ihre Arbeit aufnahm, war die Aids-Hysterie groß und Schwule wurden diskriminiert. Seitdem hat sich viel gebessert - doch Anfeindungen erleben Homosexuelle weiterhin.

Von Thomas Anlauf

Wenn Christopher Knoll an die Anfänge der Münchner Schwulen-Beratungsstelle zurückdenkt, kann ihm schon etwas mulmig werden. Der bayerische Staatssekretär Peter Gauweiler wollte 1987 einen Aids-Kreuzzug beginnen, der CSU-Mann forderte lautstark Zwangs-Reihenuntersuchungen aller Deutschen. Infizierte sollten kaserniert werden, machte die Runde, und Gauweiler verbreitete in der Koalition in Bonn das Gerücht, dass sich angeblich eine Münchnerin beim Küssen mit dem HIV-Virus angesteckt habe.

Knoll, der seit den Anfängen der Beratungsstelle Sub vor drei Jahrzehnten dabei und heute deren fachlicher Leiter ist, erinnert sich gut an die Aids-Hysterie in den Achtzigerjahren, an die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten in Deutschland. Heute sagt er: "Rechtlich ist in den vergangenen Jahren spätestens mit der Ehe für alle nicht nur für schwule Männer viel erreicht worden."

1986 wurde in München das Schwulenzentrum zunächst als Verein ins Leben gerufen, dann, vor genau 30 Jahren, begann die Beratungsstelle in einem Rückgebäude der Müllerstraße 44 mit ihrer psychosozialen Arbeit. Dutzende Ehrenamtliche engagierten sich damals für die Belange von Homosexuellen. Auf dem Gebäude durfte der Verein damals noch nicht einmal das Wort "schwul" als Hinweis anbringen, das wollte der Vermieter damals nicht. Wenn die Ehrenamtlichen zur Beratung gingen, wurden sie schon mal mit Eiern beworfen.

Heute sind es 120 Ehrenamtliche und ein sechsköpfiger Stab an Hauptamtlichen, die das Sub zu einer wichtigen Anlaufstelle in ganz Bayern gemacht haben. Das Sub liegt nicht mehr versteckt im Hinterhof, sondern präsentiert sich offen nach vorne zur Müllerstraße mitsamt Beratungscafé. Trotz der mittlerweile prominenten Lage - das Luxushochhaus "The Seven" liegt gegenüber - wurden noch im vergangenen Jahr Gäste des Sub von Anwohnern mit Eiern beworfen.

Vieles hat sich offenbar eben doch noch nicht zum Besseren gewendet für die Münchner Schwulen. Die Gewalt gegenüber Homosexuellen sei in den vergangenen Jahren "sichtbarer geworden", sagt Knoll. Kai Kundrath, Geschäftsführer des Sub, ist überzeugt davon, dass angesichts des spürbaren Rechtsrucks in der deutschen Gesellschaft auch die Attacken gegen Schwule tatsächlich zugenommen haben. Doch "die Polizei wertet diese Gewalt oft gar nicht als Hasskriminalität", klagt Kundrath. Seit einem Vierteljahrhundert versuche das Sub zu erreichen, dass in München die Polizei mehr Sensibilität für die Angriffe auf Schwule, Lesben, Bi, Trans- und Inter-Personen zeige. Erst 2015 wurde deshalb das Anti-Gewalt-Projekt im Sub gegründet.

Das Jahr 2015 hat noch ein weiteres Aufgabengebiet für das Sub eröffnet. Mittlerweile werden dort etwa 80 schwule Männer mit Fluchthintergrund betreut. In zahlreichen Staaten werden Schwule offen diskriminiert, misshandelt, eingesperrt, es droht ihnen mancherorts sogar die Todesstrafe. Besonders schwierig ist die Situation für schwule Muslime. Sie wurden nicht nur in ihren Heimatländern ausgegrenzt und oftmals bedroht. Selbst hier in München haben sie meist keinen Kontakt zu ihrer Gemeinschaft aus der Heimat, weil diese die Homosexualität ablehnt. Für diese Männer hat das Sub nun eine eigene Gruppe gegründet.

In den vergangenen Jahren wurde jedoch ein weiteres ernstes Problem sichtbar. Drogenexzesse mit Chrystal Meth auch im Zusammenhang mit sexuellen Erlebnissen scheinen in München stark auf dem Vormarsch zu sein. Die Folgen für viele sind fatal. Die Drogen machen nicht nur extrem schnell süchtig, sondern viele verlieren deswegen ihren Job.

Trotz aller Probleme: Die gesellschaftliche Akzeptanz für homosexuelle Männer sei gerade auch in München "zweifelsfrei gestiegen", sagt Knoll. Denn die Stadt beschloss früh, eine Beratungsstelle wie das Sub dauerhaft zu unterstützen. Während in vielen anderen deutschen Kommunen Schwulenprojekte bei den Gesundheitsämtern angesiedelt wurden, wurde in München laut Knoll das Thema dem Sozialreferat übergeben. Seit 1997 finanziert die Stadt hauptamtliche Stellen im Sub. So gibt es heute Einzel- und Paarberatung; alte und kranke Homosexuelle, die nicht mehr richtig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, erhalten Paten. "Ich hatte immer das Gefühl, schwulen Männern bei ihrem Weg eine entscheidende Hilfe geben zu können und die Szene dadurch zu einem lebens- und liebenswerteren Ort zu machen", sagt Knoll.

Das soll an diesem Dienstag gefeiert werden. Auch Alt-Oberbürgermeister Christian Ude hat sich zur kleinen Geburtstagsfeier angekündigt.

Zur SZ-Startseite
Familie Wolff aus Nürnberg

Homosexualität in Bayern
:Mutter, Mutter, Kind

Das Familienbild der CSU gilt als konservativ. Wie erlebt das eine Familie, die dieser Norm nicht entspricht? Besuch bei Frau und Frau Wolff.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: