Rechtsextremismus:Soldat wegen Nazi-Parole entlassen

Festakt 40 Jahre Bundeswehr-Uni Neubiberg

An der Bundeswehruniversität in Neubiberg gibt es offenbar ein rechtsextremes Netzwerk.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Gegen einen ehemaligen Studenten der Bundeswehrhochschule in Neubiberg wird wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
  • Er und ein weiterer Soldat sollen mit Parolen wie "Judensau" oder "Neger" aufgefallen sein.
  • Offenbar gehört einer der beiden zu einem Netzwerk aus vier Studenten, die Verbindungen zur "Identitären Bewegung" haben.

Von Martin Bernstein und Thomas Schmidt

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt seit Ende Mai gegen einen ehemaligen Studenten der Bundeswehr-Hochschule München wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der frühere Student mit Parolen wie "Judensau", "Neger" oder "Heil Hitler" aufgefallen sein. Die Bundeswehr hat bereits Konsequenzen gezogen: Ende Mai wurden der Offizier und ein weiterer Soldat fristlos entlassen.

Beide waren Studenten in Neubiberg. Ob auch der zweite Fall von der Bundeswehr an die Justiz weitergegeben wurde, wie es bei derartigen Straftaten verpflichtend ist, konnte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Florian Weinzierl, nicht sagen. Er wies aber darauf hin, dass neben dem Anfangsverdacht auf die Verwendung verbotener Kennzeichen noch weitere Straftatbestände überprüft würden. Der ehemalige Offizier sei zuvor noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Vor Kurzem war bekannt geworden, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) gegen vier Studenten der Bundeswehr-Universität München wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus ermittelt. Sie sollen Verbindungen zur "Identitären Bewegung" haben. Einer der beiden Ende Mai entlassenen Soldaten soll zu dieser Personengruppe gezählt haben. Demnach gibt es an der Bundeswehrhochschule derzeit immer noch drei Studierende mit Verbindungen zu der rechten Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Spiegel Online berichtete zudem, dass einer der entlassenen Soldaten über Facebook Kontakt gehabt habe zu einem anderen Soldaten, der sowohl Franco A. als auch seinen mutmaßlichen Komplizen Maximilian T. gut kannte. Beiden wird vorgeworfen, Anschläge auf Politiker und andere Persönlichkeiten geplant zu haben.

Politisch vermintes Terrain also für Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die an diesem Freitag die Bundeswehr-Universität besuchen wird. Sie soll das neue "Cyber-Cluster" der Hochschule eröffnen und am Richtfest für die knapp 17 Millionen Euro teuren 264 neuen Unterkünfte für die knapp 3000 Studenten teilnehmen. Für Nachfragen von der Presse sind bei dem vier Stunden dauernden Besuch der Ministerin gerade mal zehn Minuten vorgesehen.

Auch im Vorhinein gibt sich das Verteidigungsministerium bei Nachfragen zu rechten Umtrieben äußerst zugeknöpft, ebenso wie die Hochschule selbst und der Militärgeheimdienst MAD. Man könne "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Auskünfte insbesondere über disziplinare Ermittlungen oder gerichtliche Disziplinarverfahren erteilen", teilt das Ministerium mit. "Wir dulden keine Extremisten bei der Bundeswehr", schreibt der Presse- und Informationsstab auf die Frage, ob die Verteidigungsministerin die Einschätzung von Experten teile, dass an der Bundeswehr-Universität ein rechtsextremes Netzwerk existiere - und das möglicherweise schon seit Jahren.

Felix S., ein führender Aktivist der "Identitären Bewegung" in Bayern und ehemaliger Neubiberger Student, dient nach wie vor als Oberleutnant in der Bundeswehr. Bei Veranstaltungen wie der fremdenfeindlichen Kundgebung vor der Staatskanzlei nach dem Münchner Amoklauf standen Identitäre, Mitglieder der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft Danubia sowie ein ehemaliger Funktionär der NPD-Jugendorganisation einträchtig nebeneinander. Und in erster Reihe: eben jener Oberleutnant Felix S.

