Lisboa Bar:Nachtzug nach Lissabon

Lisboa Bar: Das Weinangebot der Lisboa Bar kann sich sehen lassen.

Das Weinangebot der Lisboa Bar kann sich sehen lassen.

In der Lisboa Bar ticken sogar die Uhren portugiesisch: Wer hier isst, muss südländischen Trubel mögen, denn Fussball, brasilianische Musik und ein Gespräch mit dem Nebentisch sind im Essen inbegriffen.

Anna Fischhaber

Authentisch - dieses Wort trifft wohl am besten die Atmosphäre in der Lisboa Bar, die von sich selbst behaupten kann, das älteste portugiesische Lokal in München zu sein. Der schlauchförmige Raum mit den dunklen Holzvertäfelungen hat den Charme einer Bahnhofswartehalle. Die Marmorsäulen vor der langen Bar wirken etwas kitschig. Aus den Lautsprechern tönt laute brasilianische Musik. Und der Fußball, der am Eingang vor der größten Leidenschaft der Portugiesen warnt, hängt nicht umsonst dort - bei wichtigen und weniger wichtigen Spielen verwandelt sich das Restaurant in eine Sportsbar.

Was zunächst den gepflegten Restaurantbesucher in Angst und Schrecken versetzt, erweist sich jedoch bald als angenehme Zeitreise gen Süden. Für Portugal-Fans ist die Lisboa Bar schon lange ein Geheimtipp: Frischer Fisch, leckere Cocktails und der südländische Trubel bieten das richtige Umfeld, um den Urlaub am Tejo Revue passieren zu lassen. Sogar die Uhren gehen hier, im Herzen Haidhausens, portugiesisch - also eine Stunde vor. Man fühlt sich hier, als hätte man einen Nachtzug nach Lissabon bestiegen, um sich wie Lehrer Raimund Gregorius in Pascal Merciers gleichnamigen Roman auf die Suche nach einem Leben fernab vom Alltag zu machen.

"Eine portugiesische Bar ohne Fußball? Das geht nicht!"

Mit Fluchten aus dem Alltag kennt sich auch Wirt José Carlos Viotti Da Fonseca aus. Nachdem der Traum vom eigenen Restaurant in Portugal geplatzt war, ist er vor 18 Jahren nach München gekommen, um Deutsch zu lernen. Nur acht Monate später eröffnete er in der Breisacher Straße die Lisboa Bar und füllte damit eine Marktlücke: "700 Portugiesen in München und kein einziges portugiesisches Restaurant."

Um dennoch nicht bloß ein Vereinsheim für seine Landleute zu sein, ist Kartenspielen, die zweite große Leidenschaft der Portugiesen, in der Lisboa Bar verboten. "Aber eine portugiesische Bar ohne Fußball? Das geht nicht!", sagt José. Was hätte denn da Nuno Gomes von Benfica Lissabon bei seinem Besuch, von dem zahlreiche Fotos am Eingang zeugen, denken sollen?

Für die EM hat der Wirt die Grünfläche gegenüber der Bar dazu gemietet. Aber nicht nur wenn Fußball übertragen wird, kann es eng in der Lisboa Bar werden. Und das obwohl es knapp 200 Plätze gibt. Das Urlaubsflair scheint die Münchner magisch anzuziehen. Wer nicht reserviert, hat kaum eine Chance einen der Marmortische zu ergattern. Denn näher zusammenrücken ist kaum möglich.

Vor lauter Zweisamkeit ist man bald über die Vorlieben der anderen Gäste im Bilde. Viele kommen aus Portugal oder Brasilien oder haben zumindest so viel Urlaubserfahrung auf der iberischen Halbinsel gesammelt, dass sie sich eine Bestellung in der Landessprache nicht nehmen lassen - zur Verzweiflung der italienischen Bedienung.

