Neuhausen/Nymphenburg:Spätes Entsetzen

Zwei Jahre nach dem Wettbewerb flammt Protest gegen den Neubau des Museums "Mensch und Natur" auf. Kritiker fürchten um das Nymphenburger Schloss-Ensemble, der Sammlungschef sieht die Pläne als Bereicherung

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Mit einem Neubau will das Museum "Mensch und Natur", derzeit beengt im Nordflügel von Schloss Nymphenburg untergebracht, zu einem großzügigen und modernen "Naturkundemuseum Bayern" werden. Der Siegerentwurf im Architektenwettbewerb ist im März 2014 öffentlich vorgestellt worden. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, ziehen einige Bürger gegen den Entwurf des Berliner Architekturbüros Staab ins Feld, sie sehen das barocke Schloss-Ensemble, vor allem die Symmetrie der weitläufigen Anlage in Gefahr.

Der Neubau schließt an den nördlichen Schlossflügel, an die Maria-Ward-Grundschule, an. Dort steht ein Zweckbau aus den Sechzigerjahren, in dem bis zu ihrem Umzug nach Martinsried zwei naturwissenschaftliche Institute der Ludwig-Maximilians-Universität untergebracht waren. Dieses seit Jahren leer stehende Gebäude soll abgerissen werden, an seine Stelle setzen die Architekten einen fensterlosen Bau "aus warmtonigem Sichtbeton" mit einer großen geschwungenen Öffnung, die den Blick auf einen neugestalteten Innenhof freigibt. Sie fühle sich bei diesem Anblick "an die Donnersbergerbrücke erinnert", formulierte anklagend die Neuhauserin Elke Wendrich, die Mitglied im Verein Denkmalnetz Bayern ist, vor einigen Tagen in der Sitzung des Neuhauser Bezirksausschusses (BA).

Museum "Mensch und Natur" in München, 2009

Zuwachs: Das frühere Uni-Gebäude aus den Sechzigerjahren am nördlichen Ende von Schloss Nymphenburg wird abgerissen.

(Foto: Robert Haas)

Ihr Mitstreiter Neven Denhauser bezeichnete das Entree zwei Tage später bei der Bürgerversammlung als "Fischmaul". Und der von der Jury gelobte bewusste Bruch mit der homogenen Fassadengestaltung, findet der 20-jährige Kunstgeschichtsstudent, "beschädigt die Schlossarchitektur dauerhaft". Schon dafür bekam er kräftig Applaus aus der Zuschauerschar. Als er dann die Simulation an die Wand projizierte, war das Erschrecken nicht zu übersehen. Die große Mehrheit der etwa 400 Neuhauser und Nymphenburger schloss sich Denhausers Antrag an, das Wettbewerbsergebnis von 2014 nicht zu realisieren und sich für den Erhalt des bestehenden Gebäudes einzusetzen.

Die Stadtviertelpolitiker wollen sich in der nächsten Sitzung des Unterausschusses Bau in Ruhe mit der Museumsplanung beschäftigen. Oliver Belik (SPD) hielt schon einmal fest, dass er die Meinung von Elke Wendrich teile. "Ich wäre froh, wenn man das wieder zurückholen könnte." Die Gremiumsvorsitzende Anna Hanusch (Grüne) glaubt eher nicht, dass man "da noch komplett auf die Bremse treten kann", außerdem seien die Handlungsmöglichkeiten des Bezirksausschusses "hier stark eingeschränkt". Bauherr des neuen Museums ist der Freistaat. "Natürlich schockiert diese Simulation ein bisschen", versucht Hanusch die Wogen zu glätten, "aber der Entwurf wird ja noch überarbeitet."

Neuhausen/Nymphenburg: An der Stelle soll der Erweiterungsbau für das Museum "Mensch und Natur" entstehen. Simulation: Staab Architekten

An der Stelle soll der Erweiterungsbau für das Museum "Mensch und Natur" entstehen. Simulation: Staab Architekten

Auch Michael Apel, der Leiter des Museums Mensch und Natur, streicht als erstes heraus, dass der mit sehr großer Mehrheit preisgekrönte Entwurf aus dem Wettbewerb, in den auch die Denkmalpfleger und die Bayerische Schlösserverwaltung eingebunden gewesen seien, "nicht eins zu eins umgesetzt wird". Auch die Jury habe damals festgehalten, dass bei Material und Gestaltung noch Überarbeitungsbedarf bestehe. Bisher aber hat das Architekturbüro mit dem Feinschliff seiner Planung noch gar nicht begonnen. "Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren vor allem über das inhaltliche Konzept und über den Raumbedarf diskutiert", erklärt Apel. Zudem wurde ein Gründungsdirektor für das künftige Naturkundemuseum gesucht und in Michael John Gorman auch gefunden.

Zur Forderung aus der Bürgerversammlung, den alten Zweckbau zu erhalten, merkt Apel an, dies sei vor der Entscheidung für einen Neubau geprüft worden. Aber selbst gänzlich entkernt sei das frühere Labor- und Seminargebäude der Uni für Museumszecke untauglich, zudem sei die Bausubstanz "katastrophal". Ein bisschen wundert es ihn, dass jetzt mit solcher Verzögerung Protest aufflammt, damals, im Jahr 2014, bei der wochenlangen öffentlichen Auslegung des Siegerentwurfs aber nichts dergleichen kam. "Ich verstehe natürlich die Bedenken, an dieser sensiblen Stelle", versichert er, "aber ich glaube fest, dass dieser Neubau eine Bereicherung und kein Frevel gegen das Schloss sein wird." Das Berliner Architekturbüro Staab hat auch das Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau entworfen, "ein ganz fantastisches modernes Gebäude im Herzen der bayerischen Monarchie".

Zahlen & Fakten

Mit jährlich 200 000 Besuchern zählt das Museum "Mensch und Natur" zu den am stärksten frequentierten Naturkundemuseen Deutschlands. Auf seinen 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche im Nordflügel von Schloss Nymphenburg kann es aber nur einen Bruchteil der zig millionen Objekte der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen zeigen, mit dem Neubau soll die Fläche auf 7000 Quadratmeter vergrößert werden. Die Baukosten einschließlich Ausstattung schätzt der Freistaat auf 84 Millionen Euro. Anfang Januar will Kultusminister Ludwig Spaenle den Masterplan für das künftige Naturkundemuseum Bayern vorstellen. son

Und noch etwas möchte Michael Apel den Kritikern zu bedenken geben: Den Förderkreis für das neue Naturkundemuseum Bayern, der die Kosten für den Wettbewerb alleine aus Spenden- und Sponsorengeld finanziert hat, leitet Auguste von Bayern, eine Wittelsbacherin. "Der kann man wohl nicht unterstellen, dass sie keinen Sinn für das kulturelle Erbe der Wittelsbacher hat."

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