Verkehr:Bekommt München bald eine MVV-Flatrate?

S-Bahndepot in München, 2017

S-Bahndepot in München, 2017 Abgestellte S-Bahn-Züge im Depot der Deutschen Bahn und des MVV in Steinhausen.

(Foto: Robert Haas)
  • Bald beschließt der MVV seine Tarifreform. Die Münchner Vertreter favorisieren die Idee, die vier Innenraum-Ringe zu einer einzigen Tarifzone zusammenzufassen.
  • In München wäre dann jedes Monatsticket gleich teuer.
  • Doch im Umland regt sich Widerstand: Die Landräte sehen ihre Pendler benachteiligt.

Von Christian Krügel

Es klingt ein bisschen wie der Tagtraum eines Münchner Pendlers: Er kauft sich eine MVV-Zeitkarte und darf damit im gesamten Stadtgebiet U- und S-Bahn, Tram und Bus fahren, so viel er will. An Tarifzonen oder Zeitkartenringe muss er nicht mehr denken. Ein Traum, der schon von Dezember 2018 an Wirklichkeit werden könnte. Denn dann soll die große Tarifreform des Münchner Verkehrsverbundes (MVV) in Kraft treten, an der derzeit eifrig gearbeitet wird.

Geht es nach der Stadt München und ihrer Verkehrsgesellschaft (MVG) könnte es am Ende tatsächlich eine solche "Flatrate" für den öffentlichen Nahverkehr in ganz München geben. Verkehrsplaner erhoffen sich dadurch deutlich mehr Fahrgäste und weniger Autoverkehr. Doch gegen das "All inclusive"-Angebot gibt es auch Bedenken, vor allem aus dem Umland.

Derzeit ist das MVV-Netz in insgesamt 16 Ringe aufgeteilt, vier davon bilden den sogenannten Innenraum ab, der weitgehend identisch mit dem Stadtgebiet ist. Klar ist bereits, dass es von Dezember 2018 nur noch acht solche Ringe geben wird, um das System für Fahrgäste übersichtlicher zu machen.

Eine weitere, sehr drastische Vereinfachung wäre es, wenn der gesamte Innenraum nur noch eine einzige Tarifzone wäre. Nach Ansicht der Münchner Vertreter im MVV brächte das den meisten Stadtbewohner viel, vorausgesetzt, das Ticket könnte zu einem angemessenen Preis angeboten werden.

Wer sich heute eine Zeitkarte kauft, muss mindestens zwei Tarifzonen abnehmen, was derzeit im Monat 54,50 Euro kostet. Wer den gesamten Innenraum buchen möchte, muss 78,20 Euro zahlen. Die Idee ist nun, künftig womöglich nur noch ein "Flatrate"-Ticket anzubieten, dessen Kosten irgendwo in der Mitte dieser Preisspanne liegen müssten. Nach Ansicht der Verkehrsplaner hätte man damit gute Chancen, neue MVV-Kunden zu gewinnen.

Und verkehrs- und umweltpolitisch käme diese Botschaft wohl genau zum richtigen Zeitpunkt: eine Stadt, ein Monatsticket, ein Preis - und kein (Diesel-) Auto mehr. Allerdings gäbe es auch Verlierer. Zum einen Stadtbewohner, die bislang mit nur zwei Zonen gut zurechtgekommen sind. Zum anderen Pendler aus dem Umland, die ohnehin viele Zonen in ihrem Landkreis buchen müssen und künftig auch noch für die ganze Stadt bezahlen müssten.

Ein Beispiel: Wer heute etwa von Sauerlach zu Siemens nach Neuperlach muss, kommt mit drei Zonen im Außenraum und einer im Innenraum aus, was derzeit 78,20 Euro kostet. Künftig würde er die Nutzung des restlichen Münchner Stadtgebiets dazubekommen, müsste aber wohl auch deutlich mehr bezahlen. Im heutigen Preismodell wären es sogar rund 115 Euro.

Die Landräte der Region fürchten daher, dass eine Münchner MVV-"Flatrate" klar auf Kosten der Pendler aus dem Umland ginge. Deshalb vertagten sich am Tag vor den großen Ferien auch die Vertreter der MVV-Gesellschafter. Das sind neben der Landeshauptstadt eben die acht Landkreise der Region und der Freistaat. Nach SZ-Informationen konnten sie sich bei ihrer jüngsten Sitzung nur darauf einigen, weitere Gutachten einzuholen und Modelle durchrechnen zu lassen.

Es gehe in der Tat um einen "sehr komplizierten Abwägungsprozess", heißt es sowohl im Münchner Rathaus wie auch in den Landratsämtern. Konkret müsse errechnet werden, wie viele Fahrgäste der MVV durch ein Münchner "Flatrate"-Ticket gewönne und wie viel Geld er womöglich verlöre, weil bisherige Pendler sich die Mehrkosten nicht leisten wollen. Weil die Kalkulation politisch so heikel ist, schweigt der MVV dazu. Geschäftsführer Alexander Freitag bestätigt nur, dass noch viel Arbeit zu tun ist: "Die Gutachter und unsere Tarifexperten haben heuer keine Sommerferien."

Am 24. November soll die Tarifreform beschlossen werden

Bei einer Gesellschafterversammlung am 15. September soll offenbar geklärt werden, ob eine "Zeitkarten-Flatrate" weiter verfolgt werden soll oder nicht. Themen dürften zudem sein, ob die Geltungszeit der Seniorenkarte erweitert, diese aber nur noch für Personen von 65 Jahren an (bisher von 60 an) zu erwerben sein wird. Und auch das Angebot eines neuen Jugend- und eines Sozialtarifs bedarf offenbar noch der Diskussion. Bereits am 24. November soll die Tarifreform aber inklusive neuer Preise beschlossen werden.

Bei ihrer Sitzung im September müssen die Gesellschafter aber zunächst entscheiden, wie stark die Fahrpreise heuer steigen werden. Münchens Bürgermeister Josef Schmid (CSU) hatte eine Nullrunde gefordert. Die wird es wohl nicht geben, heißt es aus den Reihen der Gesellschafter.

Dem Vernehmen nach liegt die Forderung der MVG allerdings deutlich niedriger als in den vergangenen Jahren. 1,4 Prozent Aufschlag seien aus Sicht der Verkehrsgesellschaft nötig, heißt es. Deutlich mehr, nämlich 3,5 Prozent, hätte wohl gerne die Deutsche Bahn. Die Entscheidung werde irgendwo in der Mitte liegen - und sei am Ende ebenfalls eine politische.

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