Urteil am Münchner Landgericht:Nicht verrückt, aber kriminell

Er wettert gegen das System, beleidigt und bedroht Menschen. Doch Bernhard P. wird nach seinen Attacken nicht in die Psychiatrie eingewiesen. Ein Münchner Gericht hat den manisch-depressiven Mann nun zu einer Haftstrafe verurteilt.

Von Christian Rost

Bernhard P. ist nicht verrückt, er ist "absolut kriminell". Zu diesem Urteil kam am Montag das Münchner Landgericht. Die 9. Strafkammer verurteilte den promovierten Chemiker und selbsternannten Kritiker des psychiatrischen Systems in Deutschland zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Der 64-Jährige wurde in 24 Fällen der Beleidigung, in fünf Fällen der Bedrohung, dazu der Verleumdung, der üblen Nachrede und einiger anderer Delikte schuldig gesprochen.

Weil er manisch-depressiv ist, fiel die Strafe milder aus als in vergleichbaren Fällen. Seine Krankheit ist nach Auffassung des Gerichts aber nicht so schwerwiegend, dass der Mann aus dem Landkreis Starnberg zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht werden müsste.

Es war ein anstrengender Prozess um den aufbrausenden Mann, der seine frühere Lebensgefährtin, ehemalige Geschäftspartner, Polizisten, Ärzte und Kommunalpolitiker verbal auf heftige Art attackiert und sie sogar des Mordes und anderer schwerer Straftaten bezichtigt hatte. Der Vorsitzende Richter Thomas Denz sagte, einen vergleichbaren Angeklagten habe er in seinen 25 Berufsjahren noch nicht erlebt.

Das letzte Wort dauert fünf Stunden

Als einzigartig fiel P. aber nicht durch seine zweifellos überdurchschnittliche Intelligenz vor Gericht auf, sondern vielmehr durch seine unmögliche Art. In seinem letzten Wort, das fünf Stunden dauerte, ehe es ihm der Vorsitzende entzog, warf er beispielsweise seine Ausweispapiere in Richtung Richtertisch. Und so viele Ermahnungen, die Verhandlung nicht andauernd mit Einwürfen zu unterbrechen, dürften bislang in noch keinem Prozess ausgesprochen worden sein wie in diesem.

P. hielt es keine fünf Minuten auf der Anklagebank aus, ohne verbal um sich zu schlagen: Mal musste das Gericht als Zielscheibe herhalten, dann ging es wieder gegen den "CSU-Staat Bayern", den er für Schicksale wie das des Psychiatrie-Insassen Gustl Mollath verantwortlich machte. Die Wortwahl des Angeklagten offenbarte dabei "den Zerfall einer bürgerlichen Existenz", wie der Richter sagte. Noch in den Neunzigerjahren sei P. beruflich erfolgreich im Pharmawesen und ein "Mann von Welt" gewesen. "Heute kann man nicht sagen, dass Sie unter die Gürtellinie gehen - weil es bei Ihnen keine Gürtellinie mehr gibt", so Denz.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Ex-Freundin des Angeklagten vertrat, hatten P.s Einweisung in die Psychiatrie gefordert, in der er zuletzt vorläufig untergebracht war. Die Kammer orientierte sich aber am Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen, der ihn als Verbal-Täter und somit als nicht gemeingefährlich eingestuft hatte. Richter Denz gab dem Angeklagten mit auf den Weg, sich behandeln zu lassen, wenn er nach der Haft nicht doch noch in der Psychiatrie landen wolle.

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