Neuhausen:Dem Backstage droht das Ende - diesmal wirklich

Backstage in München, 2010

Ärgernis und Publikumsmagnet: Im "Backstage" an der Friedenheimerbrücke herrscht die Angst, dass es Ende des Jahres die letzte Party gibt.

(Foto: Haas)
  • 25 Jahre gibt es das Backstage schon - und immer wieder drohte das Aus.
  • Zum Jahresende könnte es mit dem Veranstaltungszentrum tatsächlich vorbei sein.
  • Gründe dafür gibt es mehrere: Neue Anwohner stören sich an der Lautstärke der Veranstaltungen, zudem fehlt noch immer die Baugenehmigung für den Neubau.

Von Andrea Schlaier, Neuhausen

Das drohende Aus ist eine vertraute Gefahrenstufe in der 25 Jahre währenden Geschichte des Backstage. Drei Mal ist der Club in dieser Zeit umgezogen - immer in eine zu der jeweiligen Zeit städtebaulich eher wenig attraktive Gegend, bis es dort immer schicker wurde und die alternative Konzert-Community deshalb erneut weichen musste. Diesmal nun scheint dieses Prinzip auf die Spitze getrieben zu werden.

Soweit, dass dem Backstage zur Jahresfrist sogar der Saft abgedreht werden könnte. Denn diejenigen, die sich in den Neubauten an der Friedenheimer Brücke nach und nach einmieten, haben keine Lust auf die dröhnenden Hallen zu ihren Füßen.

Das war abzusehen, doch mit dem Ausweichen ist es jetzt so eine Sache. Backstage-Betreiber Hans-Georg Stocker hat zwar bereits 2014 neben dem aktuellen Gelände an der Reitknechtstraße neuen Grund auf dem ehemaligen Deutschmann-Gelände gekauft, um der Hallen-Kultur endlich eine bleibende Heimstatt zu schaffen. Doch noch immer hat die Stadt die Baugenehmigung nicht erteilt. Das Projekt hängt in der Behördenschleife - und für das bestehende Veranstaltungszentrum tickt die Uhr.

Ende 2016 muss der Betrieb eingestellt werden, weil der akustische Puffer für die Neuzugezogenen fehlt. Die Lage ist also höchst misslich, die Zeit rennt der Betreiberfamilie Stocker davon. Helfen könnte die Politik, glauben sowohl die Hausherren als auch der zuständige Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, der den unkonventionellen Machern von jeher treu zur Seite steht.

"Rund um uns wurde Baurecht erteilt, für das Wohnprojekt Friends als auch die Wohnungen von Pandion - und das gefährdet unsere Zukunft extrem!" Beate Stocker, Ehefrau des Betreibers Hans-Georg Stocker, trägt im Bezirksausschuss die aktuelle Notlage in bewegtem Stakkato vor: Für die näher rückende Wohnbebauung reichten die Lärmschutzvorkehrungen auf dem bestehenden Kultur-Areal nicht aus, die erste Klage der neu Zugezogenen habe sie bereits erreicht.

Die Baugenehmigung ist noch nicht da

Die Bestands-Baugenehmigung für das Stammhaus an der Reitknechtstraße läuft Ende 2016 aus: "Wir bekommen nur eine Verlängerung, wenn wir bis dahin bestimmte Lärmschutzmaßnahmen haben; das schaffen wir in der Zeit aber nie!" Notwendig sei die "uneingeschränkte Bespielbarkeit", bis der Neubau des gesamten Backstage steht. Aber, "und das ist halt der Knackpunkt", sagt Beate Stocker, "wir warten immer noch auf die Baugenehmigung!"

