Klinikum rechts der Isar:Chefarzt-Behandlung ohne Chefarzt

Klinikum rechts der Isar

Das Klinikum rechts der Isar soll Operationen falsch abgerechnet haben.

(Foto: Paul Knecht/dpa)
  • Der Leiter der Abteilung für Chirurgie im Klinikum rechts der Isar wird nach SZ-Informationen in Operationsberichten als Operateur genannt, obwohl er bei den Eingriffen gar nicht dabei war.
  • Die betroffenen Patienten sowie die Krankenkassen sollen Anfang 2015 informiert werden, teilt das Klinikum mit.
  • Nach dem Skandal um Manipulationen bei Lebertransplantationen ist die Zahl der Operationen schon um zehn Prozent zurückgegangen. Durch die neuen Vorwürfe droht der nächste Imageschaden.

Von Christina Berndt und Sebastian Krass

Schwere Vorwürfe gegen die Chirurgie am Klinikum rechts der Isar: Der Chefarzt der Abteilung für Chirurgie wird nach SZ-Informationen in Operationsberichten als Operateur genannt, obwohl er bei den Eingriffen gar nicht dabei war. Operationen wurden deswegen auch falsch abgerechnet. Die betroffenen Patienten wissen bisher nichts davon. "Die Patienten bzw. ihre jeweilige Krankenversicherung werden Anfang 2015 informiert und erhalten eine Rückzahlung", teilen das Klinikum und der Chefarzt auf Anfrage mit.

Die Vorgänge bedeuten neue Unruhe für das Klinikum der Technischen Universität München. Professor Helmut F. war erst am 1. Juli in seine Funktion als Chefarzt der Chirurgie zurückgekehrt. Er hatte erfolgreich gegen seine Kündigung geklagt, die im Zuge des Transplantationsskandals ausgesprochen worden war. Offenbar hat das Renommee der Chirurgie durch die seit Herbst 2012 wabernde Affäre gelitten. Jedenfalls verzeichnet die Abteilung im Jahr 2014 einen Rückgang der Operationen um etwa zehn Prozent im Vergleich zu den stabilen Zahlen der Vorjahre. Nun droht der nächste Imageschaden.

Im OP und zeitgleich auf Kongressen

Es gibt allein mehrere Fälle, bei denen der Professor laut der Klinik-Dokumentation Patienten operiert hat und zeitgleich auf Kongressen Vorträge hielt, so steht es heute noch im Online-Programm dieser Tagungen. So soll F. am 26. April 2012 in München eine Wundheilungsstörung behandelt, Hämorrhoiden entfernt und einen Bruch der Speiseröhre geflickt haben, während er laut Onlineprogramm auf einem Chirurgenkongress in Berlin eine Veranstaltung über die intra- und postoperative Behandlung von Blutvergiftungen leitete. Dass er in den Berichten zu diesen und anderen Eingriffen als Operateur genannt werde, sei ein bedauerlicher Fehler, sagt der Professor.

Schon seit April bemüht sich das Rechts der Isar, fragwürdige und fehlerhafte OP-Berichte in der Klinik für Chirurgie aufzuarbeiten. Klinikleitung und F. bestätigen in einer gemeinsamen Stellungnahme, man habe "einige wenige Fälle identifiziert, bei denen fehlerhaft dokumentiert wurde". Konsequenzen hat F. aber offenbar nicht zu befürchten. Die Klinikleitung hat nach eigenen Angaben "juristische Gutachten" zu den Unregelmäßigkeiten eingeholt, mit dem Ergebnis, "dass die fehlerhafte Dokumentation weder arbeits- noch strafrechtlich relevant ist". Sie sei auch nicht vorsätzlich oder systematisch erfolgt.

Auch das Klinikum gerät in Bedrängnis

F. betont, er habe die Operationsberichte versehentlich unterschrieben, ohne sie genauer zu überprüfen. "Ich habe mich da auf meine Mitarbeiter verlassen, die mir die Berichte zur Unterschrift vorlegen", sagt er. Mitunter seien ihm dabei Berichte zu Operationen vorgelegt worden, an denen er gar nicht beteiligt war. Die Fehler täten ihm leid und sollten künftig vermieden werden. Wer den Namen von F. in die Berichte eingetragen hat und warum das geschah, bleibt offen.

Die Falschabrechnungen als Chefarztbehandlungen bringen auch das Klinikum selbst in Bedrängnis. Denn nicht nur der Chefarzt, auch das Klinikum profitiert von dem Extra-Geld, das private Krankenversicherungen für Operationen des Chefs bezahlen. Das Krankenhaus rechnet den erhöhten Chefarztsatz mit den Krankenkassen ab und gibt einen Teil davon an den Chefarzt weiter. Sollten Patienten und Krankenkassen sich mit den Rückzahlungen, die Anfang 2015 erfolgen sollen, nicht zufrieden geben, könnten Klagen auf das Rechts der Isar und den Professor zukommen. Auch die Staatsanwaltschaft könnte sich für die Vorgänge interessieren.

Offenbar ist auch ohne Bekanntwerden dieser neuen Vorwürfe das Vertrauen in die Chirurgie an dem TU-Klinikum erschüttert: In F.s Abteilung wollen sich erheblich weniger Patienten operieren lassen als früher: Nach 4079 Operationen im Jahr 2011, 4222 (2012) und 4180 (2013) werden nach einer Hochrechnung des Klinikums Ende 2014 nur noch etwa 3750 Eingriffe in den Büchern stehen. Es wäre interessant, was der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Bayerns Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU), zu dem Imageschaden sagt. Doch der lässt eine entsprechende Frage unbeantwortet.

Mehr Hintergründe zu diesem Fall lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom 29. Dezember oder in der digitalen Ausgabe der SZ.

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