Rauferei auf dem Oktoberfest:Ein Schläger zeigt Charakter

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Im letzten Moment entlastete ein Täter seinen unschuldig angeklagten Freund. Er hatte auf der Wiesn einem Studenten Nase Schneidezahn gebrochen.

Alexander Krug

Für den Richter schien der Fall klar, auch für den Staatsanwalt: Der Angeklagte lügt. Und weil zu befürchten stand, dass er weitere Zeugen beeinflusst, wurde noch im Sitzungssaal Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr gegen ihn erlassen. Ein neuer Verhandlungstermin wurde bestimmt und die Beteiligten wollten schon gehen. Doch da sprang von den Zuschauerbänken ein Mann auf und erklärte, nicht der Angeklagte, sondern er sei der Täter.

Fast ein Justizirrtum: Es war die Faust, und nicht der Maßkrug. (Foto: Foto: ddp)

Was nach einem schlechtem Drehbuch für eine TV-Gerichtsshow klingt, hat sich unlängst im Münchner Amtsgericht tatsächlich zugetragen. Angeklagt war Rolf S. (alle Namen geändert) wegen Körperverletzung. Er soll auf der Wiesn dem Studenten Hans H. einen Maßkrug ins Gesicht geschmettert haben. Der 30-Jährige erlitt dabei einen Nasenbeinbruch und verlor einen Teil des Schneidezahns. Rolf S. beteuerte seine Unschuld. Doch vor dem Amtsgericht war sich Hans H. sicher, den Angeklagten wiederzuerkennen. Es habe einen Streit gegeben, in dessen Verlauf sich beide mit Bier überschüttet hätten. Dann habe er einen Schlag erhalten.

Einzig mit dem Maßkrug war sich Hans H. nicht so sicher. "Aufgrund der Verletzungen und der Wucht ging ich davon aus, dass es ein Maßkrug war." Als Zeuge war auch Thomas T. geladen, ein Freund des Angeklagten. Der 27-Jährige entlastete Rolf S. und versicherte, dass dieser nicht zugeschlagen habe. Richter und Staatsanwalt glaubten ihm kein Wort. Sie glaubten eher an eine Falschaussage und sahen nun die Gefahr, dass der Angeklagte weitere Zeugen beeinflussen könnte. Der Richter erließ einen Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr und setzte einen neuen Termin an.

In diesem Moment sprang Thomas T. auf, der nach seiner Aussage auf den Zuschauerbänken Platz genommen hatte. Offenbar hatte er nun ein schlechtes Gewissen bekommen. "Ich habe den Geschädigten mit der Faust geschlagen", gab er zu Protokoll. "Ich habe aus Reflex zugeschlagen, weil ich den Angeklagten verteidigen wollte. Mir ist klar, dass mir jetzt erheblicher Ärger droht", meinte der athletisch gebaute Werkzeugmacher.

Der Ärger folgte denn auch auf dem Fuße. Zunächst einmal wurde Rolf S. freigesprochen, ein Justizirrtum damit noch einmal vermieden. Dann klagte die Staatsanwaltschaft Thomas T. an. Die Anklage lautete diesmal sogar auf gefährliche Körperverletzung, weil die Verletzung des Opfers laut Rechtsmediziner nur durch den Schlag mit einem Maßkrug zu erklären sei. Wieder ein Fehler. Denn in dem neuen Prozess am Amtsgericht gegen Thomas T. erklärte ein anderer Rechtsmediziner, dass die Verletzungen sehr wohl auch durch einen wuchtigen Faustschlag erklärbar seien - so wie es der Angeklagte auch einräumt.

Über das Urteil ist man sich schnell einig: Sechs Monate Haft mit Bewährung. Als Auflage muss Thomas T. 2000 Euro an den Geschädigten zahlen. Der Werkzeugmacher nimmt das Urteil sofort an. Sein Verteidiger Daniel Peter hält sich mit Kritik an dem ganzen Verfahren zurück. Er möchte nur eines festhalten: "Mein Mandant hat Charakter gezeigt, das ist in der heutigen Zeit auch nicht mehr selbstverständlich."

© SZ vom 02.01.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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