Jugendliche Sprayer:Schrubben statt sprühen

Katharina war eine der wenigen Frauen in der Münchner Graffitiszene - bis sie an die Polizei verraten wurde. Zur Strafe muss sie 312 Stunden lang S-Bahnen putzen.

Von Christian Minaty

"Toll ist es nicht gerade, wenn man sich vor den Bullen bis auf den Tanga ausziehen muss. Jeden Tag kam ich in eine Personenkontrolle ", sagt Katharina.

Katharina

Katharina vor einer stillgelegten S-Bahn. Das Bild darauf hat nicht sie gemalt. Ihre eigenen "tags" wurden längst übermalt oder entfernt.

(Foto: Foto: min)

Gerade eben sah sie noch sympathisch und freundlich aus, hätte auch als Bank-Angestellte durchgehen könnten. Jetzt zieht sie die Stirn in trotzige Falten.

Die Kontrollen waren noch zu Zeiten, als ihr Bahnen, Bahnhöfe oder Hauswände als Malfläche dienten - Katharina war nichts heilig. "Ich habe meistens getaggt", sagt sie. Taggen, das heißt: Das ureigene Kürzel per Farbdose oder Marker heimlich und schnell hinkritzeln. Katharina verursachte über 30.000 Euro Schaden. Nun muss sie Buße tun und S-Bahnen putzen, 312 Stunden insgesamt. 100 hat sie bereits.

Schrubben statt sprühen

Ihre Arbeit macht sie mitten in München, wo tote Gleise in einer grün wuchernden Wildnis verschwinden und zugewachsene Bahn-Häuschen verwildern. Keine Fensterscheibe, die nicht in ihre Einzelteile zerlegt am Boden liegt. Der Weg dorthin führt über beunruhigend knarzende Holztreppen, steil abfallende Bahndämme, vorbei an monströsen Stromtransformatoren. Überall Gesprühtes, kryptische Konstrukte aus Farben und Formen. Ob Katharina die Graffiti zuordnen kann? Sie deutet an, dass sie viele der Urheber kennt.

Jugendliche Sprayer: Auf das die S-Bahn schäume: Katharina muss keine Graffiti entfernen, aber dafür den üblichen Schmutz.

Auf das die S-Bahn schäume: Katharina muss keine Graffiti entfernen, aber dafür den üblichen Schmutz.

(Foto: Foto: min)

"Sprayen, das ist eine Art Protest", sagt sie - gegen kleiner werdende Freiräume für Jugendliche, den US-Präsidenten oder die bayerische Polizei. Ein Feindbild findet sich immer. Eine große Halle taucht auf, wo S-Bahnen gewartet werden. Die Reinigungskräfte kennen Katahrina schon. Katharina füllt einen Eimer mit Wasser und noch mehr Seifenlauge.

Ruhm und Anerkennung, den "Fame", bekomme nur, wer wirklich gut ist und seine Gemälde an möglichst unzugänglichen und gleichzeitig gut sichtbaren Stellen anbringt: Züge als rollende Ausstellungen. "Ich konnte aber nie wirklich gut malen", bekennt sie. Katharina wienert und wischt. Gut macht sie das. "Ich habe Hotelfachfrau gelernt." Gefallen hat ihr das nicht. Jetzt ist sie arbeitslos.

Zum Graffiti war sie sie über ihren Ex-Freund gekommen, der einmal einige Farbdosen bei ihr vergessen hatte. "Die habe ich einfach vermalt." Der Hauptanteil ihres verursachten Schadens entstand bei der DB Regio. Einen Teil arbeitet sie ab, ein Teil musste sie zahlen und auf den Rest hat das Unternehmen verzichtet.

Schrubben statt sprühen

Jugendliche Sprayer: In abbruchreifen Bahnhäuschen haben Sprayer jeden Meter zugemalt.

In abbruchreifen Bahnhäuschen haben Sprayer jeden Meter zugemalt.

(Foto: Foto: min)

"Katharina verlangt die Putzarbeit viel ab. Aber dafür wird sie schuldenfrei sein", erklärt Wolfgang Goß vom Verein Brücke München. Der Sozialpädagoge bildet mit seinen Kollegen eine Anlaufstelle für Sprayer, die erwischt worden sind. Wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt, können die sich bei ihm melden. Goß: "Viele rufen noch von der Vernehmung aus bei mir an."

Eine Anzeige blieb Katharina durch die Vermittlung von "Brücke" erspart. An die Polizeiaktion, nachdem sie verraten worden war, erinnert sie sich ungern. Eine Hausdurchsuchung folgte im Haus ihrer Eltern, wo sie damals noch wohnte. Schließlich gestand sie.

"Ich bin ernsthafter geworden", sagt sie. Ihr Lieblingshobby ist das Showtraining für Araberpferde. Das wäre ihr Traumberuf. "Mich interessiert auch die Philosophie." Und malen? Katharina lächelt.

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