"Beste portugiesische Weinkarte in Deutschland"

Als Vorspeise wird uns Caldo Verde (3,50 Euro) empfohlen. Da sich aber niemand so recht für die traditionelle, eintopfartige Grünkohlsuppe mit portugiesischer Knoblauchwurst begeistern kann, entscheiden wir uns für Tapas, die in Portugal eigentlich Petiscos heißen. Die Tapas-Vitrine ist klein, aber fein, der Oktupussalat (3,30 Euro) äußerst lecker. Schade nur, dass man die verschiedenen Vorspeisen nicht mischen kann, sondern sich für eine entscheiden muss.

Dazu bestellen wir Lisboa Wasser (5,50 Euro). Der Aperitif aus Sekt, dem landestypischen Portwein und Zitronensaft, auf den wir kurz vor Ende der Happy Hour eine Weile warten müssen, schmeckt allerdings ziemlich exotisch. Den Rest des Abends halten wir uns lieber an die Weinkarte - und die kann sich sehen lassen. Nicht umsonst hat Sommelier die Lisboa Bar gerade für die "Beste portugiesische Weinkarte in Deutschland" ausgezeichnet - zum einen wegen der reichhaltigen Auswahl, zum anderen wegen der vielen Infos, die die Weinkarte bereit hält. Montags und dienstags finden Weinproben statt. Woche für Woche kann man für 5,50 Euro Rebsäfte aus einer anderen Region aus den hölzernen Fässern testen - so viel man will.

Zum Hauptgericht bietet die Karte neben internationalen Fleischgerichten und Pasta vor allem zahlreiche Fischvariationen an. Zum Glück nicht nur den Klassiker Stockfisch. Von dem getrockneten und gesalzenen Kabeljau, den die Portugiesen als Bacalhau kennen und lieben, gibt es unzählige Rezepte - angeblich für jeden Tag im Jahr eins. Und das obwohl die Portugiesen dank der langen Atlantikküste ständig frischen Fisch essen könnten. Weil die Seefahrer sich auf ihren Fahrten aber nur von haltbar gemachten Nahrungsmitteln ernähren konnten, war der getrocknete Fisch früher unentbehrlich, erklärt uns ein Mann vom Nebentisch.

Hausmannskost statt Drei-Sterne-Küche

Da die Seefahrt den Bayern eher fremd ist, entscheiden wir uns für die frische Fischplatte Cataplane de Peixe (28 Euro für zwei Personen), die schon bald im schmiedeeisernen Topf samt Kartoffeln gebracht wird. Leider ist die Komposition etwas trocken und kann mit der Vorspeiße nicht mithalten. Dafür sind die Portionen für Münchner Verhältnisse riesig und die Preise mehr als fair. Die Lisboa Bar ist eben mehr Bar denn Restaurant, statt auf Drei-Sterneküche setzt sie auf Hausmannskost.

Das gilt auch fürs Dessert. Dank der maurischen Vorfahren sind die Portugiesen berühmt für kalorienreiche Süßspeisen auf Basis von viel Eigelb und Zucker - zum Beispiel Pudin Flan (Vanillepudding mit karamellisiertem Zucker). Der Flan, der uns an diesem Abend serviert wird, ist allerdings etwas zäh. Umso leckerer sieht das Feigeneis am Nebentisch aus.

Brasilianischer Stammtisch

Der portugiesischer Espresso Bica (1,80 Euro) und der Favaios (3,90 Euro), eigentlich ein Aperitifwein aus süßen Moscateltrauben, versöhnen auch uns wieder - der Kurzurlaub ist für diesen Abend gerettet. Noch mehr Urlaubsflair bietet die Lisboa Bar übrigens, wenn sonntags ein paar Brasilianer hier ihren Stammtisch abhalten und für kostenlose Live-Musik sorgen.

Und wem das an Urlaub immer noch nicht genügt, der muss wirklich den Nachtzug nach Lissabon besteigen. José zumindest hält auch für seine Heimat einen Geheimtipp parat: In der Rue de Trindade 7-9, mitten im Lissaboner Touristenviertel, hat er vor einigen Jahren doch noch eine Zweigstelle seiner Lisboa Bar eröffnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: