Was für eine schreckliche Vorstellung: Da wird das NS-Dokumentationszentrum eröffnet und gegenüber stehen Neonazis und fordern, es abzureißen. Da reisen Holocaust-Überlebende an und sie müssen vorbeiziehen an Glatzköpfen mit Transparenten gegen einen angeblichen "antideutschen Schuldkult". Da blicken aus aller Welt Menschen auf München, auf die Stadt, die die Nazis einst "Hauptstadt" ihrer Bewegung nannten, und sie sehen die Ewiggestrigen, einen so unglaublich kleinen und zugleich so grässlichen Teil dieser Stadt. Diese Vorstellung ist kaum zu ertragen.
Anfänge des NS-Regimes:Wie München zur Brutstätte für den Nazi-Terror wurde
Wenn das NS-Dokuzentrum am 1. Mai in München eröffnet, steht eine Frage im Mittelpunkt: Warum war Hitler gerade hier so erfolgreich?
Doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sie Wirklichkeit werden lassen an diesem Donnerstag. Er hat das Demonstrationsverbot der Stadt gekippt, er ermöglicht den Neonazis größtmögliche Aufmerksamkeit für ihre fürchterlichen Forderungen.
Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut, die Freiheit, sich mit anderen zusammenzutun und in aller Öffentlichkeit noch den größtmöglichen Blödsinn von sich zu geben. Doch sie hat ihre Grenzen. Sie endet an Gedenkstätten, wenn Neonazis Orte heimsuchen wollen, die einen besonderen Bezug zur Nazi-Vergangenheit haben und wenn anzunehmen ist, dass die Würde von Nazi-Opfern durch eine Demonstration verletzt wird. So hat es der Gesetzgeber aus guten Gründen beschlossen.
Ihr Forum:Was erwarten Sie vom NS-Dokumentationszentrum in München?
Am 1. Mai eröffnet das NS-Dokumentationszentrum in München. Auf vier Stockwerken erfahren die Besucher, wie München zur Hauptstadt der Bewegung wurde, wie der Alltag im Nazi-Regime aussah und was nach 1945 passierte.
Das ist eine im Einzelfall schwierige Abwägung, aber wann, wenn nicht an diesem 30. April vor der Eröffnungsfeier des NS-Dokuzentums träfen diese Bedingungen zu? Am Todestag Adolf Hitlers, am Jahrestag der Befreiung Münchens, inmitten der ehemaligen Parteibauten der Nazis? Die Argumentation der Richter, die das anders sehen, lässt die nötige Sensibilität vermissen.
An diesem Donnerstag feiert München einen doppelten Tag der Befreiung: Weil vor 70 Jahren amerikanische Soldaten in die Stadt einrückten und weil sich München nun mit dem neuen Zentrum ernsthaft und gut sichtbar seiner braunen Vergangenheit stellt - nachdem es sich viel zu lange schwer getan hat damit. Es ist und bleibt ein heller Tag für die Stadt. Auf den nun aber der Verwaltungsgerichtshof einen Schatten fallen lässt.