Feminismus:"Von ihr habe ich gelernt, eine starke Frau zu sein"

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Im Rahmen der Aktion "Sie inspiriert mich" haben 50 Münchnerinnen und Münchner von Frauen erzählt, die ihr Leben bereichert haben. (Foto: Steffen Horak, Collage: SZ)

Bei der Aktion "Sie inspiriert mich" erzählen Münchner und Münchnerinnen vor der Kamera, welche Frauen sie geprägt haben - von der Großmutter bis zur Genderforscherin.

Von Kathrin Aldenhoff

Sie hat mehrere Heiratsanträge bekommen, und sie hat sie alle abgelehnt. Der eine Verehrer war zu katholisch, der andere wollte sie nicht studieren lassen, und überhaupt: "Ich hatte das Gefühl, ich werde als Persönlichkeit nicht wahrgenommen. Nur als Hausfrau und Mutter." Edda Bock, 78 Jahre, lila Haare, lila Mütze, Opernliebhaberin, nie verheiratet und stolz darauf, sitzt vor einer Videokamera und spricht über Feminismus und über ihr Leben. Auch über Männer, das lässt sich kaum vermeiden in diesem Zusammenhang. Und sie spricht von denen, die sie geprägt haben: von Hildegard von Bingen und der Frauenrechtlerin Hannelore Mabry.

Edda Bock ist eine von 50 Münchnern und Münchnerinnen, die in ein Schwabinger Fotostudio gekommen sind, um von den Frauen zu erzählen, die sie inspirieren. Die sie begeistern, die sie beeinflusst haben. Eingeladen hat sie das Kulturreferat der Stadt, das gemeinsam mit der Gleichstellungsstelle für Frauen und verschiedenen Münchner Initiativen die Aktion "Sie inspiriert mich" gestartet hat. Der Anlass dafür ist die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren im November 1918, im Januar 1919 durften Frauen in Deutschland das erste Mal wählen - und gewählt werden.

Die eigene Großmutter, die Genderforscherin Stevie Schmiedel, Edith von Welser-Ude, eine junge Ukrainerin, die sich für andere einsetzt, obwohl sie es selbst nicht leicht hat, die Schauspielerin Adele Neuhauser oder die dreijährige Tochter - die Menschen, die sich vor die Kamera stellen, lassen sich von ganz unterschiedlichen Frauen inspirieren. Sie sind gekommen, weil sie der Meinung sind, dass Frauen in gesellschaftlichen Positionen unterrepräsentiert sind. Weil sie glauben, dass der Feminismus, ähnlich wie die Demokratie, ständig erneuert werden, dass weiter für ihn geworben werden muss. Weil sie die Menschen, die im Hintergrund wirken, sichtbar machen wollen. Und sie sind selbst sehr unterschiedlich: jung, alt, männlich, weiblich, mit Rollstuhl oder ohne, mit braunen Haaren, pinken Haaren, im grauen Anzug oder im Strickpulli, mit Turnschuhen oder hohen Absätzen.

Genau das ist die Idee hinter der Aktion "Sie inspiriert mich". Den Feminismus als etwas Verbindendes, als etwas Positives sichtbar zu machen. Sich nicht auf das Trennende zu konzentrieren, so sagt es Jennifer Becker vom Kulturreferat. Und die Aktion soll auf eine Veranstaltung aufmerksam machen: Am diesjährigen Weltfrauentag am 9. März sollen Frauen und Männer den Feminismus bei einem großen Fest gemeinsam in der Muffathalle feiern, organisiert vom Kulturreferat. Mit Musik, Redebeiträgen und einer Menge inspirierender Frauen. Die Kabarettistin Idil Baydar wird eine von ihnen sein, genauso die Musikerin Bernadette La Hengst, Filmemacherin Doris Dörrie ist angefragt.

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Sylva Häutle setzt sich für eine vielfältige Gesellschaft ein: "Es gibt nicht nur die normierte Lebensweise." Inspiriert ist sie von der Genderforscherin Stevie Schmiedel. Fotos: Steffen Horak

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Momo Pebelle hat durch ihr eigenes Mutter-Sein noch einmal neu gelernt, ihre Mutter als starke Frau zu schätzen. Vieles aus ihrer Kindheit könne sie nun besser verstehen.

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Max Wagner sagt, er habe noch nie zuvor jemanden so dirigieren sehen, wie die Künstlerin Barbara Hanningan. Sie habe eine ganz eigene, weibliche Art und Weise.

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Ruth Weigel arbeitet in einer Fraueneinrichtung mit Migrantinnen. Sie erlebt dabei, dass sie diese Frauen inspirieren und darin stärken kann, ihren Weg zu gehen.

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Andreas Richter sagt, die wahre Inspiration komme von seiner dreijährigen Tochter. "Ihr Blick ist schärfer, ihre Gefühle echter." Erwachsene neigten dazu, ihre Gefühle zu relativieren.

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Edda Bock findet es schade, dass die Frauenrechtlerin Hannelore Mabry in Vergessenheit geraten ist. Sie hat sie persönlich kennengelernt und war beeindruckt von dieser Frau.

Im Minutentakt öffnet sich am Freitag die Tür des Studios, immer mehr drängen in den Raum, spätestens als das Team der Hip-Hop-Tanzschule Streetlove mit Schülern vor der Kamera steht, ist es voll. Irgendwann kommt Max Wagner herein, der Leiter des Gasteigs. Die Tatsache, dass es immer noch so viel in Sachen Gleichberechtigung zu tun gebe, obwohl Frauen doch keine Minderheit seien, lässt ihn vor die Kamera treten. Auf die Frage, wer ihn inspiriert, nennt er seine Mutter. Sie habe ihn am nachhaltigsten beeindruckt. Und er nennt die Dirigentin Barbara Hanningan. Er erlebte sie bei einem Konzert und war fasziniert. "Sie dirigiert in einer Weise, die ich noch nie vorher erlebt habe."

Auch die großen Namen fallen an diesem Nachmittag: Clara Zetkin, Mutter Teresa, Simone de Beauvoir, natürlich. Aber oft sind es die Frauen im näheren Umfeld, die ihre Mitmenschen inspirieren. Und manchmal wissen die gar nichts davon. So wie die Mutter der Künstlerin Momo Pebelle. Die 35-Jährige, kurze Haare, Brille, spricht schnell und konzentriert; sie weiß, was sie sagen will: "Meine Mutter hat sich als Steinmetzmeisterin in einer Männerdomäne etabliert. Für mich ist sie der Inbegriff einer feministischen Frau. Von ihr habe ich gelernt, an mich zu glauben, an meine Kraft. Von ihr habe ich gelernt, eine starke Frau zu sein." Ihre Mutter wird das in dem Video zum ersten Mal hören.

Die Videos zur Aktion "Sie inspiriert mich" werden in den kommenden Tagen auf der Homepage www.sie-inspiriert-mich.de/teaser zu sehen sein. Wer will, kann unter dem Hashtag #sieinspiriertmich auf Twitter und Instagram erzählen, welche Frau ihn oder sie inspiriert. Karten für die Veranstaltung in der Muffathalle am 9. März gibt es voraussichtlich ab Ende der Woche im Vorverkauf.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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