Verpackung der Zukunft:"Aus einem alten Joghurtbecher wird momentan nie wieder ein neuer"

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Verpackungen sind generell nichts Schlechtes, sagt Sven Sängerlaub vom Fraunhofer Institut. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

Am Plastik führt für den Wissenschaftler Sven Sängerlaub auch in Zukunft kein Weg vorbei. Was sich noch verbessern muss und warum sich die Verpackungsindustrie ungewollt eine Falle gestellt hat.

Interview von Juri Auel

Die Produkte, die Sven Sängerlaub entwickelt, haben keinen guten Ruf: Der Wissenschaftler forscht über Verpackungen am Fraunhofer Institut in Freising, im Herbst übernimmt er die Professur für Verpackungstechnik an der Hochschule München. Ein Gespräch über besseres Recycling - und eingeschweißte Gurken.

SZ: Herr Sängerlaub, im Supermarkt gibt es Gurken mit und ohne Plastikverpackung. Zu welcher greifen Sie?

Sven Sängerlaub: Zu denen ohne Plastik.

Tatsächlich? Solche Verpackungen zu entwickeln, ist doch ihr Job.

Verpackungen haben ihre Berechtigung, weil sie Produkte länger haltbar machen. Die Gurke zum Beispiel trocknet so nicht so schnell aus. Das ist aber eher bei Lebensmitteln wichtig, die lange Transportwege zurücklegen. Ich bin ein Freund von regionalen Produkten, bei denen die Wege kürzer sind.

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Wieso brauchen wir heute überhaupt so viele komplexe Arten von Verpackungen? Wir sind doch viele Jahrhunderte auch ohne ausgekommen.

Es war aber schwierig, Nahrung längere Zeit zu lagern. Gerade in Wintermonaten gab es eine Unterversorgung mit frischen Lebensmitteln. Auch heute wollen viele Menschen Gemüse, Fleisch und Obst ein paar Tage lagern - oder aus hygienischen Gründen nicht, dass ein Fremder ihr Essen im Supermarkt berührt. Deshalb sind Verpackungen nicht generell etwas Schlechtes. Man sollte dennoch darauf achten, sie dort zu reduzieren, wo es sinnvoll ist - und darauf, dass sie möglichst gut recycelbar sind.

Warum hat denn die Industrie bislang so viele Plastikverpackungen produziert, die sich eher schlecht wiederverwerten lassen?

Die Industrie hat sich ungewollt eine Falle gestellt. Die Schichten der verwendeten Folien sind immer dünner geworden. Das spart Material und reduziert Verpackungsabfall. Um das zu erreichen, hat man mehrere Kunststoffe mit verschiedenen Eigenschaften miteinander kombiniert - und das macht das Recyceln viel schwieriger. Diese sogenannten Mehrschichtfolien sind gerade die größte Herausforderung im Recycling.

Anders formuliert könnte man sagen, Wissenschaftler wie Sie haben sich eher Gedanken darüber gemacht, wie Verpackungen kostengünstiger werden, ohne die Recyclingfähigkeit mitzudenken.

Der Fokus bei Verpackungen ist nun einmal, dass die Ware vor dem Verderben geschützt werden soll. Aufgrund des neuen Verpackungsgesetzes beschäftigt man sich jetzt aber auch stark mit den schwieriger recycelbaren Materialien. Die Industrie fragt bei uns seit dem Gesetz vermehrt nach Lösungen.

Der öffentliche Druck nimmt ja auch zu.

NGOs, die eine solche Veränderung propagieren und umweltbewusste Bürger können neben der Politik natürlich etwas bewegen. Nur die übrigen Bürger müssen die Veränderung auch annehmen. Die Leute müssen bereit sein, etwas mehr zu bezahlen. Sie müssen akzeptieren, dass Verpackungen manchmal nicht hochtransparent sind, sondern einen leichten Grauschleier haben. Und, dass Produkte mitunter kürzer haltbar sind, wenn sie in gut recycelbaren Verpackungen verkauft werden. Zudem müssen sie ihren Abfall besser trennen. Das ist eine riesige Aufgabe.

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Wie werden die Verpackungen gut recycelbar?

Die Frage ist: Designen wir weiterhin Verpackungen aus verschiedenen Stoffen, die sich in Zukunft aber besser zusammen recyceln lassen werden, ohne dass man sie voneinander trennen muss? Oder entwickeln wir Verfahren, mit denen sich die verschiedenen Schichten wieder trennen lassen? Das zweite ist etwas aufwendiger, daran forschen Kollegen von mir in Freising. Die Reinheit des Wertstoffs ist bislang sehr entscheidend für das Recycling. Das sieht man am Beispiel von PET-Flaschen und Joghurtbechern sehr gut.

Das müssen Sie erklären.

Joghurtbecher werden zusammen mit normalem Plastikmüll gesammelt und es lässt sich nicht sicherstellen, dass nach dem Recyceln keine unerwünschten, gesundheitsgefährdenden Stoffe dabei sind. Deshalb ist dort Recycling mit dem Ziel Lebensmitteldirektkontakt de facto nicht zugelassen - und aus einem alten Joghurtbecher wird momentan nie wieder ein neuer. Das Plastik wird zwar recycelt, aber es werden keine neuen Verpackungen für Lebensmittel daraus. Anders ist das bei den PET-Flaschen. Die werden durch das Einwegpfand im Supermarkt sortenrein gesammelt. Aus ihnen lassen sich dann auch wieder neue Getränkeflaschen herstellen, immer wieder.

Wäre es dann nicht klug, auch auf Joghurtbecher und andere Verpackungen Pfand zu erheben?

Das wird diskutiert, wenn auch nicht offiziell. Es würde vieles vereinfachen. Es muss sich am Ende nur rechnen.

Wie sieht für Sie die Verpackung der Zukunft aus?

Das wird vermutlich immer noch eine Verpackung aus Plastik sein, die aber gut recyclingfähig ist.

Können Sie sich eine Welt ohne Verpackungen im Supermarkt vorstellen?

Das halte ich für ganz schwierig und auch nicht für erstrebenswert.

Haben Sie als Verpackungsforscher ein schlechtes Gewissen, wenn Sie Bilder vom Plastikmüll in den Ozeanen sehen?

Nein, habe ich nicht. Denn nicht die Verpackung ist schuld, dass sie im Meer landet, sondern der Mensch, der falsch mit ihr umgeht. Plastik gehört, so gut es geht, wiederverwertet - und was nicht recycelt werden kann, gehört zumindest verbrannt.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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