Gasthaus mit Tradition:Stammtische für Berühmtheiten und Bierdimpfl

Gasthaus mit Tradition: Vertraute Einrichtung, vertrauter Anblick: Bratwürste mit Sauerkraut auf dem Zinnteller.

Vertraute Einrichtung, vertrauter Anblick: Bratwürste mit Sauerkraut auf dem Zinnteller.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das "Nürnberger Bratwurst-Glöckl am Dom" feiert mitten in München sein 125-jähriges Bestehen und kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken.

Von Franz Kotteder

Nicht, dass Berndt Mencner unbedingt den Revoluzzer geben möchte. Aber dass im Nürnberger Bratwurst-Glöckl am Dom, sagt er, alles noch so aussieht wie immer schon, das liege vor allem an den Gästen der Stammtische. "Die protestieren sofort, wenn ein Bild mal woanders hängt. Das darf nicht sein!" Deshalb werden sich die beiden Pächter seit 2009, Mencner und Jürgen Morawek, hüten, irgendwas groß zu verändern im 125. Jahr des Bestehens ihrer Gaststätte. Denn die eigentlichen Herren in einem Münchner Traditionswirtshaus, das sind halt doch die Stammgäste. Und für das Nürnberger Bratwurst-Glöckl gilt das ganz besonders, gut 60 Prozent des Publikums hier sind jene, die immer da sind.

Da gibt's den sogenannten Mittagsstammtisch - werktags zwischen 13 und 18 Uhr - oder den Assessorenstammtisch, der so heißt, weil ihn eine Bedienung eines Tages mal so getauft hat. Meistens handelt es sich um Herren reiferen Alters, die unter sich bleiben wollen, das ist ja das Wesen des Stammtischs. Viele sind bereits im Rentenalter. Wer arbeitet, hat ja nicht immer Zeit für den Stammtisch. Die anderen schauen gelegentlich vorbei. Etwa Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), wenn er im Rathaus gerade Mittagspause hat. Der ehemalige Sechziger-Präsident Karl Auer ist gelegentlich da, und der Metzgermeister Josef Gassner sowieso, weil er hier ja auch die Würste liefert, die dem Bratwurst-Glöckl den Namen gegeben haben.

Eigentlich ganz lustig, dass eines der ältesten Häuser Münchens ausgerechnet den Begriff "Nürnberger" im Namen führt. Bereits 1390 wird es urkundlich erwähnt, ist damit älter als die Frauenkirche, deren Grundstein erst 1468 gesetzt wurde. Gut 400 Jahre später bekommt es erstmals eine Ausschanklizenz, und 1893 pachtet es der Franke Simon Bäumler, der das Café Luitpold gegründet hat. Er will dort sein "Nürnberger Bratwurst Glöcklein" eröffnen. Drei Jahre später kauft er der Pschorr-Brauerei das Haus ab - und verschenkt es zur Hochzeit an seine Tochter Babette und ihren Mann Georg Zehnter. Da ist das Glöckl längst ein beliebter Treffpunkt für die Honoratioren der Stadt geworden.

Das sollte so bleiben, eigentlich bis heute. Die ungebrühten Bratwürste, auf Zinntellern serviert, wurden damals schon auf offenem Buchenholzfeuer gebraten, was den ganz besonderen Geschmack ergibt, wie nicht nur altgediente Stammgäste schwören. Das Bier galt vielen als das Beste der Stadt, im Bratwurst-Glöckl wurde und wird es in Holzfässern gelagert und mit Stangeneis gekühlt. Diese Besonderheit, so heißt es, macht den besonders rahmigen Schaum aus. Und sorgt dafür, dass viele Berühmtheiten den Weg in die Würstl-Oase finden.

Ludwig Thoma und Georg Queri kehren hier ein, Hans Pfitzner und Max Reger, Leo Slezak und Paul Hörbiger, auch Karl Valentin. Der Karikaturist Olaf Gulbransson zeichnet die Gäste, Joachim Ringelnatz und Weiß Ferdl zum Beispiel. Auch Politiker aller Art kommen vorbei. Einer davon wird dem Wirt Karl Zehnter am 30. Juni 1934 zum Verhängnis: Man findet ihn ermordet, unweit des KZ Dachau - offenbar wurde er ein Opfer des sogenannten Röhm-Putsches in derselben Nacht: SA-Chef Ernst Röhm war Glöckl-Stammgast.

Alter Stil im neuen Haus

Die ganze Hitlerei sollte dem Glöckl noch mehr Unheil bringen; Sprengbomben machten es im Januar 1945 dem Erdboden gleich. Erst 1949 wurde es wieder aufgebaut, aber nur mit Erdgeschoss und erstem Stock, vor dem Kriege hatte es drei Stockwerke. Das Wirtshaus sei neuerstanden, meldet die SZ am 30. Juni 1949, "zum Glück im alten Stil und mit der altvertrauten Einrichtung, mit schönem Zierat, vielen Bildern von Altmünchen und Photographien berühmter Münchner, die, rechtzeitig verlagert, die Zerstörung des früheren Hauses überstanden haben".

So ging es nun also weiter im alten Stil. Die einen kamen wegen der anregenden Gespräche, die anderen, um still und entspannt vor sich hin zu bierdimpfeln. Und der Rest? Das waren Touristen, die das Glöckl in ihrem Reiseführer gefunden hatten. Das Wirtshaus wurde so eine ergiebige Goldgrube, und einem der Wirte wurde das zum Verhängnis. Michael Beck, überall nur "der Bratwurst-Michi" genannt, übernahm das Wirtshaus von seinem Vater zu einer Zeit, als Wirte selber Promis wurden, als "München" und "Schickimicki" in ganz Deutschland als Synonyme galten. Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen heute, da erfolgreiche Wirte literweise Limo trinken anstatt Schampus.

Der Bratwurst-Michi aber war vom alten Schickischlag, hielt sich an den Schampus und an Wodka, verkehrte im Rotlicht-Milieu und in der Unterwelt. Zwischendrin setzte er sich ab nach Asien, kehrte zurück und drehte wieder am ganz großen Rad, bis er das Glöckl-Haus für 7,5 Millionen Euro an die Augustiner-Brauerei verkaufen muss, um wieder an Geld zu kommen. Er ging auf die Wiesn mit dem Zelt "Zur Bratwurst". Noch heute gibt es dort eine kleine Erinnerungsecke an ihn, "weil er ja zur Geschichte zählt", wie der heutige Wirt Werner Hochreiter sagt. Michael Beck aber, ein großer Verschwender vor dem Herrn, legte 2006 eine beispiellose Insolvenz hin und flüchtete auf die Philippinen nach Manila, wo er drei Jahre später Selbstmord beging.

"Es wohnten halt zwei Seelen in seiner Brust", sagt Berndt Mencner, der Becks große Qualitäten als Wirt noch als dessen Angestellter kennt. Becks Nachfolger haben das Glöckl längst wieder in ruhiges Fahrwasser gebracht. Obwohl, an diesem Mittwochabend könnte es schon etwas ausgelassener werden, denn dann wird das 125-Jährige gefeiert. Ausnahmsweise in geschlossener Gesellschaft.

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