Prozess in München:Russischer Kämpfer vor dem Landgericht

GEPIXELT

Die Staatsanwaltschaft hat wohl 2017 begonnen, gegen Sergej K. zu ermitteln.

(Foto: Robert Haas)
  • Das Landgericht München verhandelt den Fall eines ehemaligen russisch-orthodoxen Priesters.
  • Die Anklage wirft ihm vor, in Sankt Petersburg an einer Partisanen-Ausbildung für den Einsatz in der Ukraine teilgenommen zu haben.
  • Das ist als "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" nach deutschem Recht strafbar.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

Kalaschnikow? Ausbildung? Da muss er fast lachen, der Angeklagte: "Das lernen die russischen Kinder mit acht Jahren. Muss mir wirklich keiner zeigen." Sergej K. ist angeklagt, in Sankt Petersburg an einem Partisanen-Kurs teilgenommen zu haben, der ihn befähigte, in der Ukraine an der Seiten pro-russischer Truppen mitzukämpfen, auf dass Wladimir Putins Vorhaben gelinge, die Ukraine heimzuholen ins russische Reich. Das gilt, so die Anklage, als "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" und ist nach deutschem Recht auch dann strafbar, wenn die Tat im Ausland begangen wird.

Pikant wird der Fall, der seit Mittwoch vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts verhandelt wird, durch die Verwandtschaft des Angeklagten: Sein Onkel ist Dmitri Konstantinowitsch Kisseljow, Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur "Rossija Sewodnja", die Putin selbst 2013 gegründet hat - anzunehmen ist, dass niemand dort Chef werden kann, der nicht das besondere Vertrauen des russischen Präsidenten genießt. Tatsächlich hat der Journalist Kisseljow mehr als einmal seiner Bewunderung für Putin Ausdruck verliehen.

Onkel Dmitri hat sich auch schon öffentlich über die deutsche Justiz beklagt: Sein Neffe sitze wegen Terrorismus in Haft, sagte er in einem Interview. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft wohl im Jahr 2017 begonnen, gegen Sergej K. zu ermitteln. Dies mündete im vergangenen Jahr in einen europäischen Haftbefehl, der im Juni 2018 in Bulgarien vollstreckt wurde. Im August wurde Sergej K. nach Deutschland ausgeliefert.

Die ganze Angelegenheit ist so verworren wie der Lebenslauf des Angeklagten. Er ist in Moskau geboren und wurde nach Schule und Studium Priester der Russisch-Orthodoxen Kirche. Als solcher kam er 2002 nach Deutschland, gab das Priesteramt aber 2008 auf, arbeitete unter anderem bei der Münchner U-Bahnwache und im Sicherheitsdienst am Flughafen, konvertierte zum Islam und wieder zurück zur Orthodoxie, reiste in die Ukraine - ob er wirklich an Kampfhandlungen teilgenommen hat, ist unklar - und entschloss sich schließlich, im Kloster am griechischen Berg Athos Mönch zu werden. Als er von dort aus in "Mönchsangelegenheiten" nach Bulgarien reiste, wurde er verhaftet.

Die Anklage wirft ihm vor, in Sankt Petersburg an einer Partisanen-Ausbildung teilgenommen und gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz verstoßen zu haben, weil er dort eben mit einer Kalaschnikow trainiert habe. K. selbst sagt, er sei nach Sankt Petersburg gereist, weil sich dort die Gruppe für den Einsatz in der Ukraine getroffen habe, an einem Kurs habe er nicht teilgenommen. Sein Anwalt Joachim Schwarzenau meint, wenn der russische Staat einen solchen paramilitärischen Einsatz gutheiße, dann sei davon auch der Waffengebrauch nach russischem Recht gedeckt - so bliebe von der Anklage nur mehr die Ausreise zum Zweck der staatsgefährdenden Gewalttat übrig.

Hinter verschlossenen Türen verhandelten Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger über eine Lösung für das Verfahren. Schwarzenau hätte gerne eine Bewährungsstrafe erreicht, da machte ihm Norbert Riedmann, der Vorsitzende Richter, aber klar, dass diese in vergleichbaren Fällen auch nicht gewährt worden sei. Schließlich gab Riedmann bekannt, dass das Gericht bei einem Geständnis des Angeklagten eine Haftstrafe zwischen zwei und zweieinhalb Jahren verhängen werde. Der angeklagte nahm diesen "Deal" an, so dass für den Freitag mit einem Urteil in dieser Höhe zu rechnen ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: