Schwanthalerhöhe:Schlüsselrasseln zum Finale

Kunstfestspiele im Irrland

Schwierige Kommunikation: Bis heute, so sagen die Irrland-Leute, wüssten sie nicht, wann und wo sie den Schlüssel abgeben sollen.

(Foto: oh)

Der Kulturraum "Irrland" verabschiedet sich mit Kunstfestspielen

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Frei, irisierend, ungestüm, schlau und kommerzabhold - acht Jahre lang hat das Veranstalter-Team vom "Department of volxvergnuegen" auf einer Scholle im Westend mit dem Namen "Irrland" Programm geboten, für alle, die den geldschweren, etablierten Kunstbetrieb leid sind und sich bei nahezu durchgängig freiem Eintritt auf selten Gesehenes, Gehörtes oder Gelesenes einlassen wollten. Auf nicht mehr als 60 Quadratmetern im Erdgeschoss an der Bergmannstraße 8 und in friedlicher Koexistenz mit den umliegenden Wohn-Nachbarn. 2017 verkauft dann der alte Vermieter sein Haus, ein Jahr später kommt die Kündigung des neuen Herrn. Ohne einen Grund zu nennen, ohne auf die Bitte um Verlängerung zu reagieren, bis die Mieter einen neuen Boden finden, ohne Antwort auf irgendeine Frage. Auch nicht auf die der örtlichen Politik, die sich für den selbstverwalteten Kunst- und Kulturraum stark macht. Null Kommunikation. Ende Juni fällt die Tür für die kreativen Aktivisten damit ins Schloss. Davor sollen aber noch einmal Funken sprühen bei den "Irrland-Kunstfestspielen" von 5. bis 9. Juni, dem unfreiwilligen Finale.

"Sehr schade, dass dann Schluss ist, weil das auch eine schöne Stadtteilgeschichte war und irgendwie eins ums andere verloren geht." Die Grünen-Politikerin Sibylle Stöhr sagt das, die in der Schwanthalerhöhe den Bezirksausschuss leitet und sich mit den Kollegen dafür eingesetzt hat, dass der Vertrag für die Mieter des Vereins Mischwald, unter dem sich die "Volxvergnuegten" zusammengefunden haben, verlängert wird, bis Irrland im Viertel eine neue Bleibe findet. Weder wurde ein Schreiben von Stöhrs Gremiums je beantwortet, noch drang sie trotz vielfacher Versuche telefonisch durch. "Einmal hatte ich tatsächlich Herrn Jansen dran, der hat mich an andere Nummern verwiesen, unter denen ich aber nie jemanden erreicht habe," erzählt Stöhr auf Nachfrage. Olaf J. Jansen ist Geschäftsführer des Eigentümers, der "B 8 Immobilien GmbH & Co. KG", und hat die Kündigung unterschrieben.

Hausverwaltung von "B8" ist die Adix Immobilien GmbH, dessen Geschäftsführer neben Jansen auch Robert Gillitzer ist, der auf SZ-Anfrage im März erklärt hatte, Kündigungsgrund sei der Erweiterungswunsch der direkt angrenzenden Elektro-Firma. Die Mischwald-Leute haben im Haus nachgefragt, ob dem so sei. Widersprüchliche Angaben, Verwirrung, erklären sie hernach in einem protokollarischen Abriss. "Uns befremdet ..., dass sich offenbar keiner der Beteiligten im Stande fühlt, auf Augenhöhe mit uns zu kommunizieren." Rechtlich gesehen, sagt Moritz Dittmeyer, einer der Gruppe, "ist alles wasserdicht". Doch laufe ihr Fall wie ein zeitgenössisches Münchner Klischee ab. Bis heute wüssten sie übrigens nicht, wann und wo sie den Schlüssel abgeben sollen.

Sang und klanglos wird die Irrland-Scholle aber nicht geräumt. Mit "solidarischen" Mitteln des Bezirksausschusses machen am Mittwoch, 5. Juni, um 19 Uhr gleich vier Ausstellungen den Anfang bei den Kunstfestspielen (Details unter www.volxvergnuegen.org), die die vergangenen acht Jahre noch einmal widerspiegeln: Das Department of volxvergnuegen zeigt einige seiner Kunst gewordenen Veranstaltungsflyer, die schon mal als eingeschweißte Toastbrote daherkamen; Jenny Dams Zeichnungen aus der Reihe "Zustände - Dessins automatique" zeugen von der Magie des Automatischen Schreibens; Carolin Wenzel schlägt ihre analogen und digitalen Reise-Skizzenbücher auf, und Sigi Wiedemann präsentiert ein "Sitzmöglichkeitensammelsurium". Schauspieler und Autor Max "Flamingo" Schäffer liest am Prosa und Zeitungsartikel aus drei Jahren "Weltverachtung", DJ El Presidente und Martin Horn legen dazu sanft auf.

Am Donnerstag, 6. Juni, läuft von 15 Uhr das Hörspiel "Biertel vor drei - ein Suffgespräch über Kunstproduktion in München", nachgesprochen von den Müttern der Autoren Martin Krejci, Thomas Glatz, Sigi Wiedemann, Florian A. Betz, Florian Schenkel. Musik: Christian Nothaft. Am Freitag, 7. Juni, wird's von 15 Uhr an ernst: Fünf Stunden Hörspiel von Florian Schenkel und Thomas Glatz "Eckermann-Gespräche mit Goethe". Am Samstag, 8. Juni, 19 Uhr, gibt es Lyrik von Hans Atom, Moritz und Dieter Liewerscheidt, dann folgt der allerletzte Paukenschlag am Sonntag, 9. Juni, 12 Uhr mit der Finissage und dem Jazzer Steffen Müller.

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