Oberföhring:Ein hübscher Bonus

Die ökologische Mustersiedlung im Oberföhringer Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park setzt auf Nachhaltigkeit. Das freut die Bewohner, aber viele haben andere Prioritäten. Der erste Rohbau ist jetzt fertig

Von Laura Schmidt

"Kuchen in den ersten Stock, Salate in den zweiten", weist Heike Nieder zwei Gäste an. Eine Gruppe von Menschen, unter ihnen viele junge Familien, hat sich in Oberföhring getroffen, um Richtfest zu feiern. Die Baugemeinschaft "Team hoch drei" ist eine der ersten in der ökologischen Mustersiedlung im Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park, die auf ihren fertigen Rohbau anstoßen kann. Er gehört zu den Holz-Gebäuden mit insgesamt 600 Wohnungen im Süden des Quartiers, die nach wie vor als Mustersiedlung gelten, auch wenn sie ursprünglich einmal deutlich ökologischer geplant waren.

Natürlich ist für die künftigen Bewohner, die voraussichtlich im Mai oder Juni 2019 in ihre Eigentumswohnungen ziehen können, Umweltfreundlichkeit wichtig. Aber in Gesprächen wird klar, dass es vielen nicht nur darum geht. So ist es beispielsweise bei Xaver Ebermayer. Seit 40 Jahren lebt er im Stadtbezirk, möchte auch nicht unbedingt weg. "Aber ich werde älter. Das Haus, in dem ich jetzt wohne, hat keinen Aufzug, und hier kann ich mich besser rühren, wenn doch mal etwas passiert." Für ihn sei der ökologische Aspekt bei seiner Entscheidung eher zweitrangig gewesen, aber dennoch interessant: "Woanders hätte ich auch eine Wohnung gekriegt, aber in der Kombination war das die Ideallösung."

Oberföhring: "Team hoch drei" ist die erste Baugemeinschaft, die Richtfest feiern kann: ganz traditionell mit Richtbaum und Richtspruch.

"Team hoch drei" ist die erste Baugemeinschaft, die Richtfest feiern kann: ganz traditionell mit Richtbaum und Richtspruch.

(Foto: Catherina Hess)

Familie Gottschalk geht es vor allem ums barrierefreie Wohnen. Die Tochter habe eine Behinderung, und da sei es eben einfacher, wenn Badezimmer und Schlafzimmer im Erdgeschoss liegen. Aber der ökologische Aspekt spielt auch für sie eine Rolle: Durch die Bauweise würden weniger Schadstoffe entstehen. "Wir haben uns aufgrund der Behinderung unserer Tochter viel mit dem Thema Epigenetik auseinandergesetzt, wissen also, wie Schadstoffe sich auf die Genetik auswirken", sagt die Mutter. Dazu komme noch die Möglichkeit, mitten in der Stadt zu gärtnern. Und bei Familie Nieder war es einfach schwierig, mit drei Kindern eine bezahlbare Mietwohnung zu finden. "Außerdem finde ich den Gedanken schön, nachbarschaftlich zu leben", ergänzt Heike Nieder.

Doch ist die Mustersiedlung tatsächlich nachhaltig? Ja, sagt der Architekt: "Wir haben versucht, so viel Holzbau wie nur möglich zu machen und hauptsächlich nachwachsende Rohstoffe zu verwenden - da, wo es sinnvoll ist, sie einzusetzen", berichtet Gernot Vallentin. Denn nachwachsende Rohstoffe, kurz Nawaros, seien teurer als klassische Baumaterialien. 256 Kilogramm Nawaros kamen schlussendlich pro Quadratmeter Wohnfläche zum Einsatz, 80 Prozent pro Haus, schätzt der Architekt. Dazu zählt nicht nur Holz, sondern auch Recyclingprodukte wie etwa die Cellulosedämmung der Bauten. Im Inneren des Neubaus habe man Fichten- und Kiefernholz verwendet, die Schalung bestehe aus Weißtanne. Alles Nadelbäume, und das aus gutem Grund: "Laubbäume sind sehr teuer, ihr Holz verwendet man eher für den Innenraum, beispielsweise Eiche als Parkettboden", erklärt Vallentin. Der Aspekt der Nachhaltigkeit sei beim Holz erfüllt, denn der Waldanteil in Mitteleuropa steige. Es wachse also mehr Holz nach, als eingeschlagen werde.

