Unwetter über München und Umgebung:Warum heftiger Hagel in Alpennähe häufiger vorkommt

Unwetter in Bayern

Hagel im Juni: Neben Starkregen kamen auch mehrere Zentimeter große Eiskugeln vom Himmel.

(Foto: dpa)

Reik Schaab vom Deutschen Wetterdienst erklärt nach dem schweren Gewitter, wie solche Wetterphänomene entstehen - und gibt eine Aussicht auf die nächsten Tage.

Interview von Thomas Schmidt

Und plötzlich prasselte es vom Himmel: Die dicken Hagelkörner, die am Montagabend auf München hinabgingen, waren auch für die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) alles andere als ein alltägliches Phänomen. Reik Schaab vom DWD erklärt, was da eigentlich passiert ist - und wie es weitergeht.

SZ: Herr Schaab, wo waren Sie, als das Gewitter am Montagabend loslegte?

Ich war gerade mit meinen Kindern am Starnberger See. Gegen 17 Uhr habe ich dann von der Warn-Wetter-App des DWD die Nachricht für ein Unwetter erhalten. Das Gewitter habe ich aus der Entfernung heranziehen gesehen, man konnte erkennen, dass es sich brachial schnell nach Nordosten bewegt. Solche Unwetter entstehen meist in den Alpen, häufig im Bereich Allgäu. Dann ziehen sie nach Nordosten, werden entlang der Berge der Voralpen zum Aufsteigen gezwungen und können zudem auf ihrem Weg über die Seen im Münchner Umland noch mal Feuchtigkeit und Energie auftanken. So war es auch am Montagabend: Das Gewitter ist über den Ammersee gezogen und hat dann zwischen 17.30 und 18 Uhr den Westen und Nordwesten der Stadt erreicht.

Wussten Sie schon vorher, dass es kräftig hageln wird?

Ja, wir hatten bereits morgens gewarnt vor Hagelkörnern mit einem Durchmesser von bis zu fünf Zentimetern. Die wurden dann auch gemessen und mit Fotos belegt. Auf dem Radar war ein gewaltiger Hagelschlot zu erkennen, zwölf Kilometer hoch - von ganz oben bis ganz unten voller Eisbrocken. So ein Schlot ist wie ein Fahrstuhl: Die Körner werden vom Wind so lange hoch und runter geschleudert, bis sie so dick und schwer werden, dass sie zu Boden fallen.

Unwetter über München und Umgebung: Reik Schaab arbeitet in München als Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Das Gewitter vom Montagabend konnte er vom Starnberger See aus betrachten.

Reik Schaab arbeitet in München als Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Das Gewitter vom Montagabend konnte er vom Starnberger See aus betrachten.

(Foto: Privat)

Meteorologen sprechen von einer Superzelle, die München heimgesucht hat.

Eine Superzelle ist eine Zusammenballung von Gewitterwolken, riesig groß, langlebig, voller Energie - und mit besonders komplexem Fahrstuhleffekt. Diese Zellen kommen in Alpennähe häufiger vor als in vielen anderen Teilen des restlichen Deutschlands, wo es flacher ist. Und dabei handelt es sich um eine besonders gefährliche Gewitterart.

Wie groß ist die Gefahr, wenn man in so einen Hagelsturm gerät?

Nach dem Gewitter habe ich ein Foto von einem Pferd zugeschickt bekommen. Das stand in München im Freien, als sich das Unwetter entlud. Es hatte schlimme Beulen am ganzen Körper. Wenn ein fünf Zentimeter großes Hagelkorn einen Menschen trifft, ist sicher eine Platzwunde die Folge. Bei einem 14 Zentimer großen Korn - und so was gab es ja auch schon in Deutschland - mag ich mir gar nicht vorstellen, was passiert. Das sind potenzielle Totschläger.

Zum Glück ist es am Montagabend in München bei Sachschäden geblieben.

Ja, aber die Versicherungen werden ganz schön bluten müssen.

Auf die Viertel am Stadtrand prasselten die Hagelkörner herab, andere Viertel blieben komplett verschont. Gibt es einen Grund dafür, warum es in der Innenstadt nicht hagelte - ist es dort einfach zu warm für Eisbrocken?

Nein, das kann man so nicht sagen. Der Hagel ging im Kernbereich der Superzelle runter, und der zog eben über den Stadtrand hinweg. An den Rändern der Zelle regnete es dann nur. Die Lage des Wetters war aber Zufall. Ich vergleiche das gern mit einem Topf, in dem man Wasser zum Kochen bringt: Man weiß genau, dass es gleich zu blubbern anfängt, man kann aber nie vorhersagen, wo die erste Blase aufsteigt. Wo sich die Wolken letztlich entladen, sieht man dann erst auf dem Radar, wenn es wirklich losgeht.

Wie groß waren denn die Regenmengen, die runterkamen?

In der Stadt München waren es 10,1 Millimeter in neun Minuten. Das ist so, als würden Sie in dieser Zeit einen Zehn-Liter-Eimer auf einen Quadratmeter ausschütten. Wo die Hagelspur verlief, war die Menge noch deutlich höher. Anschließend zog der Sturm weiter zum Flughafen, wo Böen von bis zu 120 Stundenkilometern gemessen wurden.

Wann droht München der nächste Hagelsturm?

In den nächsten Tagen haben wir wohl Zeit zum Durchatmen. Am Dienstag war die Luftmasse eigentlich die gleiche wie am Montag. Aber für ein richtiges Unwetter braucht es auch Sonne. Die Sonneneinstrahlung heizt die Luft auf und liefert die Energie für ein Gewitter. Wenn wir die Heizplatte nicht anwerfen, bleibt es ruhig. An diesem Mittwoch zieht die Luftmasse weiter nach Osten, in München sollte das Wetter also wieder besser werden.

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