Digitalisierung:Drohnen für die Feuerwehr und funkende Altkleider-Container

Die Mieten in München sind laut Berechnungen des Immobilienverbandes erstmals seit langem weniger stark gestiegen.

Münchens IT-Referent Thomas Bönig präsentiert Ideen zur digitalen Zukunft der Stadt.

(Foto: Claus Schunk; Illustration: Alper Özer)
  • Nach einem Jahr im Amt stellt Münchens IT-Referent seine Visionen einer digitalen Stadt vor.
  • Konkrete Maßnahmen fehlen noch - die Kosten der Digitalisierung schätzt der IT-Referent aber schon mal auf einen "signifikanten dreistelligen Millionenbetrag".
  • Grüne und SPD mahnen, die Bürger müssten in ihrem Alltag schnellstmöglich etwas von der digitalen Zukunftsstrategie spüren können.

Von Heiner Effern

Die Drohnen der Feuerwehr surren über einem Brandherd und schicken die Männer und Frauen in den schweren Schutzanzügen an die richtige Stelle. Die Autos der städtischen Mitarbeiter tragen Sensoren und funken bei ihren vielen Fahrten die Werte von Feinstaub und Stickstoffdioxid detailliert ins Umweltreferat. Der Altkleider-Container um die Ecke meldet per Signal, dass er wieder einmal voll ist. Im neuen Kapazitätsfinder der Stadt lassen sich Eltern schnell einen Termin bei einem Kinderarzt geben, was leichter klingt als es sich analog gestaltet. Im bereits eingeweihten Munich Urban Colab entwickeln junge Firmen solche und noch viel weitergehende digitale Ideen, die das Leben künftig prägen. Und natürlich erledigen die Bürger all ihre Verwaltungsgeschäfte vom Computer zu Hause aus.

So könnte die digitale Zukunft in München 2025 aussehen. Jedenfalls steht es so im 70 Seiten starken Papier "München. Digital. Erleben", das IT-Referent Thomas Bönig dem Stadtrat vorgestellt hat. Gut ein Jahr ist er im Amt, hat die neue Behörde aufgebaut, den Status quo der Stadt analysiert und eine übergreifende Digitalisierungsstrategie erarbeitet. Dafür hat er schon geplante Projekte zusammengefasst, kommende beschrieben und auch einen Blick über die Verwaltung hinaus in die Stadtgesellschaft geworfen.

Allerdings konzentriert sich das zentrale digitale Zukunftspapier der Stadt noch sehr auf Visionen und Wünsche. Konkrete Maßnahmen, die mit Geld, Personal und einem Betriebsstart hinterlegt sind, fehlen noch völlig. Grob geschätzt werde die Digitalisierung die Stadt bis 2025 "einen signifikanten dreistelligen Millionenbetrag" kosten, schreibt Referent Bönig in seinem Papier.

Die darin entworfene digitale Zukunftsstrategie traf im IT-Ausschuss auf einhellige Zustimmung. "Wir machen uns auf den Weg, das Fax-Zeitalter zu verlassen ", sagte Grünen-Stadtrat Sebastian Weisenburger. "Wir merken alle, dass mehr Zug ins Thema gekommen ist, seit es das Referat gibt", sagte Anne Hübner, IT-Sprecherin der SPD. Doch beide mahnten auch an, dass die Bürger von einer solchen Strategie möglichst schnell im Alltag auch etwas spüren müssten. Was IT-Referent Bönig umgehend versprach. Ziel der Digitalisierung müsse sein, "dass es den Menschen besser geht in München, die Service-Angebote schneller und besser würden". Dazu gehöre auch, dass die Münchner die Digitalisierung aktiv mitgestalten könnten.

Erste Basis dafür seien Informationen und Transparenz, weshalb sein Haus bereits am 3. Juli einen eigenen Blog dazu freigeschalten habe. Unter muenchen.digital sind viele geplante Innovationen zu sehen, und auch das Strategiepapier lässt sich anklicken. Diskussionen und Kritik seien ausdrücklich erwünscht, sagte Bönig. In Kürze werde dafür das sogenannte Digitalisierungsradar in Betrieb gehen, das einmal mehrere hundert Projekte aufzeigen und direkte Kommentarfunktionen beinhalten soll.

Natürlich ist ihm klar, dass beim Thema Digitalisierung jeder erfahrungsgeplagte Münchner mit den IT-Pannen im Kreisverwaltungsreferat ankommen wird. Doch Bönig weist darauf hin, dass die Neuorganisation der städtischen IT und die Digitalisierung grundsätzlich getrennt zu betrachten sind. Beide Aufgaben müssen seine Mitarbeiter jedoch stemmen. Bei der IT zeigte er sich mäßig begeistert über die Vorgaben, die er bei Amtsantritt aufgrund eines externen Gutachtens übernehmen musste. "Da hätte ich vieles anders gemacht." Er sei dabei, das auf fünf Jahre angesetzte Projekt auf dreieinhalb Jahre zu reduzieren.

Grundsätzlich gelte jedoch übergreifend, dass die nach innen gerichtete Digitalisierung neue und schnellere Geschäftsprozesse mit sich bringen müsse. Dafür sei aber nötig, dass Verwaltung und Politik sich vom "Chinesenprinzip" verabschiedeten. Der Vorwurf dahinter: Lieber würden diese 20 neue Fachkräfte einstellen als das Geld dafür in die Digitalisierung zu stecken, die jedoch diese 20 und noch mehr Mitarbeiter ersetzen könnte. "Man beschäftigt sich so immer mehr mit sich selbst."

Bönig kritisierte, dass er für eines der wichtigsten Zukunftsthemen bei den heurigen Etatverhandlungen auch nur 13 Stellen erhalten hat. Die Stadt habe mit der Digitalisierung einen Ferrari in der Garage, den sie aber nur mit einem 2-PS-Dieselmotor ausstatte. SPD-Stadträtin Hübner konterte, dass die Stadt von 1780 Mitarbeitern in der IT schon ein bisschen mehr Power erwarte als von einem Dieselmotor.

Grundsätzlich zeigten sich aber Referent und Politiker einig, dass nun endlich der Start in die digitale Zukunft erfolgen müsse. Dazu gehört zum Beispiel eine sogenannte Bürger-ID fürs Abwickeln aller Verwaltungsgeschäfte. Gesetzlich sind die Kommunen sogar verpflichtet, all ihre Leistungen bis 2022 online anzubieten. Doch dies wird nicht nur in München als unrealistisch angesehen. Intern soll die sogenannte E-Akte Daten bündeln und zusammenfassen. Grundsätzlich gelte es, das vorhandene Wissen der Stadtverwaltung und der städtischen Töchter zu vernetzen und zu bündeln. "Die Stadt hat mehr Daten als Google. Nur wir nützen sie nicht", sagte IT-Referent Bönig.

Er betonte jedoch auch, dass Menschen, die sich moderne technische Geräte nicht leisten oder die sie nicht bedienen könnten, von der Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden dürften. Zudem müssten bei all den Chancen die Daten sicher verwaltet und geschützt werden. Nicht zuletzt müssten die Kommunen den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen, weshalb er am Mittwoch eine Vereinbarung mit den Kollegen aus Augsburg und Nürnberg unterzeichnet habe. "Durch eine gemeinsame und abgestimmte Vorgehensweise können wir effizienter und schneller agieren sowie vom gemeinsamen Erfahrungsaustausch erheblich profitieren", erklärte Bönig.

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