München nach der Olympia-Entscheidung:Einmal Image polieren - 33 Millionen Euro

Werbung für die Stadt oder reine Geldverschwendung? Nach der Olympia-Entscheidung diskutiert München, was die millionenschwere Bewerbung gebracht hat. Doch kaum sind die Tränen getrocknet, wird schon über eine neue Bewerbung diskutiert.

Birgit Kruse und Lisa Sonnabend

Am Ende flossen Tränen. Doch Katarina Witt ist Profi. Rasch trocknet die ehemalige Eiskunstläuferin ihre Wangen. Zweckoptimismus ist angesagt - und die Fähigkeit, aus einer Niederlage doch noch einen Sieg zu machen. Irgendwie. Noch besser beherrscht diese Disziplin Christian Ude. Sicher, auch er ist enttäuscht darüber, dass das IOC eben die Olympischen Spiele 2018 an Pyeongchang vergeben hat. Dennoch kann der Münchner Oberbürgermeister der Bewerbung seiner Stadt Gutes abgewinnen. "Das war eine weltweit erfolgreiche Marketingkampagne für die Sporthochburg München, für Bayern und für Deutschland", sagt der SPD-Politiker.

IOC-Entscheidung Olympia 2018 - Abbau Public Viewing

Der Olympia-Traum ist geplatzt - zumindest vorerst: Auf dem Marienplatz werden die Reste des Fanfestes beseitigt.

(Foto: dpa)

Das mag sein. Doch das Image von München musste nicht unbedingt zusätzlich aufpoliert werden. Immer mehr Menschen ziehen in den Ballungsraum. Die Wirtschaftskraft wächst. Und auch die Lebensqualität ist mit den zahlreichen Seen vor der Haustür und den Bergen besonders hoch. Erst kürzlich hat das Zeitgeist-Magazin Monocle die lebenswertesten Städte gekürt und München auf Platz vier gewählt, im Jahr zuvor hatte die bayerische Landeshauptstadt die Rangliste sogar angeführt.

Es wird also auch nicht die Debatte um das schlechte Image der Stadt sein, die Ude nun führen muss. Vielmehr geht es nun um Fakten und Zahlen: Was hat die Bewerbung gekostet? Wer zahlt die Zeche? Oder war die Bewerbung gar ein Fall von sinnlosem Geldverschwenden?

Fest steht: Die Kosten für die Olympiabewerbung waren beträchtlich. Etwa 33 Millionen Euro hat die Bewerbergesellschaft ausgegeben. Den Großteil davon haben Sponsoren bezahlt, doch etwa 6,5 Millionen Euro müssen wohl aus öffentlichen Geldern zugeschossen werden. In gleichen Teilen von Bund, Freistaat und der Stadt München - und damit letztlich vom Steuerzahler. Die beiden weiteren Austragungsorte Garmisch-Partenkirchen und Königssee sowie der Deutsche Olympische Sportbund müssen sich nicht beteiligen - sie sind von Zahlungen entbunden worden. Erst nach der Liquidierung der Gesellschaft in wenigen Wochen wird der genaue Betrag feststehen.

Zum Vergleich: Die Renaturierung der Isar, bei der Münchens Lebensader naturnah umgestaltet wird, kostet rund 30 Millionen Euro. Allein der letzte 500 Meter lange Bauabschnitt hat 4,4 Millionen Euro verschlungen. Kritik hat den Bewerbern auch eingebracht, dass einige Sponsoren nicht aus der freien Wirtschaft stammen und deswegen auch hier öffentliche Gelder flossen. Der Flughafen hat beispielsweise die Olympia-Ambitionen unterstützt, die Gesellschafter sind der Freistaat Bayern, Deutschland und die Stadt München. Auch die Messe München hat Gelder gegeben - dort ist Christian Ude Vorsitzender im Aufsichtsrat.

Natürlich, falls München den Zuschlag für Olympia 2018 bekommen hätte, hätten die Steuerzahler noch tiefer in die Tasche greifen müssen. 2,8 Milliarden Euro waren für das Konzept veranschlagt. Zudem hätte jedes Mitglied der Geschäftsführung der Bewerbungsgesellschaft Bonuszahlungen von 150.000 Euro bekommen.

Etwa 1,5 Milliarden Euro davon wären in Infrastrukturmaßnahmen gesteckt worden - die überwiegend aus öffentlichen Geldern bezahlt worden wären. Der Bund hatte bereits umfangreiche Unterstützung zugesichert. Da hätte das Argument wenig geholfen, dass München dem IOC im Vergleich zu Pyeongchang und Annecy das preisgünstigste Konzept vorgelegt hatte, da die meisten Sportstätten bereits bestehen.

Das Geld, das nun für die Bewerbung ausgegeben werden muss, ist das eine. Eine weitere Frage, die in den nächsten Wochen wohl heftig diskutiert wird, ist die nach den langersehnten Bauprojekten. Kommen sie? Und wenn ja, wann?

