Parteitag der Münchner Grünen:Der Klimaschutz als Klammer

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OB-Kandidatin Katrin Habenschaden wirft SPD und CSU Heuchelei beim Thema Radverkehr vor. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Münchner Grünen haben ihr Programm für die Kommunalwahl am 15. März 2020 zusammengestellt.
  • Die sechs Punkte umfassen die Themen Wohnen, Verkehr, Klima- und Umweltschutz, Wirtschaft, Soziales sowie Digitalisierung.
  • Der Kern: München müsse bis 2035 klimaneutral werden, außerdem soll es einen kostenlosen Nahverkehr und doppelt so viele geförderte Wohnungen geben.

Von Thomas Anlauf, München

Eine gewisse Anspannung ist zu spüren bei den Münchner Grünen, einerseits. Andererseits auch eine Leichtigkeit und Zuversicht, mit der sich am Samstag weit mehr als 200 Parteimitglieder auf die Kommunalwahl am 15. März 2020 eingeschworen haben. Nicht nur die Erfolge bei der Europa- und der Landtagswahl in den vergangenen Monaten geben Oberbürgermeisterkandidatin Katrin Habenschaden Aufwind und Selbstvertrauen. Da ist auch der ungebrochene Zuwachs bei den Münchner Grünen: Feierte die Partei kurz vor der Landtagswahl im vergangenen Oktober den Eintritt ihres 2000. Mitglieds, waren es am vergangenen Wochenende bereits knapp 2700. Innerhalb von gut zwei Jahren haben die Münchner Grünen ihre Mitgliederzahl verdoppelt. Für Habenschaden heißt deshalb auch das Ziel: "Ich selbst würde nichts lieber tun, als mit einer ganz starken Fraktion als Oberbürgermeisterin unsere Ziele umzusetzen."

Diese Ziele haben die Grünen am Samstag in einer zehnstündigen Sitzung mit ihrem Wahlprogramm verabschiedet. "Innerhalb der Klammer des Klimaschutzes widmen wir uns allen Fragen für München", sagte Habenschaden beim Parteitag im Kesselhaus. Denn "der Klimawandel treibt uns auch hier in München schon ganz schön um". Die OB-Kandidatin und Grünen-Fraktionschefin will München "zu einer klimafreundlichen Metropole machen", diese gesellschaftliche Herausforderung stellte Habenschaden in den Mittelpunkt ihrer nur 15 Minuten dauernden, aber kämpferischen Rede.

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Darin griff sie sowohl SPD als auch CSU an: "Wir sehen uns im Rathaus einer CSU gegenüber, die eine Politik des vergangenen Jahrtausends macht." Das könne auch nicht vertuscht werden "mit einer Kandidatin, die weiß, wie man Fahrrad fährt", sagte Habenschaden in Anspielung an Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU), die seit geraumer Zeit Wahlkampf mit einem "Bike Talk" für sich als OB-Kandidatin macht. Auch die SPD, deren Koalitionspartner die Grünen bis 2014 zwei Jahrzehnte lang waren, kritisierte Habenschaden: "Wer jahrelang grüne Ideen verhindert", auch in Zeiten, als SPD und Grüne noch gemeinsam im Rathaus regierten, "kann sich jetzt nicht mit ein paar Blumen am Fahrrad ein grünes Mäntelchen anziehen."

Das sechs Punkte umfassende Kommunalwahlprogramm, das am Samstag nach etwa 500 Änderungsanträgen mit großer Mehrheit beschlossen wurde, umfasst die Themen Wohnen, Verkehr, Klima- und Umweltschutz, Wirtschaft, Soziales sowie Digitalisierung, die die Grünen unter die Überschrift "Leben und Lernen in München" gestellt haben. Gerade beim Wohnungsbau sind ihre Ziele ambitioniert: So wollen die Grünen, falls sie in acht Monaten an die Stadtregierung kommen, die Zahl der neu gebauten geförderten und preisgedämpften Wohnungen von derzeit 2000 auf 4000 jährlich verdoppeln. Der Anteil der geförderten Wohnungen auf städtischen Flächen soll von 50 auf 60 Prozent steigen. An der Schnittstelle zwischen Verkehr und Wohnungsbau wollen die Münchner Grünen gemeinsam mit den umliegenden Landkreisen im Großraum einen Regionalrat schaffen, der über die Stadtgrenzen hinaus die Verkehrs- und Wohnungspolitik der Metropolregion mit steuert.

Ein klares Signal setzen die Grünen beim Verkehr. "Die Stadt soll nicht autogerecht sein - sondern menschengerecht", heißt es im Wahlprogramm. Dazu zählt für sie nicht nur der Altstadt-Radlring, wie er beim erfolgreichen Bürgerbegehren "Radentscheid München" gefordert wurde, sondern auch stadtweit sichere und mindestens 2,3 Meter breite Radwege. Es soll ein 365-Euro-Jahresticket im MVV geben, das jedoch langfristig in eine kostenlose Beförderung für alle Fahrgäste münden soll. Der Süd- und Nordring der Bahn sowie ein Zehn-Minuten-Takt auf den Außenästen der S-Bahn sollen nach dem Willen der Grünen zügig umgesetzt werden. Außerdem setzen sie sich für "einen radikalen Kurswechsel beim Klimaschutz" ein: München müsse bis 2035 klimaneutral werden, das Heizkraftwerk Nord soll Ende 2022 aus dem laufenden Betrieb genommen werden.

In der Wirtschaftspolitik setzen sich die Grünen dafür ein, dass Gewerbeflächen künftig nur noch im Erbbaurecht vergeben werden, dass der Tourismus in München nachhaltiger gestaltet wird und dass die Stadt ihr Vermögen in ethische Geldanlagen bringt. Wohnungs- und Obdachlosigkeit wollen sie mit dem verstärkten Bau von Unterkünften bekämpfen, Kinder und Jugendliche sowie alte Menschen sollen stärker unterstützt werden. Auch der Kampf gegen Rechtsextremismus müsse intensiviert werden, fordern die Grünen. "Wir machen uns auf den Weg in ein München ohne Ausgrenzung und zeigen eine klare Kante gegen rechts", sagte Habenschaden unter dem Applaus der Grünen-Mitglieder. Sie gibt sich zuversichtlich, im März 2020 ein nie dagewesenes Wahlergebnis zu erzielen, ihren Parteifreunden rief sie zu: "Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt."

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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