Fußgängerzone:Verwirrung und Protest am Marienplatz

Fußgängerzone: Der Münchner Marienplatz ist ab Montag für Taxis, Busse und Radfahrer gesperrt. Das Rathaus möchte den Marienplatz zur reinen Fußgängerzone machen.

Der Münchner Marienplatz ist ab Montag für Taxis, Busse und Radfahrer gesperrt. Das Rathaus möchte den Marienplatz zur reinen Fußgängerzone machen.

(Foto: Catherina Hess)
  • Es ist Tag eins der neuen Zeitrechnung vor dem Münchner Rathaus: Der Umbau des Hugendubel-Hauses beginnt, der Marienplatz ist von nun an für Radler, Taxis und Busse gesperrt.
  • Kontrolleure haben viel zu tun, treffen jedoch auf Verständnis - Protest gibt es allerdings auch.

Von Marco Völklein

Kurz vor elf Uhr rückt Christopher Habl mit drei blau uniformierten Kollegen an. Habl leitet den Außendienst der städtischen Verkehrsüberwachung; und er will mit eigenen Augen sehen, wie die Sperrung des Marienplatzes für Radfahrer, Taxis und Busse funktioniert. Die Kontrolleure postieren sich an der Zufahrt vom Rindermarkt - und es dauert nur wenige Minuten, da stoppen sie schon den ersten Radfahrer.

Der wollte die Route über den Marienplatz nehmen - "wie immer halt", wie er sagt. Die neuen Schilder, die ihm seit Montagfrüh die Durchfahrt verwehren, hat er ebenso wenig wahrgenommen wie den dicken Strich, den Arbeiter der Stadt am Rindermarkt auf den Asphalt gepinselt haben. "Fahren sie doch bitte künftig über den Viktualienmarkt", sagt einer von Habls Leuten. Der Radler nickt kurz, steigt ab und schiebt sein Velo in Richtung Rathaus. Wann er wieder aufsteigt, das sehen Habls Leute nicht.

Wenn die Baustelle weg ist, wird die Überfahrt nicht wieder freigegeben

Es ist Tag eins der neuen Zeitrechnung rund um den Marienplatz. Vor und neben dem Hugendubel-Haus errichten Bauarbeiter die ersten Bauzäune, in den kommenden Wochen wird dort ein Kran aufgestellt, um das Haus komplett umzubauen. Weil dann die Durchfahrt vom Rindermarkt kommend zu eng wird und die Stadt Sicherheitsbedenken hat, ist von nun an der Marienplatz für Radler, Taxis und Busse gesperrt.

Fußgängerzone: Arbeiter pinseln eine weiße Sperrlinie auf die Straße.

Arbeiter pinseln eine weiße Sperrlinie auf die Straße.

(Foto: Catherina Hess)

Aber auch wenn die Baustelle wieder weg ist, soll die Überfahrt nicht wieder freigegeben werden: CSU und SPD haben beschlossen, die bestehende Fußgängerzone bis zum Alten Rathaus zu verlängern. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl verteidigt die Entscheidung am Montag: Der bisherige Zustand sei "für alle unbefriedigend" gewesen - für die Fußgänger, die gar nicht realisiert hätten, dass da am Marienplatz eine Fahrbahn ist.

Und für die Radler, "die sich durch die Menschenmassen schlängeln und jede Sekunde damit rechnen mussten, dass ihnen jemand vors Fahrrad läuft". Mit der neuen Regelung "schützen wir die schwächste und zahlenmäßig vorherrschende Mobilitätsgruppe vor dem Verkehrschaos an dieser Stelle", ergänzt CSU-Fraktionschef Hans Podiuk.

