Landgericht München:Nichtraucher verklagen Supermarkt-Betreiber wegen verdeckter Schockbilder

  • Weil die Schockbilder auf den Zigarettenpackungen im Abgabeautomaten verdeckt sind, hat eine Nichtraucher-Initiative den Betreiber von zwei Edeka-Märkten in München verklagt.
  • Den Richter trieb vor allem eine grundsätzliche Frage um: "Warum sind Automaten nicht generell verboten?"

Von Stephan Handel

Worum es sich hier handelt, das stellt der Vorsitzende Richter gleich ganz am Anfang fest: "Es handelt sich hier um einen Stellvertreterkrieg", sagt Wolfgang Gawinski, aber das nützt dem Beklagten auch nichts. Hajrudin Jusic betreibt in München zwei Edeka-Märkte, die wahrscheinlich so ausschauen und so eingerichtet sind wie alle anderen Edeka-Märkte in Deutschland auch. Vor Gericht aber, vor die 17. Kammer des Landgerichts aber muss erst mal nur Jusic.

In seinen Märkten nämlich stehen, wie in allen Supermärkten Deutschlands, Zigaretten-Abgabeautomaten. An deren Tasten ist über ein kleines Bild zu erkennen, welche Sorte sich dahinter verbirgt. Und an diesen Bildchen nun stören sich die Initiative "Pro Rauchfrei" und ihr Vorsitzender Siegfried Ermer: Es fehlten nämlich die Schockbilder und die Warnhinweise; diese müssten auf den Tasten genauso angebracht sein wie auf den Schachteln selbst. Die Initiative hat Jusic nun auf Unterlassung verklagt.

Der ist zur Verhandlung am Donnerstag gar nicht gekommen, wahrscheinlich, weil das sowieso eine höchst juristische Angelegenheit ist, die normale Menschen überhaupt nicht verstehen müssen. Ist zum Beispiel dieses Bildchen an der Taste tatsächlich ein Abbild der Schachtel? Es ist nämlich richtig, dass eine Schachtel, die in einer Anzeige oder auf einem Plakat gezeigt werden soll, nicht ohne Warnhinweise und Schockbilder gezeigt werden darf. Rechtsanwalt Andreas Meisterernst, der Hajrudin Jusic vertritt, sieht das naturgemäß anders: Das kleine Bildchen sei kein Abbild der Schachtel und ganz gewiss keine Werbung, sondern eine "notwendige Angabe zur Warenabgabe": Der Kunde müsse ja wissen, auf welche Taste er drücken soll, um seine Sorte zu bekommen.

Nun geht's endgültig in die Feinheiten des Bürgerlichen Gesetzbuches: Wann eigentlich kauft der Kunde die Schachtel? Kommt der Kaufvertrag schon zustande, wenn er den Knopf am Automaten drückt? Immerhin hätte er da noch die Möglichkeit, die Zigaretten liegenzulassen, anders als etwa beim Straßenverkaufs-Automaten, an dem es die Ware nur nach Geldeinwurf gibt. Es hat schon etwas von Verzweiflung, als Gawinski, der Richter, in diesem Moment seufzt: "Warum sind Automaten nicht generell verboten?"

Das denkt sich wahrscheinlich auch gerade Marktbetreiber Jusic, aber sein Anwalt hat noch ein Argument: Es sei zwar richtig, dass das Gesetz beziehungsweise die auf ihm fußende Verordnung es verbiete, Warnhinweise und Schockbilder zu verdecken. Aber das sei nun einmal das Wesen eines Automaten, dieser sei ja schon die Verdeckung, und zwar aus Gründen des Diebstahlsschutzes und der Alterskontrolle. Und außerdem, Bilder und Hinweise seien auf jeder Schachtel zweimal zu sehen, einmal vorne, einmal hinten. Also gehe das ja gar nicht anders, eine Seite müsse ja immer verdeckt sein. Nun stellt sich Richter Gawinski kurz vor, wie das wäre, wenn Zigarettenschachteln in gläsernen Vitrinen ausgestellt werden müssten, so dass auch tatsächlich alle Aufdrucke korrekt zu lesen sind . . .

Marc Pütz, der Anwalt von Pro Rauchfrei, zitiert eine Studie des Krebsforschungszentrums Heidelberg, das herausgefunden hat, dass Bilder und Hinweise tatsächlich Menschen vom tödlichen Tabakkonsum abhalten. Es gibt allerdings ebenso Arbeiten mit dem entgegengesetzten Ergebnis. Andreas Meisterernst bezweifelt, dass die Entscheidung für oder gegen die Zigarette tatsächlich an der Schlange vor der Supermarktkasse getroffen wird und ob also der Warnhinweis überhaupt einen Effekt hätte.

Und dann führt er noch ein Argument an: Die deutsche Regelung gelte gar nicht, denn sie ist strenger als die zugrundeliegende EU-Regelung, weshalb ein Gesetz her müsse und nicht nur eine ministerielle Verordnung. Da haben dem Pro-Rauchfrei-Vorsitzenden Ermer wahrscheinlich die Ohren geklingelt - er ist AfD-Vorsitzender in Erlangen-Höchstadt, und da gefällt es ihm wahrscheinlich nicht so gut, dass der deutsche Staat regelungswütiger ist als die aus AfD-Sicht ja verdammenswert regelungswütige EU. Zum Schluss sagt Richter Gawinski, dass das Landgericht für das Verfahren nur Durchgangsstation sei auf dem Weg zum Bundesgerichtshof. Eine Entscheidung muss er dennoch verkünden, und zwar am 5. Juli.

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