25 Jahre "Soziale Betriebe in München":Zurück ins Leben

Wie Langzeitarbeitslose, Suchtkranke und Behinderte lernen, mit dem Berufsalltag zurechtzukommen. Wir stellen drei Projekte der "Sozialen Betriebe in München" vor.

Stefanie Paul

Es ist Anfang der achtziger Jahre. Im Radio dudelt Roland Kaisers "Santa Maria", im Kino geht "Das Boot" auf Tauchstation. In Deutschland herrscht Krise und auch München bleibt nicht verschont. Anfang dieses Jahrzehnts sind mehr als 22.300 Menschen arbeitslos. Bis 1987 werden es mehr als doppelt so viele sein.

25 Jahre "Soziale Betriebe in München": Für den 21-jährigen Tarkan ist Maler ein Traumberuf. Mit Hilfe der "Sozialen Betriebe in München" will er irgendwann seinen Meister machen.

Für den 21-jährigen Tarkan ist Maler ein Traumberuf. Mit Hilfe der "Sozialen Betriebe in München" will er irgendwann seinen Meister machen.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Der Stadtrat beschließt im Eiltempo das Beschäftigungsprogramm "Zweiter Arbeitsmarkt". Das trägt heute zwar den klingenden Namen "Arbeitsförderungsinitiative" (AFI), die Idee dahinter ist aber dieselbe geblieben: Ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm gegen Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit. Die AFI ist geboren und mit ihr die "Sozialen Betriebe in München".

25 Jahre ist das nun her. "Früher dachte man immer, eine reine Beratung würde den Arbeitslosen schon helfen", sagt Projektleiter Rupert Herzog. Doch nach der ersten großen Arbeitslosen-Welle war klar: "Wir brauchen etwas Neues, wir brauchen Beschäftigungsprojekte." In der Folge werden erste Betriebe gegründet, die sich speziell um benachteiligte Menschen kümmern.

1996 schließen sich diese Sozialen Betriebe zur "Münchner Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsförderungsinitiativen", kurz Magafi, zusammen. Mehr als 40 Firmen geben der Abkürzung heute ein Gesicht. 2000 Jugendliche, Langzeitarbeitslose, Suchtkranke oder gehandicapte Menschen bekommen hier derzeit einen neuen Job und somit eine neue Perspektive.

"Für viele ist das die letzte Chance", sagt Klaus Wriedt, Sprecher der Magafi, und Projektleiter von "KontaktTee". Im Unterschied zu anderen Städten gebe es in München keine großen Beschäftigungsgesellschaften. "Wir haben viele kleinere Betriebe und dadurch eine große Vielfalt an Angeboten", erklärt Psychologe Wriedt. Die Finanzierung kommt hauptsächlich von der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung (Arge) und der Arbeitsagentur. Die SZ stellt drei Projekte vor.

Die Malerwerkstatt

Karl Hochheim mag lachende Gesichter. Deshalb hat er sich gleich eine ganze Pinnwand voll damit in sein Büro gehängt. Es sind die Gesichter einer Erfolgsgeschichte, der von JAPs, dem Projekt "Jugend, Arbeit, Perspektiven" des Kreisjugendings München-Stadt (KJR). 20 Jugendliche absolvieren hier derzeit eine Ausbildung zum Maler und Lackierer.

70 Prozent von ihnen werden in der Regel nach dem ersten Lehrjahr von einem "richtigen Betrieb" übernommen. "Die Jugendlichen, die zu uns geschickt werden, sind alle irgendwie gescheitert", sagt Hochheim, Projektleiter von JAPs. Sie haben keinen Schulabschluss, schlechte Zeugnisse, Lernbeeinträchtigungen, deshalb haben sie keinen Job gefunden - trotz spezieller Qualifizierungsmaßnahmen. Für viele ist JAPs Endstation und Hoffnung zugleich.

