Haidhausen:Warum Einzelhändler ihre Schaufenster zukleben

Haidhausen: Vorübergehend zugeklebt: eines der Haidhauser Geschäfte im Protest gegen Amazon und Co.

Vorübergehend zugeklebt: eines der Haidhauser Geschäfte im Protest gegen Amazon und Co.

(Foto: privat)
  • Die Initiative "Buy local" will in Haidhausen das Einkaufserlebnis am Ort gegen den anonymen Handel im Netz stellen.
  • Nach Ladenschluss am Samstag klebten deshalb 22 Einzelhändler ihre Schaufenster mit Packpapier zu.
  • Einzige Deko waren Sinnsprüche: "Erst wenn der letzte Laden verschwunden ist, werdet ihr feststellen, dass online shoppen doch gar nicht so toll war."

Von Christian Krügel

Aus dem Schaufensterbummel in Haidhausen wurde an diesem Sonntag nichts: Statt in dekorierte Läden blickten Spaziergänger rund um den Weißenburger Platz oft auf zugeklebte Schaufenster - aber nicht, weil über Nacht Haidhauser Einzelhändler ihr Geschäft aufgeben mussten. Es handelte sich um eine Protestaktion aus Sorge, dass sie die Übermacht der Online-Versandhäuser irgendwann tatsächlich zur Aufgabe zwingen werde. "Da viele Leute nicht verstehen, was sie anrichten, wenn sie Online kaufen, muss man mit solchen Aktionen provozieren", sagt Sabine Doppler.

Zusammen mit Sandra Ohler gründete sie vor etwa eineinhalb Jahren die Initiative "Buy local" in Haidhausen. Beide haben Läden in dem Stadtviertel und beide wissen, wie schwer es ist, gegen eine doppelte Konkurrenz zu bestehen: zum einen gegen die Shopping Malls am Rande der Stadt, zum anderen gegen die Konkurrenz im Internet, Amazon, Zalando und Co.

Gegen den anonymen Handel im Netz wollen sie das Einkaufserlebnis am Ort stellen. "Wir hatten das Bedürfnis nach etwas mehr Bewegung in Haidhausen, und wir wollten laut sein. Das geht nur mit einem Kollektiv", so Doppler. Inzwischen gehören 40 Läden zu der Gruppe, es gibt es einen eigenen "Buy local"-Stadtplan für Haidhausen.

Kein Jammern im Sinne von "Bitte, bitte kauft bei uns!"

Am Wochenende wurden Doppler und ihre Mitstreiterinnen nun provokanter: Nach Ladenschluss klebten 22 Einzelhändler am Samstag ihre Schaufenster mit Packpapier zu. Einzige Deko waren Sinnsprüche: "Erst wenn der letzte Laden verschwunden ist, (. . .) werdet ihr feststellen, dass online shoppen doch gar nicht so toll war", hieß es etwa. Das solle kein Jammern im Sinne von "Bitte, bitte kauft bei uns!" sein, sagt Sabine Doppler. "Die Entscheidung, wer wo kauft, können wir nicht beeinflussen - aber wir können auf die Konsequenz hinweisen", glaubt sie.

Aktuelle Marktzahlen zeigen, dass die Sorge nicht so unbegründet ist. In der Mode-Branche liegt der Online-Anteil bundesweit bei rund 25 Prozent, im Buchhandel sogar bei 40. Elf Prozent des gesamten Einzelhandels entfallen derzeit auf das Online-Geschäft, Experten rechnen mit einem Anstieg in den nächsten Jahren auf bis zu 17 Prozent. Trotzdem war die Haidhauser Aktion im Viertel nicht unumstritten. Unter den "Buy Local"-Händlern habe die Hälfte nicht mitmachen wollen, aus Sorge, ihre Läden könnten in einem schlecht Licht dastehen, berichtet Sabine Doppler. Sie ergänzt: "Provokation ist nie einfach."

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