Attacke im Aufzug:"Mein Major macht so was nicht"

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  • Der Angeklagte soll seiner früheren Partnerin an ihrem Wohnhaus aufgelauert und ihr im Aufzug ein Messer in den Rücken gerammt haben.
  • Die Staatsanwaltschaft hat unter anderem wegen versuchten Mordes Anklage erhoben.
  • Das mutmaßliche Opfer hat den Strafantrag zurückgenommen. "Ich will nicht schuld sein, dass er ins Gefängnis muss", sagt die 57-Jährige.

Von Andreas Salch

Wenn sie an die ersten Jahre ihrer Beziehung mit Yahia A. denkt, gerät Veronika L. ( Name geändert) noch heute ins Schwärmen. Der 63-jährige ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und Soldat der somalischen Armee sei "der Prinz gewesen, der mich auf Händen trägt", berichtet sie am Freitag den Richtern am Schwurgericht München. Als Yahia A. aber seinen Job verlor, begann er zu trinken - eineinhalb bis zwei 0,7-Liter-Flaschen Whisky oder Wodka sollen es gewesen sein. Täglich. Dazu noch mehrere Tabletten des stark sedierendes Medikaments Tavor. "Whisky und Tavor", sagt Yahia A., das war seine "Selbstbehandlung".

Nachdem ihn Veronika L. wegen seiner ständigen Alkoholexzesse aus ihrer Wohnung geworfen hatte, stellte er ihr nach. Am späten Abend des 15. Dezember vergangenen Jahres hatte Yahia A. seiner früheren Partnerin vor dem Lift im Treppenhaus des Anwesens in Riem, in dem sie wohnte, aufgelauert. Er wollte sie in ihre Wohnung begleiten. Sie lehnte entschieden ab. Daraufhin zog der 63-Jährige ein Keramikmesser mit einer knapp 20 Zentimeter langen Klinge. Heute sei ihr letzter Tag, drohte er ihr.

Die Türen des Aufzugs hatten sich bereits hinter Veronika L. und Yahia A. geschlossen. Sie war gefangen. Es kam zu einer Rangelei, die Justizangestellte schrie. Ein Nachbar eilte ins Treppenhaus. Der Lift hielt im ersten Stock. Als der Nachbar Veronika L. sah, steckte das Keramikmesser in ihrem Rücken. Der Nachbar packte den 63-Jährigen, riss ihn weg, zog das Messer aus Veronika L.s Rücken und nahm es an sich, damit Yahia A. nicht noch einmal damit zustechen konnte. Als noch ein weiterer Nachbar hinzueilte, floh Yahia A.

Der Mann soll auch einen Polizisten attackiert haben

Die Klinge des Keramikmessers war elf Zentimeter tief in den Rücken der Frau eingedrungen. "Ich hab des gar ned g'merkt", sagt die 57-Jährige bei ihrer Vernehmung durch den Vorsitzenden der 2. Strafkammer, Richter Norbert Riedmann. Sie habe einen dicken Mantel getragen und den Stich gar nicht so richtig wahrgenommen. Der Messerstoß sei ihr wie ein "Klopfen" vorgekommen. "Wenn i des überrissen hätt, dass er ein Messer in der Hand hat ...", sagt sie und versichert dem Gericht: "Ich glaub nicht, dass er mich verletzten wollte - mein Major macht so was nicht." Major, so nennt die 57-Jährige Yahia A. wegen seiner früheren Tätigkeit bei der somalischen Armee. Sie tut es auch jetzt vor Gericht. Neben dem Messerstich in den Rücken hatte ihr Yahia A. auch noch eine Schnittwunde am Hals beigebracht. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben unter anderem wegen versuchten Mordes und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Die beiden Nachbarn hatten Yahia A. aufgefordert, stehen zu bleiben. Der einstige Major drohte ihnen aber, sie sollten verschwinden, sonst werde er sie töten. Als die ersten Polizisten eintrafen, forderten sie Verstärkung durch das Unterstützungskommando (USK) an. Yahia A. hatte sich inzwischen hinter einer Hecke in der Nähe des Anwesens versteckt. Ein Polizist versuchte vergeblich, ihm ein zweites Messer aus der Hand zu schlagen. Der 63-Jährige stieß ihm die Waffe gegen die Brust - der Beamte blieb unverletzt, er trug eine Schutzausrüstung. Schließlich gelang es einem der USK-Beamten, den Angeklagten nach heftiger Gegenwehr zu Boden zu bringen.

Bei der Gerichtsverhandlung lässt der Angeklagte über seine Verteidigerin erklären, dass ihm alles leid tue. "Er kann sich heute diese Tat in keinster Weise mehr erklären", sagt die Anwältin. Veronika L. hat ihre Wohnung in Riem inzwischen verkauft. "Weil ich durchdreh, wenn ich die Treppe runtergeh", sagt sie und fügt hinzu, dass Yahia A. sie stets liebevoll behandelt habe. Sogar um ihre Katzen habe er sich gekümmert, "obwohl er sie hasst". Ihren Strafantrag gegen den 63-Jährigen hat sie längst zurückgenommen. "Ich will nicht schuld sein, dass er ins Gefängnis muss", sagt sie. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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