Oberföhring: Noch ist die ökologische Mustersiedlung eine Baustelle. Doch schon im Mai oder Juni dürfen die ersten Familien einziehen.

Noch ist die ökologische Mustersiedlung eine Baustelle. Doch schon im Mai oder Juni dürfen die ersten Familien einziehen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Energieversorgung der Mustersiedlung jedoch löste in den vergangenen Jahren viel Kritik aus. Hätten die Häuser zu Beginn der Planungen noch dem Standard Energie Plus entsprechen sollen, also mit alternativer Energie mehr Strom erzeugen als verbrauchen sollen, werden sie nun an die Fernwärmeversorgung der Stadt angeschlossen. Für ÖDP und Grüne war die ökologische Mustersiedlung damit eine Mogelpackung. Architekt Vallentin sieht die Verantwortung bei der Kommune: Die Stadt verlange einen Anschluss an die Fernwärme. "Aber sie müsste auch darauf achten, dass die Fernwärme ökologisch erzeugt wird, nicht etwa durch Steinkohle."

In der Mustersiedlung auf dem Gelände der früheren Prinz-Eugen-Kaserne gehe es also schon lange nicht mehr darum, sich selbst mit Energie zu versorgen, sagt der Architekt. Vielmehr stehe im Vordergrund, möglichst viel Energie zu sparen. Vallentin zufolge sind ökologische Standards vor allem ein Bonus fürs perfekte Eigenheim. Für die künftigen Bewohner seien optische Kriterien wichtig, etwa wie eine Wohnung geschnitten ist und wie sie aussieht. "Manchmal spielt das und der Umweltgedanke sogar gut zusammen", berichtet er. Ein Weniger an Aufwand könne ein Mehr an Wirkung erzielen, etwa wenn man eine Holzdecke nicht verkleide und die Wohnung dadurch wohnlicher werde.

Oberföhring: Der erste Rohbau der ökologischen Mustersiedlung im Prinz-Eugen-Park steht.

Der erste Rohbau der ökologischen Mustersiedlung im Prinz-Eugen-Park steht.

(Foto: Catherina Hess)

Ein ökologischer Pluspunkt sei in jedem Fall, dass das gesamte Quartier fahrradfreundlich werden soll. Der Stellplatzschlüssel für Autos liege beim frisch eingeweihten Rohbau bei 0,8, also zumindest unterhalb des Standards von 1. Und es bestehe die Möglichkeit, aus Parkplätzen für Autos beispielsweise Fahrradstellplätze zu machen, erklärt Vallentin. Für das gesamte Quartier auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne habe man ein tolles Mobilitätskonzept entworfen, lobt er. Und über die Autofreiheit innerhalb der Siedlung sind auch die künftigen Bewohner glücklich: "Wenn die Kinder draußen vor dem Haus spielen, muss man hier keine Angst haben, dass sie überfahren werden", sagt Heike Nieder, die bald am Prinz-Eugen-Park zuhause sein wird.

Damit das Miteinander im Quartier gut funktioniert, gibt es ein Quartiersmanagement. Der Stadtrat hat nun entschlossen, dieses finanziell zu fördern. So übernimmt die Stadt München nun die Kosten für eine hauptamtliche Stelle sowie Miet- und Sachkosten. Das bedeute Kosten in Höhe von 164 730 Euro pro Jahr und einen einmaligen Investitionsaufwand in Höhe von 50 000 Euro. Anfang 2020 sollen die entsprechenden Räume fertiggestellt sein, das Management ist aber schon jetzt aktiv. Aktuell arbeiten die Verantwortlichen an einer Buchungsplattform, wo die künftigen Bewohner Lastenräder und ähnliches buchen und auch gleich bezahlen können.

Urprünglich hatten wir berichtet, die Baugemeinschaft "Team hoch drei" sei die erste in der ökologischen Mustersiedlung im Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park, die auf ihren fertigen Rohbau anstoßen kann. Das ist nicht der Fall. Die Baugemeinschaft "Der kleine Prinz" war ein paar Tage vorher dran. Die Baugemeinschaft "Team hoch drei" gehört damit nur zu den ersten. Wir haben den Fehler berichtigt.

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