Oberschleißheim:Wer rettet die Regattaanlage?

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Regttastrecke Oberschleißheim wurde für die Olympischen Sommerspiele 1972 angelegt und war Austragungsort der Wettkämpfe im Kanurennsport und Rudern. (Foto: Claus Schunk)

Einst holten die deutschen Ruderer hier Gold, heute verfällt die Olympia-Regattaanlage. Versuche, die Anlage zu nutzen, scheiterten. Nun wird ein neues Konzept erarbeitet.

Von Sebastian Winter

Jahrelang hat die Stadt München das Thema vor sich hergeschoben, Pläne erstellen lassen, Ortsbegehungen gemacht, Finanzkonzepte gemacht und verworfen. Es geht um die Sanierung der so eindrucksvollen wie in Teilen maroden Olympia-Regattaanlage in Oberschleißheim, für die viel Geld in die Hand genommen werden muss, von einem "gut zweistelligen Millionenbetrag" hatte Sportbürgermeisterin Christine Strobl zuletzt gesprochen. Und nun war auch noch der Denkmalschutz schneller: Ende Oktober hat das Landesamt für Denkmalpflege das komplette Ensemble in seine Liste aufgenommen.

Für die Planungen der Stadt, die gerade wieder über Entwürfen für das Areal brütet und die Kosten kalkuliert, hat das gravierende Auswirkungen. Sie kann nun etwa die monumentale Tribüne, die mit ihren 9500 Sitzplätzen für aktuelle und künftige Wettbewerbe viel zu groß ist, nicht mehr abreißen oder teilabreißen, wie sie es vorhatte.

Auch die Bootshallen, Unterkünfte samt Schullandheim, die Turnhalle mit dem Oldschool-Kraftraum sowie Start-, Ziel- und Messtürme, die erneuert oder zumindest renoviert werden sollten, stehen nun unter Denkmalschutz. "Das war nicht unbedingt der Wunsch", sagt Kathrin Abele (SPD), stellvertretende Sprecherin des Sportausschusses. Auch weil das Ensemble nun behutsam saniert werden muss, um die Pläne der Stadt zu verwirklichen, auf dem Areal auch weiterhin Breiten- und Spitzensport anbieten zu können. Die Stadt weiß ja, dass die Zustände an der Olympia-Regattastrecke nicht mehr tragbar sind.

Dass die Anlage unter Denkmalschutz gestellt werden könnte, war ihr aber seit April 2018 bekannt. Schon vor vier Jahren hatte Thomas Stamm, der Präsident des Bayerischen Ruderverbandes, gesagt: "Die Sanitäranlagen sind veraltet, teilweise regnet es in Funktionsräume hinein, die Küche ist auf dem Stand von 1972, und die Doppelzimmer haben zum Teil nicht einmal eine Nasszelle."

Ex-Sportamtsleiter Thomas Urban hatte der SZ damals geschildert, dass er mit Sanierungskosten von rund 40 Millionen Euro rechne, den ersten Spatenstich hatte er für 2017/18 anvisiert. Und nun? Die Jahre gingen ins Land, Ideen für die Nutzung gab es viele: vom Surfcenter über eine Wasserski-Anlage bis zum in der riesigen Tribüne integrierten Hotel.

Nur passiert ist nichts, auch weil die Stadt sich weigerte, die Kosten alleine zu tragen. Doch die Unterstützung vom Bund und dem Freistaat Bayern blieb aus. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dem Stadtrat bis Frühjahr 2019 ein neues Sanierungskonzept vorzulegen, als Termin für den ersten Spatenstich gilt frühestens das Jahr 2020 oder 2021. Ausgerechnet jetzt grätschen die Denkmalschützer hinein. So denkt nicht nur Stadträtin Abele. Beatrix Zurek, die Leiterin des Referats für Bildung und Sport, sagt: "Der Denkmalschutz stellt eine Herausforderung für die Architekten dar. Ich will das Thema nicht auf die lange Bank schieben und wünsche mir keine Kostenexplosion."

