Stadtbäche:Münchens Großstadt-Fischer

Stadtbäche: Für den Isarfischer Lukas Reuther ist das Angeln in der Isar und ihren Bächen zwar auch Vergnügen, doch der Naturschutz der Gewässer ist ihm ebenfalls sehr wichtig.

Für den Isarfischer Lukas Reuther ist das Angeln in der Isar und ihren Bächen zwar auch Vergnügen, doch der Naturschutz der Gewässer ist ihm ebenfalls sehr wichtig.

(Foto: Robert Haas)
  • In den Münchner Stadtbächen leben 27 verschiedene Fischarten, einige von ihnen sind bedrohte Arten.
  • Die Jugendgruppe der Isarfischer ist Pächter der Stadtisar und ihrer Bäche und kümmert sich am Eisdriftbach um Fischbesatzung, Renaturierungen der Gewässer und die Bachauskehr.

Von Viktoria Spinrad

Ein junger Fischer in Indiana-Jones-Montur lehnt sich über den Zaun zum Eisdriftbach, der gleich bei der Leinthaler Brücke in Unterföhring in die Hauptisar fliest. Er zeigt auf die kleinen, kaum zu sehenden Wasserkreise, die die Jungfische bilden, ein Fisch mampft gerade an der Oberfläche. "Das hier ist der Kindergarten für die Münchner Jungfische", erklärt er. An Stadtbächen wie diesem sollen Fische wie Aitel, Forellen und Äschen geschützt vor Feinden wie Hechten und Kormoranen aufwachsen, bevor sie sich in die reißende Hauptisar spülen lassen. "Hier wird auch nicht gefischt", sagt er - wie in fast allen Stadtbächen.

Und der mit grauer Wathose, Kescher und Polarisationsbrille ausgestattete Fliegenfischer und Student, der Lukas Reuther heißt, sagt auch: "Ohne die Bäche wäre Fischen in der Isar wirklich schwierig." Denn bei reißendem Hochwasser seien die Stadtbäche unverzichtbar - dann können die Fische in die seichter verlaufenden Nebenbäche ausweichen und dort überleben.

Reuther ist Mitglied der sich selbstverwaltenden Jugendgruppe der Isarfischer, die sich eigenständig um den Eisdriftbach kümmert - denn der Angelverein ist auch ein eingetragener Naturschutzverein. Die Isarfischer sind Pächter der Stadtisar und damit auch ihrer Bäche - ohne Lizenz darf sich niemand mal eben als Fischer ausprobieren. Die Lizenzen sind begehrt, "manche warten zehn Jahre auf eine Genehmigung", sagt Reuther. Der Verein mit seinen 1100 Mitgliedern hat aktuell alle Fischereilizenzen vergeben. Von den Angellizenzen und Zuschüssen des Landesfischereiverbands speist der Verein sein Budget für Fischbesatzung, Renaturierungen der Gewässer und Geräte für die Bachauskehr.

Was schwimmt überhaupt in den Stadtbächen? Die Hauptisar und ihre Bäche gehören zur Äschenregion, sie ist der sogenannte Leitfisch. 27 verschiedene Fischarten gibt es insgesamt im Isarsystem, viele von ihnen stehen auf der roten Liste: Huchen, Äsche, Nase, Streber, Aitel. "Früher war die Nase der typische Steckerlfisch", sagt Maximilian Burkhart von den Isarfischern - heute sei dies der Huchen. Aber auch er sei unter Druck, da es ihm wiederum an Beutefischen mangele.

"Barbe und Nase sind normalerweise keine Zielfische für Isarfischer", sagt Burkhart. Überhaupt ist das Fischen in der Hauptisar stark reglementiert. Jeder Fischer darf nicht mehr als zwei Fische am Tag, vier in der Woche und 25 im Jahr mitnehmen. "Schwarzfischen" ohne Lizenz gilt als Fischwilderei und wird mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zwei Jahren bestraft. "Insgesamt haben wir mittlerweile wieder einen super Fischbestand und ein super Gewässer", fasst Reuther von der Jugendgruppe zusammen.