Von 2008 bis 2012 studierte S. an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg. Zusammen mit zwei Mitstreitern verbreitete er Positionen der Neuen Rechten in dem Studentenmagazin Campus. Universitäts-Präsidentin Merith Niehuss hatte bereits 2011 von einer politischen Gesinnung gesprochen, die weder an der Universität noch im Bereich des Verteidigungsministeriums "hingenommen werden kann". Dennoch bestätigte der studentische Konvent den umstrittenen Chefredakteur bei einer Abstimmung im Amt.

Was wurde aus den Ermittlungen des MAD?

Der SPD-Landtagsabgeordnete Peter-Paul Gantzer, Honorarprofessor der Universität, sagte damals dazu: "Ich glaube, die wissen nicht, wie sie dem Ansehen der Bundeswehr geschadet haben. Wer Chefredakteur einer solchen Zeitschrift ist, darf nicht einmal den Anschein erwecken, dass er rechtsextremistische Tendenzen hat."

Die "Campus-Drei", so der Szene-Spitzname für die ehemaligen Macher der Studentenzeitschrift, publizierten unverdrossen weiter, vorwiegend in Veröffentlichungen des Vordenkers der sogenannten Neuen Rechten, Götz Kubitschek, den sie schon 2009 in einem gemeinsamen Blog interviewt hatten. Zudem gaben sie einen Sammelband zum "Soldatentum" heraus, der sogar von der Stiftung des Bundeswehrverbands gefördert wurde. Der jahrelang offen rechts agitierende Felix S. durfte die Bundeswehr auch noch bei einem offiziellen Festakt öffentlich vertreten. Er hielt eine Rede zum Volkstrauertag 2014 in der Marktgemeinde Eslarn in der Oberpfalz.

Die Aktivitäten des Oberleutnants bei der "Identitären Bewegung" wurden im November als einer von insgesamt 63 Verdachtsfälle des vergangenen Jahres von der Bundeswehr registriert - aufgrund von "Medienrecherchen", wie es ausdrücklich heißt. Ob der Vorfall "als schwerwiegender schuldhafter Verstoß gegen die politische Treuepflicht" zu bewerten sei, sei noch offen, heißt es in einer Aufstellung des Verteidigungsministeriums vom 4. April. Der Oberleutnant darf weiter Waffen tragen, Befehle geben und als Ausbilder tätig sein. Ob Felix S. zu den sieben ehemaligen Neubiberger Studenten gezählt wird, die unter Extremismusverdacht im Visier des Abschirmdienstes sein sollen?

Dazu schweigen Ministerium und MAD. Genauso wenig gibt es Auskünfte zu möglichen Verbindungen zu der Gruppe um Franco A. Zum Zeitpunkt der Campus-Affäre studierte auch A.s mutmaßlicher Komplize Maximilian T. in Neubiberg. Am 9. Mai 2017 wurde er festgenommen. Dem Oberleutnant wird vorgeworfen, in die Anschlagspläne von Franco A. involviert gewesen zu sein. Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR erfuhren, dass der MAD im Jahr 2015 schon einmal gegen T. ermittelt hatte. Damals soll er beim Besuch eines Clubs einen Gesprächspartner zu Aktivitäten gegen Flüchtlinge ermuntert haben. Zwei Jahre lang studierten Maximilian T. und Felix S. gemeinsam in Neubiberg.

Das Ministerium betont, man gehe "entschlossen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen jegliche Erscheinungsformen mit extremistischem Hintergrund vor". Bei entsprechenden Anzeichen werde sofort der MAD beteiligt. Besonders die Vorgesetzten seien verpflichtet, sich gegen jede Form von Extremismus zu stellen und in Verdachtsfällen Ermittlungen einzuleiten.

Insider indes bezweifeln, dass das funktioniert. Das liege nicht zuletzt daran, dass viele Vorgesetzte jung und unerfahren seien. Oft wüssten sie gar nicht, wie Extremisten zu erkennen seien. "Es herrscht eine gewisse Sorglosigkeit", so ein ehemaliger, sehr erfahrener Offizier.

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