Münchner Momente:Freizeit-Burnout für jedermann

Wer ein Stadtwochenende in München plant, hat ständig das Gefühl, das beste zu verpassen. Dabei erfordert die schönste Art der Freizeitgestaltung eigentlich am wenigsten Planung

Kolumne von Laura Kaufmann

In München, dieser Stadt, die an ihrem Luxus zu Grunde zu gehen droht, kann man es sich immerhin auch als einfacher Bürger leisten, Luxusprobleme zu haben. Insbesondere die Freizeitgestaltung stellt unternehmungslustige Menschen vor eine Zerreißprobe. Gab es vor ein paar Jahren über den Sommer verteilt noch drei, vier nette Straßenfeste, deren Besuch lohnen könnte, gibt es nun drei, vier pro Wochenende. Mit Glück in etwa in dem Revier, in dem die Hofflohmärkte stattfinden, die mittlerweile mit ihrer Ortswahl eine fantasievolle Vorstellung davon beweisen, wo es sehenswerte Hinterhöfe geben könnte - denn so lässt sich die Tagesplanung zumindest um eine Gegend herum organisieren.

Aber es sind ja nicht nur die Straßenfeste. Gleichzeitig läuft vielleicht noch Oper für alle, das Tollwood, die HFF-Jahresschau als Open Air Kino und ein alternativer Pop-Up-Biergarten-Strand mit Konzert-Yoga. Will man wirklich der Münchner sein, der sich eine Kreuzung aus Burger und Burrito mit geschmackloser Konservenmusik beim Straßenfest aufs Shirt kleckert, wenn man doch gleichzeitig gediegen und kollektiv mit anderen Kulturinteressierten großen Künstlern vor der prachtvollen Kulisse der Altstadt lauschen könnte? Oder gehört man zu der Rubrik Münchner, die sich als stilvoll empfindet, wenn sie fleißig instagrammend ganz in Weiß gekleidet auf weißen Picknickdecken Mozzarella verspeist, weil Diner en blanc irgendwann vor Jahren mal in Paris erfunden wurde? Gibt es eine Schnittgruppe von Münchnern, die weiß picknicken und das erste Jubiläum der Alten Utting im Kalender angekreuzt haben? Schafft es bei all dem Trubel noch jemand in einen normalen Biergarten?

Für den endgültigen Freizeit-Burnout sorgen die Leute, die sich noch erdreisten, Geburtstag zu feiern oder, Himmel hilf, zu heiraten. Wie egoistisch, wo schon die Stadt an jeder Ecke nach Aufmerksamkeit schreit. Schön wäre es, einfach den ganzen Abend an der Isar oder am Eisbach zu vertrödeln, spontan und ohne Plan. Oder, noch besser, auf dem Balkon. Was man da alles verpassen würde. Wunderbar.

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