Haidhausen:Der Beginn einer Tradition

Die Freunde Haidhausens wollen die deutsch-französische Verbundenheit auch nächstes Jahr wieder im Viertel feiern

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Zwischen den Städten Paris und Bordeaux liegt eine knapp 600 Kilometer lange Autofahrt. Im "französischen Viertel Münchens", wie Generalkonsul Jean-Claude Brunet nach gängigem Sprachgebrauch das Quartier am Ostbahnhof nennt, gelangt man von Paris nach Bordeaux in noch nicht einmal fünf Minuten. Denn zumindest die Plätze, die nach diesen Städten benannt sind, trennen kaum 300 Meter. Ein Spaziergang durch das Viertel gleicht daher einer deutsch-französischen Reise: Von Weißenburg über Metz nach Wörth. Nur wenige dürften sich in der französischen "Enklave" in München besser auskennen als der Ehrenvorsitzende der "Freunde Haidhausens", Johann Baier. Er führt anekdotenreich durch das sogenannte Franzosenviertel. Da kommt auch Brunet "mit großem Vergnügen" mit.

Baier erzählt dabei von einem Quartier, das stetigen Wandel kennt. Von dem einstigen "Glasscherbenviertel", das sich zu einer der begehrtesten Wohngegenden Münchens entwickelt hat und heute als Ensemble unter Denkmalschutz steht. Das Franzosenviertel hat Arnold von Zenetti entworfen, um den 1871 fertiggestellten Vorläufer des Ostbahnhofs mit der eigentlichen Stadt zu verbinden. "Davor waren hier Schafweiden", sagt Baier. Die Straßen sind symmetrisch angelegt. Die Wörthstraße dient als Mittelachse; der Orleansplatz als Ausgangspunkt, von dem strahlenförmig die Weißenburger Straße und die Belfortstraße wegführen. Parallel zur Orleansstraße verlaufen die Pariser und die Metzstraße. An den Schnittpunkten entstehen kleine Plätze wie der Pariser- und der Weißenburger Platz mit einem Kreisverkehr für Autos und Grünanlagen samt Bänken für die Fußgänger - très français.

Haidhausen: Johann Baier von den "Freunden Haidhausens" beim Rundgang im Quartier am Ostbahnhof.

Johann Baier von den "Freunden Haidhausens" beim Rundgang im Quartier am Ostbahnhof.

(Foto: Stephan Rumpf)

Was heute als ein Ausdruck der deutsch-französischen Freundschaft verstanden wird, war 1872, als die Straßen benannt wurden, viel eher eine Geste des Triumphs. "Bis auf drei Straßen sind alle nach Orten benannt, wo bayerische Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg gekämpft und gewonnen haben", erklärt Baier. Eine Ausnahme ist beispielsweise der erst nach dem Zweiten Weltkrieg so benannte Bordeauxplatz, dessen Straßenschild auf die 1964 geschlossene Städtepartnerschaft zwischen München und Bordeaux verweist. Ein Beispiel dafür, wie sich das deutsch-französische Verhältnis über die Jahre verändert hat. Und mit dem Verhältnis auch das Franzosenviertel.

Überhaupt kam es in dem Viertel oft anders als gedacht. Ursprünglich war der Symmetrie wegen ein Pendant zum Pariser Platz geplant, wo die Breisacher und die Belfortstraße zusammentreffen. Doch die französischen Ordensschwestern "Zum guten Hirten", die von 1840 an in München lebten und an eben dieser Stelle Grund besaßen, weigerten sich schlicht, diesen zu verkaufen. "Das waren richtige Powerfrauen", sagt Baier schmunzelnd. Alle Bitten, Angebote und Verhandlungen halfen nicht. Der geplante Straßburger Platz wurde nie verwirklicht. "Deswegen macht die Breisacher Straße an dieser Stelle eine fürs Franzosenviertel so untypische Biegung", erklärt Baier.

Haidhausen: In fünf Minuten von Paris nach Bordeaux: Im Franzosenviertel ist das möglich.

In fünf Minuten von Paris nach Bordeaux: Im Franzosenviertel ist das möglich.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie sich das, was die Münchner mit dem Franzosenviertel verbinden, grundlegend verändert hat, zeigte auch der französische Nationalfeiertag in diesem Jahr. Auf Einladung der "Freunde Haidhausens", des Vereins "Amititié Alsace-Bavière (Freundschaft Bayern-Elsass") und der "Initiative München-Bordeaux" kamen etwa 100 Gäste in den Pfarrsaal Sankt Elisabeth an der Breisacher Straße. Um die deutsch-französische Freundschaft "gemeinsam zu feiern und sich auszutauschen", wie Dieter Rippel, Vorsitzender der "Freunde Haidhausens", sagt. Geht es nach ihm, war dieser Tag der Beginn einer Tradition. Zum nächsten Nationalfeiertag will er erneut die Freundschaft der beiden Länder im Franzosenviertel festigen. Der französische Generalkonsul Brunet hat bereits zu kommen versprochen.

Geführte Rundgänge durch das Franzosenviertel und andere Teile Haidhausens können bei den "Freunden Haidhausens" gebucht werden. Eine Spende als Kostenbeitrag wird erbeten. E-Mail: dieter.rippel@gmx.net.

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