Microsoft statt Linux:Noch mehr als Anarchie schätzen Münchner eine funktionierende Stadt

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München war 2003 die weltweit erste Stadt, die ihre Rechner auf das Linux-Betriebssystem umstellte. (Foto: Florian Peljak)

Die Verwaltung stellt ihre Computer wieder von Linux auf Microsoft um. Die Frage nach dem Betriebssystem war zuletzt fast zur Glaubensfrage geworden.

Kommentar von Heiner Effern

Stadträte und Journalisten in München hatten in den vergangenen Tagen gut gefüllte Postfächer. In einer Flut von Schreiben empörten sich Experten und Freunde freier Software über die Pläne der Stadt, sich von Linux abzuwenden und zum angeblichen "Goliath" Microsoft zurückzukehren. Mancher Brief hatte einen sympathischen, mancher aber einen unangenehm missionarischen Ton. Die Diskussion im Stadtrat entwickelte sich demnach wenig überraschend. CSU-Stadträtin Kristina Frank stellte treffend fest: "Man kann fast von einem Glaubenskrieg sprechen."

Transparente freie Gratis-Software gegen die Geheimniskrämerei eines Großkonzerns, David gegen Goliath, München als Speerspitze der Aufrührer und Unabhängigen - und nun als Umfaller? Emotionale Bilder drängten sich genügend auf. Mit ein paar Schritten Abstand, eventuell auch ein paar Kilometern, etwa von der Schlange vor einem Bürgerbüro oder dem Kreisverwaltungsreferat aus betrachtet, erscheint diese Diskussion doch sehr als eine Sandkasten-Spielerei, wo sich ein paar Rechthaber um das richtige Förmchen für einen kleinen Kuchen streiten.

Computer-Probleme
:München kehrt zurück zu Microsoft

Die weltweit erste Großstadt, die ihre Verwaltung mit Linux-Computern ausstattet? Klar, das war eine Sensation - nur funktioniert hat es nicht. Nach 15 Jahren stoppt der Stadtrat das Experiment.

Von Heiner Effern

Natürlich haben städtische Mitarbeiter gerade in der Computertechnik viel Zeit und Energie in Linux investiert und als letztlich weltweite Einzelkämpfer unter den Großstädten viel erreicht. Womöglich auch das Maximale unter diesen Umständen. Den Bürgern und vermutlich auch den meisten der 35 000 städtischen Angestellten dürfte es jedoch reichlich egal sein, wer nach der Prüfung der Betriebssysteme schließlich zum Zug kommt. Da hat Oberbürgermeister Dieter Reiter schon Recht.

Viel wichtiger ist nun, dass die vielen großen Baustellen in der Computertechnik konsequent abgearbeitet werden. Der Stadt liegt dazu ein ausführliches Gutachten vor, das ein Programm für viele Jahre bietet. Die Münchner schätzen bestimmt den leicht anarchischen Kampf gegen einen Großkonzern. Noch mehr aber wollen sie eine funktionierende Stadt.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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