So wie für Tarkan. Seit September schwingt er in den Einrichtungen des KJR den Pinsel. "Ich wollte diese Ausbildungstelle unbedingt haben", sagt der 21-Jährige. Vom ersten Tag an werden die Jugendlichen gefordert, müssen alles lernen, was zum Malerberuf dazugehört. Angeleitet werden sie von zwei Meistern und zwei Gesellen. Sehr familiär, aber streng - so sei das Arbeitsklima, sagt Tarkan, der irgendwann seinen Meister machen will.

"Kulturtechniken", wie pünktlich und zuverlässig sein, das müssten viele Jugendliche erst lernen, sagt Peter Vogl. Er betreut die Auszubildenden im Alter zwischen 16 und 22 Jahren. "Und unser enges Netzwerk, das muss man aushalten können." Dazu gehören auch die Kontrollen, ob jemand regelmäßig zur Berufsschule geht. "Am Anfang tut's schon weh, aber dann kommen die Erfolgserlebnisse", sagt Hochheim. Die lachenden Gesichter geben ihm Recht.

Die Teestube und der Zweitbuchladen

Die Teestube

25 Jahre "Soziale Betriebe in München": Klaus Wriedt hilft in der Teestube "KontaktTee" an der Balanstraße psychisch kranken Menschen.

Klaus Wriedt hilft in der Teestube "KontaktTee" an der Balanstraße psychisch kranken Menschen.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Es ist 18 Uhr, Essensgeruch liegt in der Luft. In der Küche der Teestube an der Balanstraße steht schon das Abendessen bereit. Heute werden Spaghetti Bolognese serviert. Seit 24 Jahren gibt es die Teestube schon. Ins Leben gerufen wurde sie vom "Verein Kontakt und Beratung Haidhausen". Damals standen vier psychisch kranke Menschen hinter der Theke des Cafés. Heute sind es insgesamt 25. Sie arbeiten je nach Befindlichkeit, maximal 30 Stunden in der Woche.

"Es gibt ein oder zwei Tage im Jahr, an denen wir zu machen müssen, weil es den Leuten schlecht geht", erklärt Klaus Wriedt. Auch wenn es recht unbürokratisch zugeht im Cafe, "Kaufladen spielen wir hier nicht", sagt Wriedt. Die Leute müssen kalkulieren, organisieren und einkaufen. "Sie tragen die Verantwortung, dass der Laden läuft", sagt der Projektleiter.

Ihnen zu Seite stehen sechs Sozialarbeiter und Psychologen. Wer im KontaktTee landet, der wurde von der Agentur für Arbeit oder der Arge hergeschickt. Orientieren, qualifizieren, integrieren, das will der Betrieb leisten. Und im besten Fall zurück auf den Arbeitsmarkt führen.

Der Zweitbuchladen

Im Grünen fing vor 21 Jahren alles an. Damals war das Garten- und Landschaftsbau-Projekt die Antwort des Vereins "Arbeit für Behinderte, Benachteiligte und Arbeitslose" (Abba) auf die steigenden Arbeitslosenzahlen. Heute betreibt der Verein zusätzlich noch einen Entrümpelungsservice und einen Zweitbuchladen und gibt damit 22 Menschen mindestens ein Jahr lang einen Job. "Wir haben behinderte Menschen, psychisch Kranke, trockene Alkoholiker, aber auch Leute, die aus dem Gefängnis kommen", sagt Projektleiter Rupert Herzog.

"Die Leute, die zu uns kommen sind auf der letzten Stufe angelangt", sagt Herzog. Erst stabilisieren, dann für die Arbeit fit machen, das seien die Ziele von Abba. Dabei müsse man aber immer überlegen, "welche Aufgaben man den Leuten geben kann", meint der Projektleiter. Bei einer Entrümpelung mache es nichts aus, wenn etwas kaputt gehe, "das war bei unserem ehemaligen Maler-Projekt anders". Bis zu 25 Prozent der Beschäftigten würden in eine dauerhafte Arbeit vermittelt werden. "Natürlich gehört auch etwas Glück dazu."

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