Nida-Rümelin bald Präsident der LMU?:"Ich spüre die Erwartung"

Gegen die Bologna-Reform und für einen längeren Bachelor, mehr Selbständigkeit und Fächervielfalt: Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin will Präsident der LMU werden.

Martin Thurau

Alles deutet auf ein Duell hin: Wenn der Hochschulrat der Universität München (LMU) im Juni einen neuen Präsidenten wählt, hat Amtsinhaber Bernd Huber einen Gegenkandidaten: den Philosophie-Professor und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin.

Nida-Rümelin bald Präsident der LMU?: Bis 2016 dauert die Amtszeit des Präsidenten der Ludwig-Maximilians-Universität, für dessen Amt Julian Nida-Rümelin kandidieren will. Viele sehen ihn bereits als den nächsten OB-Kandidaten der SPD.

Bis 2016 dauert die Amtszeit des Präsidenten der Ludwig-Maximilians-Universität, für dessen Amt Julian Nida-Rümelin kandidieren will. Viele sehen ihn bereits als den nächsten OB-Kandidaten der SPD.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Was würden Sie anders machen als Bernd Huber?

Nida-Rümelin: Sie werden mir jetzt kein böses Wort über den jetzigen Präsidenten entlocken, den ich sehr schätze. Aber ich kann Ihnen sagen, was mich motiviert anzutreten. Die Bologna-Reform, die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen also, ist in ganz Deutschland im ersten Anlauf gründlich danebengegangen. Ich habe das seit drei Jahren kritisiert und auch konkrete Vorschläge gemacht. Nun ist vor allem mit den Protesten der Studierenden Bewegung hineingekommen. Und da spüre ich auch bei Kollegen und Studierenden die Erwartung, dass ich mich nicht drücke, sondern versuche, die Vorschläge in die Praxis umzusetzen.

SZ: Mit welchen Korrekturen ließe sich das Studiensystem retten?

Nida-Rümelin: Es gibt keinen Weg zurück zu Magister und Diplom, so viel ist klar, Deutschland kann sich da nicht isolieren. Wir nützen aber die Spielräume, die die Reform eigentlich bietet, viel zu wenig. Es ist beispielsweise nirgends vorgeschrieben, Bachelor-Studiengänge auf drei Jahre zu begrenzen. Viele Personaler sagen mir, auf das eine Jahr komme es nicht an, wo doch nun auch die Schulzeit kürzer sei. Wichtig sei, dass sie Absolventen bekämen, die selbständig denken können. Gerade dies ist durch das hohe Maß an Verschulung gegenwärtig gefährdet.

SZ: Und wie steht es mit dem Fünf-Jahres-Limit bis zum Master?

Nida-Rümelin: Das gilt nur für konsekutive Studiengänge, die inhaltlich direkt aneinander anschließen. Um dieses Problem abzumildern, hat unsere Fakultät jetzt beispielsweise vorgeschlagen, wie an manchen US-Universitäten ein Programm für Promotion und Master zusammen aufzulegen. Leitet der Master eine neue Ausrichtung des Studiums ein, gilt die Beschränkung ohnehin nicht.

SZ: Gibt es Korrekturen, die schnell helfen - auch denen, die jetzt schon im Studium stecken?

Nida-Rümelin: Wir versündigen uns tatsächlich an der jetzigen Studentengeneration, wenn wir ihre Lage nicht sehr rasch und sehr grundlegend ändern. Nur ein besonders dramatisches Beispiel: Die Bologna-Reform sollte eine größere Mobilität der Studenten in Europa ermöglichen. Sie hat das Gegenteil erreicht: Während eines Bachelor-Studiums wechselt praktisch niemand mehr, besonders in Deutschland nicht. Deshalb muss man in die Studiengänge Mobilitätsfenster einbauen. Das wird in der Regel nur in einem vierjährigen Bachelor gehen.

Nida-Rümelin zu einer möglichen Kandidatur für das Amt des Oberbürgermeisters

SZ: Was kann man für die tun, die jetzt in der dreijährigen Ausbildung sind?

