Unterhalt:Jugendamt will von Alleinerziehender wissen, wie oft sie Sex hatte

Alleinerziehende

Den Lebensunterhalt für Kinder von Alleinerziehenden soll das Unterhaltsvorschuss-Gesetz sichern helfen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlt (Symbolbild).

(Foto: Marcel Kusch/dpa)
  • Das Münchner Jugendamt wollte von einer alleinerziehenden Mutter wissen, wo, wann und wie oft sie mit dem Vater ihres Kindes Sex gehabt hat.
  • Die Frau findet die Fragen diskriminierend und sexistisch. Das Amt sieht sein Vorgehen gedeckt vom erweiterten Unterhaltsvorschussgesetz.
  • Dem Gesetz zufolge müssen alleinerziehende Eltern, die vom anderen Elternteil Unterhalt fordern, mithelfen, dessen Elternschaft oder aktuellen Aufenthaltsort zu klären.

Von Sven Loerzer

Mütter, die einen Unterhaltsvorschuss für ihr Kind beim Jugendamt beantragen, sehen sich unangenehmen Fragen ausgesetzt, wenn sie keine Angaben zum Vater ihres Kindes machen. Eine alleinerziehende Münchner Mutter, die für ihre 16-jährige Tochter nach dem seit Juli geltenden erweiterten Gesetz Unterhaltsvorschuss beantragt und zum Vater "unbekannt verzogen" in das Formular eingetragen hat, bekam eine "Einladung zum persönlichen Gespräch".

Dabei wurde ihr ein Katalog mit 13 Fragen vorgelegt, in denen es um intimste Details ging. Jugendamtsmitarbeiter verlangten nicht nur Auskunft, wo und wann der Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, sondern wollten auch wissen wie oft. Die betroffene Mutter war fassungslos, die Fragen seien diskriminierend, sexistisch und menschenverachtend. Das Sozialreferat aber will an dem Fragebogen festhalten. Mit dessen Hilfe "soll ausgeschlossen werden, dass die Mutter doch eine Möglichkeit hätte, den tatsächlichen Kindsvater zu benennen", erklärt Sozialreferatssprecherin Edith Petry.

Die betroffene Mutter, die in ihrem Antrag angegeben hatte, dass der Vater unbekannt verzogen sei, empfand die Fragen dagegen als nicht zielführend für die Ermittlung des Vaters, sondern als primitiv. Das Jugendamt will zunächst wissen, wo, wie und wann die Mutter "den vermeintlichen Vater" kennengelernt hat und verlangt dazu eine genaue "Ortsangabe, Hintergründe z.B. über Freunde, Arbeit, etc.". Dann soll die Mutter Angaben zum Aussehen machen, etwa Größe, Haarfarbe, Augenfarbe, auffällige Merkmale, wie Narben und Tätowierungen, sowie die Nationalität benennen und das Alter schätzen.

Weitere Fragen beschäftigen sich mit Staatsangehörigkeit, Dialekt und Akzent, auch gemeinsame Freunde sollen aufgelistet werden. Ebenso wird gefragt, ob der Mann mit dem Auto kam, welche Farbe es hat und ob das Nummernschild bekannt ist. Dann geht es um intime Details: "Wo und wann fand der Geschlechtsverkehr statt (Empfängniszeit, Angabe Hotel, Pension, Zimmernr.)?" Danach will das Jugendamt wissen, wie oft der Geschlechtsverkehr stattfand. "Bei mehrmaligem Geschlechtsverkehr: Wie haben Sie sich wiedergetroffen?"

Die weiteren Fragen kreisen um den Austausch von Kontaktdaten, weiteren Treffen und den Kontakt über soziale Netzwerke. Zum Abschluss soll die Mutter angeben, ob noch weitere Männer als Vater in Frage kommen in der gesetzlichen Empfängniszeit. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch handelt es sich dabei um den Zeitraum vom 300. bis zum 181. Tag vor der Geburt des Kindes.

Das Sozialreferat sieht sein Vorgehen gedeckt durch das Unterhaltsvorschussgesetz, in dem die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des unterhaltspflichtigen Elternteils Voraussetzung ist. Kann die Mutter keine Angaben zur Person des mutmaßlichen Vaters machen, ist nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums ein persönliches Gespräch zu führen. Demnach soll die Mutter dann mit geeigneten Beweismitteln darlegen, warum sie keine weiteren Angaben machen kann und dass sie alles unternommen hat, um nach Bekanntwerden der Schwangerschaft den Vater ausfindig zu machen.

Das Sozialreferat hält die Befragung für notwendig

Das Sozialreferat verweist dabei auch auf die Rechtsprechung zur Mitwirkung, auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 1992. Darin ging es, wie das Gericht festhielt, um eine sogenannte Disco-Bekanntschaft einer Mutter: "Auch wenn es ihr in gewissem Maße peinlich gewesen sein mag, die Umstände ihrer zweiten unehelichen Schwangerschaft und Geburt näher darzulegen, so bildete dies noch keinen hinreichenden Grund, die ihr mögliche Mitwirkung bei der Feststellung des Kindsvaters zunächst einmal gänzlich abzulehnen."

Die Befragung hält das Sozialreferat für notwendig, da dem Staat ein finanzieller Schaden entstehe, wenn er für den Unterhaltsausfall einspringt, obwohl möglicherweise doch ein unterhaltspflichtiger Vater zu ermitteln gewesen wäre. So könnten sich beispielsweise Anhaltspunkte für die Ermittlung der Vaterschaft aus der Befragung ergeben. Etwa wenn es sich um eine Bekanntschaft über eine Firmenfeier handle, sagt Edith Petry. Da gebe es dann zwar vielleicht keine Meldeadresse, aber es könnte "ein Zeitpunkt oder Arbeitgeber oder Vergleichbares genannt werden", wodurch "eine Kontaktaufnahme und somit die Ermittlung des Kindesvaters tatsächlich möglich wäre". Den Mitarbeitern in den Sozialbürgerhäusern sei bewusst, dass sie bei dieser "sehr persönlichen und für die Betroffenen oftmals schwierigen Fragesituation entsprechend sensibel vorgehen müssen", versichert Petry.

Die betroffene Mutter, deren Vorschuss danach bewilligt wurde, sieht das allerdings anders und hat sich deshalb bei der Sozialreferentin beschwert: "Wer mit solchen Fragen arbeitet, richtet Schaden an." Die Fragen seien diskriminierend und sexistisch, da ausschließlich Frauen angesprochen würden und die Privat- und Intimsphäre verletzt werde.

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