Abwarten und dann noch einmal versuchen?

Nur wenn München die Spiele bekommen hätte, wären auch Strukturgelder vom Bund nach München geflossen, mit denen sich langersehnte Großprojekte hätten realisieren lassen. Und wie die Realisierung großer Projekte sich auf die Entwicklung einer Stadt positiv auswirken kann, das wissen die Münchner seit den Sommerspielen 1972. Die U-Bahn konnte damals ausgebaut, die S-Bahn-Stammstrecke und der Mittlere Ring gebaut werden. Projekte, die die Stadt damals vor dem Verkehrskollaps bewahrt hatten.

Olympische Winterspiele 2018 in Suedkorea

Nach der Niederlage fließen bei Katarina Witt erst einmal die Tränen. Doch dann stellt sich gleich die Frage: Wie soll es weitergehen?

(Foto: dapd)

Doch die Kapazitätsgrenze ist mit täglich über 800.000 Fahrgästen erneut erreicht - eine zweite Stammstrecke wird nach Ansicht von Verkehrsplanern dringend benötigt, kostet allerdings etwa zwei Milliarden Euro. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hatte vor der Entscheidung in Durban den schnellen Bau der S-Bahn-Röhre an den Zuschlag für die Spiele 2018 geknüpft. Nun wächst die Sorge, dass das Projekt erst bis 2025 umgesetzt werden könnte. Mit den Olympischen Winterspielen in der Tasche hätte die Stadt sehr gute Karten für eine zügige Realisierung des Projektes gehabt, sagt Bayerns Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Zeil.

Und ein weiteres Problem der Stadt hätte mit dem Zuschlag für die Spiele zumindest ein wenig gemildert werden können: der knappe Wohnraum. Im Olympischen Dorf wären 880 neue Wohnungen entstanden, Wohnungen, die die Stadt nun so wohl nicht finanzieren kann. Ganz anders 1972. Der Olympiapark wurde extra für die Spiele gebaut und mit ihm zahlreiche Wohnungen und Bungalows, die noch heute unter Mietern in München sehr begehrt sind.

Doch München hat den Milliardenpoker um die Olympischen Spiele verloren. Wird die Stadt nun aufgeben? Bereits unmittelbar nach der Niederlage wurden die ersten Stimmen laut, die eine erneute Bewerbung Münchens fordern - wie etwa Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP): "Ich bin der Meinung, wir sollten diese wunderbare Idee nicht aufgeben."

Ob sich München noch einmal bewirbt, ist derzeit völlig offen. Natürlich gilt auch für München die alte Regel des IOC: Wer sich öfter bewirbt, hat bessere Chancen. Wie Pyeongchang, das nun im dritten Anlauf den Zuschlag bekommen hat. Doch zunächst dürften die Verantwortlichen in der bayerischen Landeshauptstadt abwarten, wie sich die Stimmungslage entwickelt. Dass sie noch einmal eine Bewerbung gegen heftigen Widerstand in der Bevölkerung durchführen, ist eher unwahrscheinlich.

Und dann ist da noch Thomas Bach. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und IOC-Vizepräsident hegt offensichtlich Ambitionen, sich beim IOC-Kongress 2013 zum Nachfolger von Jacques Rogge wählen zu lassen. Deswegen hat er momentan andere Interessen, als eine neue Bewerbung Münchens voranzutreiben. "Das werden wir jetzt nicht entscheiden", sagte Bach nach der Entscheidung. Es bleibe ja noch genügend Zeit. Die Spiele 2022 werden erst 2015 vergeben. Mit einer so deutlichen Abfuhr des IOC hat Bach sicherlich nicht gerechnet und dies dürfte ihm für seine persönlichen Karrierepläne alles andere als gelegen kommen. Doch die Bewerbung Münchens hatte für Bach jedenfalls einen großen Vorteil: Dank seiner zahlreichen Auftritte kennt ihn nun jeder im IOC.

Sicherlich kann sich auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude bereits mit diesem Gedanken anfreunden, ein weiteres Mal um die Spiele zu werben. Offen aussprechen würde er es derzeit indes noch nicht. Er warnt vor übereilten Entschlüssen. Jetzt sollte keiner vorlaute Töne von sich geben, mahnt er. Lieber solle man "mal abwarten, wie die Willensbildung ist, wenn man die Dinge überschlafen hat".

Doch einiges deutet darauf hin, dass sich die Stadt bereits vor der Entscheidung in Durban Gedanken über eine neue, eine weitere Bewerbung gemacht hat. Bereits in der kommenden Woche sollen schon erste Gespräche über eine neue Bewerbung geführt werden. So ist es zumindest von DOSB-Präsident Thomas Bach zu hören. Und auch die Internetadresse "muenchen2022.org" hat sich die Deutsche Sportmarketing GmbH, Vermarkter des DOSB, schon einmal gesichert.

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