Das war nicht immer so. Im Zuge der Industrialisierung wurden viele Bäche zugeschüttet, die verbliebenen der zumeist künstlich angelegten Bäche glichen eher Kanälen als Bächen. Mit den Maßnahmen zur Renaturierung, die die Stadt mit dem Isar-Plan seit dem Jahr 2000 vorangetrieben hat, will der Verein die Isar und ihre Bäche so naturnah wie möglich gestalten. "Aus langweiligen Wasserbahnen schöne Landstraßen gestalten", sagt Burkhart - mit Schubkarren voll Totholz und Kies, in den die Fische laichen können. Es sei knifflig, "400 Meter Bach mit Schubkarre und Muskelkraft aufzumotzen".

Das passiert zusammen mit den Bachauskehrungen, bei denen die Isarfischer mit elektrischem Feld und Kescher durch die abgeflachten Bäche ziehen, die Fische einsammeln und sie zählen. Die Isarfischer setzen Hechte und Aale in die umlegenden Seen aus. "Seit Beginn der Bachumbauten wachsen die Populationen der gefährdeten Fische wieder", sagt Burkhart. Bis zu diesem Jahr experimentierten die Isarfischer auch mit einer eigenen Fischzucht an der Krämer'schen Kunstmühle, heute setzen sie wieder eingekaufte Fische in das Isarsystem aus.

Dass sich die Fische in strukturierten Bächen mit tiefen und flachen Stellen, Steinen und Büschen wieder vermehren und in Ruhe ablaichen können, das geht auch dank der vielen eigens gebauten Fischaufstiegseinrichtungen, die zum Beispiel im Eisdriftbach und am Maximilianeum die Hauptisar mit ihren Bächen verbindet. Über die sogenannten Fischtreppen sollen Fische vor allem im Frühjahr zur Laichzeit den Weg stromaufwärts in die Bäche finden. So habe die neue Fischtreppe am Oberföhringer Wehr "mehrere Millionen Euro" gekostet, wie Burkhart sagt. Die Konstruktion solcher Treppen, die an Landschaftsgärtnerei erinnern, sei eine "große Kunst": Schließlich müsse der Winkel genau stimmen, damit die Fische, die eben keine Hinweisschilder lesen können, sie auch finden.

Aber nicht alle Fischtreppen funktionieren: "Das Umgehungsgerinne am Flaucher ist im falschen Winkel gebaut, sodass die Fische den Einstieg nicht finden", sagt Johannes Schnell vom Landesfischereiverband. An solchen Stellen, an denen Fischen keine oder keine gute Umgehungsstraße gebaut wurde, wartet dann oft ein Todesstreifen für die Tiere: die etwa 20 Wasserkraftanlagen im Stadtgebiet, die bei den Fischen zu Schleudertraumata führten oder sie gleich in den Turbinen zerhäckseln. Eigentlich gebe das Wasserhaushaltsgesetz vor, welche Vorkehrungen die Betreiber für den Schutz der Fischpopulation machen müssten, sagt Schnell. Aber hier gebe es ein "Vollzugsdefizit", auch die Wasserkraft müsse aber ihren Beitrag zum Tierschutz leisten. "Sonst hat es auch keinen Sinn, für Millionen Euro Gewässer zu renaturieren."

Im Dilemma finden sich die Isarfischer auch immer wieder in den Sommermonaten, wenn die Renaturierung der Isar und ihrer Bäche viele Münchner für Partys und zum Baden an die Gewässer zieht. "Wenn Kanuten während der Laichzeit des Huchens mit ihren Paddeln in den Laichgruben herumstochern, dann ist es schnell vorbei mit dem sich selbst vermehrenden Huchenbestand in einer Metropole", moniert Burkhart. Wie alle empfindlichen Ökosysteme vertragen die Isar und ihre Bäche nur ein gewisses Maß an menschlicher Präsenz. Was besser wäre: der Besuch von öffentlichen Flussbädern wie dem Naturbad Maria Einsiedel in Thalkirchen.

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