Die Sachlage ist kompliziert. 2014 hat Hans-Georg Stocker einen Teil des Nachbargrundstückes dazugekauft, auf dem das Citylogistikzentrum (CLZ) untergebracht ist; dort soll ein neuer Hallenkomplex mit mehreren Bühnen entstehen. Das Grundstück auf dem ehemaligen Deutschmann-Gelände liegt direkt neben der DHL-Halle. Die Stadtplaner bewerten die Pläne als positiv, vor einem Jahr wurde der Bauantrag eingereicht. "Aufgrund der Komplexität dauert das Prüfverfahren hinsichtlich der baurechtlichen Zulässigkeit noch an", heißt es aus dem Planungsreferat.

"Der Bauherr ist am Zug"

Sprecher Ingo Trömer verweist auf laufende Gespräche zwischen der Lokalbaukommission und dem Bauherrn: "Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, Interimslösungen zu finden. Der Bauherr ist jetzt am Zug." Beate Stocker schüttelt den Kopf: "Das kann ich so nicht bestätigen. Wir können nichts machen, bis wir die Baugenehmigung haben. Wir brauchen sie als Sicherheit!" Für sie geht es auch darum, die auf dem CLZ-Terrain geltende Sondernutzung für Logistik in die für einen Kulturbetrieb umzuwandeln. Diese Voraussetzung sei von der Stadt zwar in Aussicht gestellt, aber noch immer nicht realisiert worden.

Hans-Georg Stocker, 2015

Er fürchtet um sein Lebenswerk: "Backstage"-Chef" Hans-Georg-Stocker.

(Foto: Barth)

Bevor der neue Laden aufmacht, das stellt Beate Stocker klar, kann der jetzige nicht schließen. Schließlich werden die laufenden Einkünfte für die Finanzierung des Neubaus gebraucht, die Verlagerung des Betriebs könne deshalb nur schrittweise erfolgen. Sie gibt auch gleich die gewünschte Handlungsmaxime aus: "Wir müssen unkonventionell vorgehen!" Beate Stocker wünscht sich dringend ein politisches Signal und einen runden Tisch, an dem alle relevanten Parteien und Referatsvertreter Platz nehmen und nach einer schnellen Lösung suchen.

Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg bekundet quer durch alle Fraktionen seinen Willen zur Unterstützung. "Es muss durchgehend einen Backstage-Betrieb geben", sagt Leo Agerer (CSU), der Vorsitzende des Kultur-Ausschusses, "es hat keinen Sinn, jetzt zu schließen und in drei, vier Jahren wieder zu eröffnen." Außerdem seien sich die "maßgeblichen Stadtratsfraktionen" ja einig, dass der Club weiter existieren soll.

Als Problem sieht man hier neben der ausbleibenden Baugenehmigung den Ablauf des Mietvertrages für das bestehende Kultur-Quartier mit dem Projektentwickler Aurelis Real Estate, dem das bestehende Backstage-Gelände zur Hälfte gehört, die andere Hälfte ist Eigentum der Stockers; Vertragsende ist der 31. Dezember. "Die werden nur weiter vermieten, wenn Baurecht fürs neue Backstage besteht. Hier beißt sich die Katze langsam in den Schwanz", sagt Agerer. Mit den Kollegen im Gremium ist er sich einig: "Die Baugenehmigung und ein runder Tisch müssen dringend her!"

Bis zur Juli-Sitzung will man das weitere Vorgehen beraten. Einen intern umlaufenden Brandbrief Leo Agerers an die Stadtverwaltung wollten die Ausschussmitglieder noch nicht abschicken; der Sachverhalt sei zu komplex, um ihn auf die Schnelle abzuhandeln. Zur vielschichtigen Problemlage gehört etwa auch die Baustellenzufahrt zur geplanten, zweiten S-Bahn-Stammstrecke, die zwischen altem und neuem Backstage vorbeiführen würde und von der die Bauherren bei Unterzeichnung des Grundstückvertrages nach eigenen Angaben nichts wussten.

Aber dieses Fass wollte man während dieser Bezirksausschuss-Sitzung dann nicht auch noch aufmachen. Es liegen schon genügend Fragen auf dem Tisch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: