"Harold, this is a homerun!":Zwischen Baldham und Beverly Hills

Harold Faltermeyer wurde mit der Axel-F-Musik bekannt, gewann Grammys, lebte in Hollywood. Zurück in Bayern komponierte er und hat nun ein Musical und eine Biografie geschrieben. Über einen Rastlosen mit absolutem Gehör

Von Thomas Becker

Jungfräulich liegt er da, der Tennisplatz. Kein Ball, kein Fußabdruck weit und breit. "Ich hab' ewig nicht mehr gespielt", sagt der Hausherr, zieht an seiner Zigarre, springt auf und zapft sich und dem Besucher ein Glas vom Selbstgebrauten. Jahrelang hat er hier im Sommer den Falty-Cup veranstaltet, 15 Freunde zum fröhlichen Doppelturnier eingeladen, vor seiner urigen Alpenhütte einen Ochsen auf den Spieß gesteckt, den ganzen Tag gedreht, gewürzt und abends um sechs angeschnitten. "Der Harold ist ein Gastgeber par excellence", schwärmt sein Tennis-Buddy Goofy Förster, "einer der herzlichsten, bodenständigsten und großzügigsten Menschen, die ich kenne. Einer mit Herz!"

Radio-Moderator Fritz Egner sieht das ähnlich: "Er sorgt selbst dafür, dass er geerdet bleibt, auch nach zwei Grammys und fünf Hollywood-Filmen. Er kommt mit ganz großen Stars auf eine emotionale Ebene und schafft es so, besonders viel aus denen rauszuholen - sonst wäre er in Hollywood auch nicht so weit gekommen. Im Studio ist er mit seiner Mischung aus Psychologie und Soundkunst ein Magier." Wer mal erlebt hat, wie Faltermeyer aus dem Gejaule von zwei Dutzend Nicht-Sängern einen durchaus anhörbaren Song gezaubert hat, kann das nur bestätigen.

"Harold, this is a homerun!": Früh von halb fünf bis zehn im Studio, dann hat Komponist Harold Faltermeyer frei und werkelt etwa an seiner Hütte: "Dabei erhole ich mich", sagt er.

Früh von halb fünf bis zehn im Studio, dann hat Komponist Harold Faltermeyer frei und werkelt etwa an seiner Hütte: "Dabei erhole ich mich", sagt er.

(Foto: Catherina Hess)

Sich selbst aufs Schild heben, liegt dem Schöpfer der legendären Filmmusik zu "Beverly Hills Cop" überhaupt nicht, und dennoch hat er sich zuletzt drangemacht und sein Leben zwischen Baldham und Beverly Hills aufgeschrieben: "Grüß Gott, Hollywood" heißt die bei Lübbe erschienene Autobiografie. "Probleme gab's nur mit der Übersetzung", sagt Faltermeyer. Eine Übersetzung? "Ich hab's auf Englisch geschrieben, da kann ich mich besser ausdrücken. Bairisch ging ja schlecht, und Hochdeutsch kann ich halt nicht." Wissen, was man kann und was nicht.

Wer die 260 Seiten liest oder mit ihm ein paar Biere trinkt, der lernt, dass dieser Typ außer Komponieren noch sehr viel anderes kann. Mit fünf wird ihm die Gabe des absoluten Gehörs attestiert, daheim wird ständig musiziert (Opa Geige, Papa Klavier), Dirigent Sir George Solti gehört praktisch zur Familie und nahm auch mal eine Weile Quartier im Tannenhof, dem 65 000 Quadratmeter großen Waldgrundstück an der B 304 bei Baldham. Die Familie musste allerdings für ein paar Jahre weichen, als Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak ein Auge auf das Anwesen geworfen hatte. Nach dem Krieg verwandelten die US-Besatzer den Tannenhof vorübergehend in einen Militärstützpunkt, und so kam es auch zu dem ungewöhnlichen Vornamen. Faltermeyers Vater war einem Colonel ins Auto gekracht, kurioserweise entspann sich daraus eine Freundschaft, die den Besatzer schließlich zu Uncle Harold und zum Paten von Faltermeyer junior werden ließ.

Mit 13 die erste Band, The four juniors, mit dem Vater als Manager und Tourbusfahrer, geprobt wird in der alten Trinkstube im Keller, Harold an der elektronischen Orgel, der kleine Bruder Ralf am Schlagzeug. Nachbar Udo Jürgens kommt mal zum Zuhören, interessiert sich dann aber doch mehr für Mamas selbstgebackenen Aprikosenkuchen. Im Buch schreibt Faltermeyer von vielen ersten Malen: Erste Single: "Love me do" von den Beatles. Erster Synthesizer: 1974, ein Arp Odyssey, der ihm nach vier Wochen geklaut wird. Erstes Mal: mit 15, sie war 25. Erstes Praktikum: als Tontechniker bei der Deutschen Grammophon - ein neuer Lebensabschnitt beginnt, in einer "Märchenwelt aus technischem Gerät". Erster Job: Max Greger einen Gin Tonic holen. Erste Zigarre: mit dem Mann von Mireille Mathieu. Das Abi hat er da schon geschmissen, trotzdem ein Studium an der Musikhochschule ergattert - und lehnt nach der Trompetenprüfung an der Hochschule einen Job bei den Aachener Sinfonikern ab. Lieber Sex, Drugs & Rock 'n' Roll.

Das Landei geht jetzt auf große Fahrt. Reise in die USA 1976 mit einem deutschen Plattenboss. Dann folgt in Los Angeles das erste Treffen mit Giorgio Moroder: bei den Filmmusikaufnahmen zu "Midnight Express", wofür Moroder seinen ersten Oscar bekommt, 1978. Es beginnt eine heiße, eine verrückte Zeit: der Aufstieg in die Champions League. Moroder, damals schon King des Munich Disco Sound, lädt ihn zur Mitarbeit ein, Donna Summers "Hot stuff" wird 1980 ein Riesen-Hit, mal wird im Studio am Arabellapark aufgenommen, mal lädt die Lady nach L.A. und schreibt ihm in den Kalender: "Make me rich, sucker!"Aus Faltermeier wird Faltermeyer - weil das besser ankommt in Amerika. Und wie er mit seiner elektronischen Musik nun ankommt.

In Hollywood war man gewohnt, dass Filmmusik zu Komödien von einem Orchester eingespielt wird, doch der crazy german knallt dem Produzenten Jerry Bruckheimer die druckvollen, funkigen Beats von "Beverly Hills Cop" mittels Maschinen aufs Trommelfell: mit einem Roland Jupiter-8 für die Melodie oder einer Linn MM-1 Drum-Machine sowie den Modular-Synthesizern Roland Series 700 und M 100 für die legendären "Wassertropfen".

Das Axel-F-Thema macht den sucker rich, aber so richtig. Der Bursche aus Baldham bewohnt in Beverly Hills eine zweigeschossige Suite im "Hermitage", fährt Mercedes 300 SL Cabrio und lebt den amerikanischen Traum. Auf den ersten Grammy folgt bald der zweite, nach Eddie Murphy beschallt er Tom Cruise in "Top Gun", versorgt Willy Bogners "Fire & Ice" mit einem fetzigen Sound, untermalt Arnold Schwarzenegger in "Running Man" sowie Sylvester Stallone und Kurt Russell in "Tango & Cash". Dann kommen die Kinder - und bei Faltermeyer der Bayer durch.

"Hollywood ist crazy", sagt er, "es ist ein eigenartiges Beverly-Hills-Leben. Kids, die beim Abendessen mit dem Gameboy an einem anderen Tisch sitzen - so was hat's bei uns nicht gegeben!" Ende der 80er zieht es ihn zurück in die Heimat. Die Auftragslage in L.A. ist nicht mehr so rosig, er steckt in der Cop-Film-Schublade fest und beschließt, seine drei Kinder im heimischen Tannenhof großzuziehen. "Ich wollte ihnen die Sicherheit dieses Compounds geben", sagt er in seinem unbewussten Sprachmix, "die älteste Tochter ist 27, studiert in New York. Die ist wesensfest, der kann nix passieren, die fällt in keinen Drogentopf. Die Kleine ist 25 und auf der Filmhochschule in Vancouver. Die haben ein klares Weltbild - das ist beruhigend." Die Rückkehr tut ihm gut: "Ich muss nur eine Handvoll bayerische Erde riechen und bin sofort eins mit mir. Der Tannenhof ist mir so unglaublich wertvoll. Ich habe all die Ausflüge nach crazy Hollywood inklusive Drogenerfahrungen unbeschadet überstanden, weil ich wusste, dass ich hier mein Zuhause habe." Und eine auf Hochtouren laufende Studio-Maschine.

Hinter der bayerischen Gemütlichkeit, die der gerne krachlederne Musiker ausstrahlt, steckt ein unruhiger Geist und die Angst vor kreativer Verstopfung. "Ich bin ein notorischer Frühaufsteher. Ab halb fünf tickt bei mir die Uhr, da treibt mich die Unruhe aus dem Bett und runter ins Studio. Um zehn Uhr ist Sense mit Komponieren, dann bin ich ausgelaugt und gehe den ganzen Tag nicht mehr ins Studio. Eine Bürostunde noch, dann hab' ich frei und gehe fliegenfischen, jagen, auf eine Skitour, mache Wurst, richte Fleisch her oder koche - dabei erhole ich mich, das ist mein Ausgleich." Vergessen hat er in seiner Aufzählung Bier brauen, schreinern, Holz hacken, zimmern, schmieden, malen, klettern, golfen, Hütten auseinander- und wieder zusammenbauen - und fliegen. Weil er unter Flugangst litt, machte er einfach eine Pilotenlizenz nach der anderen, bis zum Berufsflieger.

Sein neuestes Baby ist das Musical. Im Crest Theatre in Hollywood läuft seit zwei Wochen "Oktoberfest The Musical - An almost true story". Faltermeyer schwärmt: "Das reicht von Umta-Blasmusik bis zur Burlesque-Nummer für Lola Montez. Wir haben ein Drehbuch, das funktioniert, junge Akteure, ein kleines Art-Deco-Theater am Westwood Boulevard, wo sie das Glockenspiel nachgebaut haben, mit Bierbänken, Bedienungen im Dirndl und original Hofbräu-Bier." Musical macht ihm gerade "irre Spaß". Das sei wie "interaktives Komponieren". Jerry Bruckheimer, den er nun seit 35 Jahren kennt, war zur Premiere da, und nicht ohne Stolz erzählt Faltermeyer: "Bei ein paar Songs hat er gesagt ,Harold, this is a homerun!'" Bis Ende November läuft die Gaudi in Hollywood, es gibt schon Angebote für Nashville, San Francisco, Las Vegas und China - und in zwei Jahren vielleicht auch in Deutschland, aber auf Englisch. Außerdem habe er noch ein kleines Musical in der Tasche: "Ein Münchner Thema, aber noch nicht spruchreif."

Langeweile? Nicht doch. Es gibt immer was zu tun. Mitte September beginnt die Hirschbrunft, die schönste Jahreszeit für einen Jäger. "Es gibt nix Majestätischeres, als wenn von jedem Berg ein Hirsch runterbrüllt", sagt Faltermeyer. Als er noch seine Hochgebirgsjagd in Tirol hatte, hat er sich in der Zeit seinen Gebirgsschweißhund Wenzel, eine Kühltruhe voller Lebensmittel, eine Flasche Wein und eine Kiste Bier eingepackt und sich drei Wochen auf seiner Almhütte verschanzt. Aber jetzt muss er sich zuerst mal um den Borkenkäfer in seinem Wald kümmern: "Wir haben 40 bis 50 Bäume mit Schäden. Da heißt es dann: Motorsäge in die Hand, Schnittschutzhose an und auf geht's!"

Es ist fast ein Wunder, dass er nicht gleich losrennt, sondern noch mal an Zigarre und Bierglas zieht. Und der verschmähte Tennisplatz hinter ihm bleibt derweil einfach liegen.

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