Etwa 8000 Radfahrer pro Tag queren den Marienplatz

Ausweichen sollen die Radler künftig von Süden kommend über den Viktualienmarkt und die Sparkassenstraße. Am Oberanger hängt nun ein großes Umleitungsschild, die Sparkassenstraße wurde über Nacht zur "Fahrradstraße" umgewidmet. Radler haben dort nun Vorrang gegenüber dem motorisierten Verkehr, sie dürfen unter anderem nebeneinander fahren. Zudem hat die Stadt einige Kfz-Parkplätze an der Ostseite der Straße aufgelöst. Dadurch haben Radler dort nun mehr Platz.

Dennoch stößt die Sperrung des Marienplatzes auf heftige Kritik. Mit einem Zehner-Fahrrad kurven am Montag Vertreter mehrerer Umweltverbände, zwei Grünen-Stadträte und zwei Rikscha-Unternehmen über den Platz, um ihren Unmut kundzutun. Es sei doch kurios, sagt Grünen-Stadträtin Sabine Nallinger, "dass ausgerechnet in der selbsternannten Radlhauptstadt die Radler nicht mehr zum Rathaus kommen". Nach einer Erhebung der Stadt queren im Schnitt etwa 8000 Radfahrer pro Tag den Marienplatz.

Fußgängerzone: Kritiker der Sperrung demonstrieren gegen die Pläne der Stadt.

Kritiker der Sperrung demonstrieren gegen die Pläne der Stadt.

(Foto: Catherina Hess)

Das von Schwarz-Rot beklagte Verkehrschaos an dieser Stelle werde sich künftig nur wegverlagern, fürchtet Dominik Lypp vom Bund Naturschutz - nämlich auf die Kustermann-Fahrbahn am Viktualienmarkt. Die Stadt zwinge die Radler damit auf einen Umweg, ergänzt Nallinger. Verkehrsüberwacher Habl versichert unterdessen, die Stadt werde in den nächsten Tagen die Verkehrsteilnehmer über die neuen Regeln nur aufklären. "Viele haben Verständnis dafür", sagt einer seiner Kontrolleure später. "Allerdings dürfte sich das rasch ändern, sobald wir anfangen, zu kassieren." Wer das Einfahrtsverbot künftig ignoriert, zahlt laut Habl 20 Euro.

Die Buslinie 52 startet künftig am Sendlinger Tor.

Am Rindermarkt steht derweil die Taxifahrerin Jas Hooshmand und wartet auf Kunden. Die Sperrung? "Furchtbar, ganz schlimm" sei das. "Uns werden immer mehr Standplätze gestrichen." Viele ältere Leute seien darauf angewiesen, dass die Taxis bis vor die Arztpraxen fahren könnten. Der Kollege vor ihr in der Warteschlange sieht es nicht ganz so dramatisch. "Dann stelle ich mich eben an einen anderen Standplatz", sagt er. Wichtig sei aber, dass die Kustermann-Fahrbahn über den Viktualienmarkt für Taxis in Richtung Tal frei bleibe. "Sollte dieser Weg für uns auch noch gesperrt werden, wird es eng."

Wenig später irrt Amanda Sharp an der Bushaltestelle vor dem Alten Rathaus herum. Bis Sonntag fuhr hier noch der 52er-Bus zum Tierpark ab. Die Britin, für einige Tage zu Gast an der Isar, ist verwirrt. "Im Reiseführer steht, dass man hier mit dem Bus zum Zoo fahren soll." Seit Montag startet die Linie jedoch am Sendlinger Tor. Mit 6500 Fahrgästen war die Haltestelle laut Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) "einer der wichtigsten Umsteigeknoten im Busnetz".

Nun ist sie aufgelöst. Man kläre "mit der MVG sinnvolle Umfahrungsrouten für die Busse", sagt CSU-Mann Podiuk. Ein hilfsbereiter junger Mann weist der Britin derweil den Weg zur U-Bahn. Im Untergeschoss schaut Sharp noch einmal zu den Schildern unter der Decke. "Da steht's doch", sagt sie und schüttelt den Kopf. Ein Pfeil neben dem Bus-Signet weist den Weg nach oben. Rauf zum Marienplatz.

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