Kurz nach der Aufnahme in die Denkmalschutzliste haben die Grünen eine Anfrage an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gestellt: "Wie geht es weiter mit der Olympia-Regattaanlage?" Auch sie sprechen von einem "nicht mehr hinnehmbaren Zustand für dieses Kleinod".

Ein Kleinod, auf dem 1972 der Vierer mit Steuermann hauchdünn vor der DDR das einzige Ruder-Gold für Deutschland gewann. Die Zeit drängt jedenfalls, auch für die ansässigen 13 Vereine, ob nun Ruderer oder Kanuten. Sie sorgen für regen Betrieb auf der Regattaanlage, die auch wegen ihrer Windverhältnisse als hervorragendes Terrain gilt und in Süddeutschland ihresgleichen sucht.

In diesem Jahr war viel los auf der 2,2 Kilometer langen Strecke, die Drachenboot-DM, die bayerischen Rudermeisterschaften, das Breitensport-Spektakel Euro Masters Regatta, viele Junioren-Wettbewerbe, Triathlon-Veranstaltungen und Langstreckenschwimmen. Das letzte wirklich ruhmreiche Jahr datiert aber 2007, als bei der Ruder-Weltmeisterschaft mehr als 60 000 Besucher an der Strecke waren.

Bei der Tribüne könnte sich der Sportamtsleiter eine Art Schubladensystem vorstellen. Sie könnte demnach entkernt, saniert und modulweise wieder genutzt werden. (Foto: Claus Schunk)

Von solchen Zahlen kann Oliver Bettzieche, Vorstandsvorsitzender des Vereins Regatta München, nur träumen. Und er muss warten, obwohl er keine Geduld mehr hat: "Das Problem ist, dass momentan nichts planbar ist, weil es keinen Beschluss der Stadt gibt. Bei internationalen Veranstaltungen müssen wir aber schon jetzt unser Interesse für den Zeitraum 2021 bis 2024 bekunden."

Bettzieche, dem die Top-Veranstaltungen durch die Finger rinnen, sieht täglich, dass gerade im Tribünenbereich die Sanitäranlagen saniert werden müssen, auch die Bootshallen, die Unterkünfte, die Trainingshalle und der Kraftraum. "Die Ziel- und Zeitmesstürme sind noch alle auf dem alten Stand. Man müsste auch die Landestege renovieren, und eine modernere Infrastruktur wie Glasfaserkabel ist nötig."

Es gibt also sehr viel zu tun, wobei Urbans Nachfolger im Sportamt, Günter Schwarz, die neue Entwicklung gar nicht bedrohlich findet: "Der Denkmalschutz kann auch helfen, das behindert unsere Planungen überhaupt nicht. Wir müssen schnell zum Ziel kommen, die Ruderregatta so zu ertüchtigen, dass wir dort wieder Spitzensport erleben." Eine Zeitverzögerung bezüglich der Vorlage des Konzepts im Stadtrat gebe es nicht, auch stehe die Stadtspitze hinter den Plänen: "Es gibt einen großen Konsens, das war vor Jahren auch noch anders. Und wenn Bund und Land sich beteiligen, wäre das der große Wurf", sagt Schwarz.

Bei der Tribüne könnte sich Schwarz eine Art Schubladensystem vorstellen. Sie könnte demnach entkernt, saniert und modulweise wieder genutzt werden. "Es gibt da gute Vorschläge", sagt Schwarz. Eine andere Variante wäre, Teile der Tribüne stillzulegen. Details möchte Schwarz dazu noch nicht preisgeben.

Jedenfalls dürften die Drähte zwischen der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde, dem Baureferat, wo gerade die Kosten berechnet werden, der Olympiapark GmbH als Betreiber der Regattaanlage und dem Sportamt in nächster Zeit heiß laufen. Olympiapark-Chefin Marion Schöne sagt schon mal vorsichtig optimistisch: "Wir sind es im Olympiapark gewöhnt, die Balance mit dem Denkmalschutz zu finden."

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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