Nida-Rümelin: Die Hochschulen müssen den vierjährigen Bachelor sehr rasch entwickeln, sie könnten ihn schon im kommenden Wintersemester starten und den bereits jetzt Studierenden den Umstieg ermöglichen. Es mag Fächer wie die Betriebswirtschaft geben, die das nicht brauchen, aber in vielen Disziplinen, egal ob Philosophie oder Physik, ist der vierjährige Bachelor die bessere Option.

SZ: Was kann man gegen all die starren Regeln tun, die das Studieren derzeit behindern?

Nida-Rümelin: Das schwierige Problem ließe sich wohl am ehesten mit einem europaweiten Übereinkommen lösen, das die Anerkennung der Studienleistungen zum Regelfall macht. Da brauchen wir mehr Freizügigkeit, früher mussten ja auch vor allem die Studierenden wissen, ob sie mit dem Wechsel zurechtkommen. Ich fürchte nur, dass jetzt, wo der Protest wieder leiser wird, Politik und Hochschulen allzu bald wieder zum Business as usual zurückkehren könnten, angesichts ihrer Realitätsverweigerung schon über Jahre.

SZ: Als Präsident wollten Sie die "Vielfalt der Fächerkulturen" bewahren helfen, sagen Sie.

Nida-Rümelin: Die LMU ist die deutsche Universität mit den meisten Geisteswissenschaftlern. Doch kommen deren Fächer in eine immer schwierigere Lage - durch den Bologna-Prozess, aber auch durch die gängigen Standards der Forschungsbewertung. Im Studium haben sich beispielsweise die Präsenzzeiten dramatisch erhöht, zum Eigenstudium in der Bibliothek haben die Studenten oft schlicht keine Zeit mehr, dabei ist es für sie unerlässlich, viel zu lesen. Damit beschädigt die Reform die Wissenschaftskultur ebenso, wie es etwa die bibliometrische Messung der Publikationsleistung in der Forschung tut. Wenn fast ausschließlich englischsprachige Aufsätze in internationalen Fachzeitschriften zählen, ist das für die Naturwissenschaften sinnvoll, aber sicher nicht für Fächer wie die Romanistik oder die Assyrologie. Schlimmer noch: Wenn Buchpublikationen nicht mehr zählen, fehlt den Geisteswissenschaften die Brücke in die Medien und die Kulturinstitutionen. Damit sind sie öffentlich weitgehend irrelevant.

SZ: Die Amtszeit des Präsidenten dauert bis Herbst 2016. Man sagt Ihnen nach, dass Sie Christian Ude 2016 als Oberbürgermeister beerben wollen. Wollen Sie, vorausgesetzt, Sie werden LMU-Präsident, also womöglich mitten in der Amtszeit in den Wahlkampf ziehen?

Nida-Rümelin: Nach entsprechenden Medienberichten haben einige Kollegen, die meine Präsidentschafts-Kandidatur unterstützt haben, kalte Füße bekommen. Darum will ich das gerne klarstellen. Für Christian Udes Nachfolge halten sich einige bereit. Auch aus Sicht der SPD gibt es wohl näherliegende Lösungen als mich: den Münchner SPD-Vorsitzenden Hans-Ulrich Pfaffmann, der Wahlkämpfe exzellent organisiert hat und seit langem als Landtagsabgeordneter wirkt, oder auch Bürgermeisterin Christine Strobl. Deswegen gibt es keinen Bedarf an weiteren Kandidaten. Und die Vorstellung gar, man könnte sich mit einem Engagement in der Hochschulpolitik als OB-Kandidat in Stellung bringen, ist abwegig. Wer die Münchner Bürgerschaft kennt, weiß, wie wenig Zusammenhang zwischen Stadtpolitik und Wissenschaft besteht. Beklagenswert, aber es ist so.

SZ: Beobachter sehen Sie in jüngster Zeit auffällig oft an der SPD-Basis.

Nida-Rümelin: Das hat seinen guten Grund: Nach dem Wahldesaster habe ich mich reaktivieren lassen, vor allem von Wolfgang Thierse. Seit kurzem bin ich sein Nachfolger als Vorsitzender der Grundwertekommission, dem traditionellen Thinktank der Bundes-SPD. Und so habe ich auch den Gliederungen in München angeboten, bei ihnen Referate zu Programmatik und Perspektiven der Sozialdemokratie zu halten, wie ich das schon vor Jahren gemacht habe.

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