Feldmoching:Blockade an der Röhre

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Vor dem Abschluss der Sanierungsarbeiten am Nord-West-Sammelkanal flammt die Kritik der Bewohner erneut auf. Sie befürchten nach wie vor, dass Grundwasser aufgestaut wird und bei Regen ihre Keller flutet

Von Simon Schramm, Feldmoching

Hat die Stadtverwaltung Millionen Euro sprichwörtlich in den Sand gesetzt? Rund fünf Jahre dauert die Sanierung des Nord-West-Sammelkanals im nördlichsten Feldmoching nun schon an, und der fast genauso lange schwelende Streit um die Wirksamkeit der Maßnahmen flammt jetzt, kurz vor Abschluss der Sanierung, wieder auf. Die Münchner Stadtentwässerung ist sich der Effektivität der Arbeiten gewiss, viele Bewohner bleiben aber bei ihrer scharfen Kritik. Im Laufe des Jahres könnte sich herausstellen, wer richtig liegt: Die Technische Universität München wird nach der Sanierung die Veränderungen im Grundwasserstand, also die Wirkung der Maßnahmen, auswerten und je nach Ergebnis weitere Maßnahmen verlangen - oder eben nicht.

Zur Erinnerung: Notwendig ist die unterirdische Bearbeitung des Kanals, weil bei der mehr als 200 Millionen Euro teuren Herstellung des Bauwerks in den Neunzigerjahren gepfuscht worden war. Damals wurde Bauschutt zurückgelassen und Auflastbeton eingebaut, der den Wasserstrom blockierte. Der Kanal wirkt im Boden für das Grundwasser wie eine Mauer. Ebenfalls zurückgelassene Spundwände stören das System von Druckleitungsrohren. Zum Hochwasser 2010 standen bei vielen Bewohnern die Keller unter Wasser.

Er kommt zu dem Fazit, dass die Sanierungsarbeiten nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. (Foto: Catherina Hess)

Die Münchner Stadtentwässerung (MSE) geht den Kanal seit 2013 an mehreren Stellen an, damit sich das Grundwasser nicht mehr staut. Zunächst trug die MSE im westlichen Bereich der Untermühle den Auflastbeton ab und ließ neuen Bodenkies, eingewickelt in ein Vlies, über dem Kanal einsetzen. Etwa von 2014 bis 2016 wurden die Düker-Rohre am östlichen Kanal-Abschnitt am Eishüttenweg ertüchtigt oder neu gebaut, die das Wasser am Kanal vorbeileiten sollen.

In den letzten Zügen ist derzeit die Anfang 2017 begonnene Sanierung zweier Düker in der Heppstraße, sie sollen im Mai 2018 in Betrieb gehen und gewährleisten, dass das Grundwasser wieder geregelt am Kanal vorbeifließt. Ist das beispielsweise am Eishüttenweg gelungen? "Die Grundwasserüberleitung ist voll funktionsfähig", gibt die MSE zur Antwort.

Der Landwirt und CSU-Bezirksausschusspolitiker Martin Obersojer junior sieht das anders, der Kanal grenzt über mehrere Meter hinweg an seinen Hof. "Die Sanierungen haben wenig gebracht", sagt er. Wenn Obersojer die Unwirksamkeit der Maßnahmen beweisen möchte, nimmt er ein gelbes Kabellichtlot, ein Messgerät für Wasserstandpegel, und begibt sich zunächst etwa 150 Meter südlich des Kanals. Dort lässt Obersojer einen Messstab in einen Brunnen runterhängen, bis der piept, also die Wasseroberfläche erreicht - bei einem Stand von 2,30 Metern.

Abheben und messen: Martin Obersojer junior beobachtet seit Langem mit kritischem Blick, wie sich die Grundwassersituation entlang des Sammelkanals entwickelt. (Foto: Catherina Hess)

Sodann fährt Obersojer zu einer Stelle wenige Meter nördlich des Nordwestsammlers. Dort, am östlichen Rand eines Ackers, hebt Obersojer einen Gullydeckel ab und lässt erneut den Messstab in das Loch fallen. Er befindet sich dabei nahe dem Bereich, an dem die Dükerleitungen des Kanals verbessert wurden. Diesmal piept es bei einem Abstand zwischen Bodenkante und Wasseroberfläche von 3,80 Metern, eine Differenz von 150 Zentimetern. Rechtlich festgelegt für die Anlage ist, dass die Differenz zwischen den Stauwerten vor und hinter dem Kanal höchstens 26 Zentimeter betragen darf. "Und ein Wasseraufstau bei Schneeabschmelzen oder bei Starkregen ist da nicht mitgerechnet", sagt Obersojer. Ähnliche Differenzen misst Obersojer auch an weiteren Stellen.

Die Stadtentwässerung hält Obersojers Messungen für nicht brauchbar: "Als Grundlage für Messungen können nur Grundwassermessstellen herangezogen werden, die den anerkannten technischen Regeln entsprechen; unter anderem müssen sie im unmittelbaren Umfeld des Kanalbauwerkes liegen", schreibt ein Sprecher. Wie die MSE die von den Bewohnern gemessenen Stauwerte beurteilt, dazu könne sie keine Aussage treffen. Obersojer ist der Meinung, dass bei den Sanierungen in der Summe 20 Millionen Euro letztlich vergebens investiert wurden. Die MSE will die Summe nicht nennen, 20 Millionen seien aber weit überzogen.

Die Bewohner haben nach wie vor Angst vor neuen Überschwemmungen. Das Wohnhaus von Anwohner Erwin Gierszewski liegt nahe dem Bereich der ersten und der aktuellen Sanierungsmaßnahme. 2010 hatte Gierszewski in seinen Kellerräumen bis zu fünf Zentimeter Wasserstand. Das ist seitdem nicht mehr passiert. Wenn Gierszewski in Nass-Perioden wie im Winter im Brunnen auf seinem Grundstück den Wasserstand misst, sieht er oft, wie das Wasser nach und nach steigt. Teilweise stehe es nur noch 50 Zentimeter unter seinem Gebäude. Darum folgert er: "Ich sehe nicht, dass die Maßnahmen bisher etwas gebracht haben. Bisher ist nichts passiert, weil die Stadt das Wasser pumpt." Er meint damit eine provisorische Überpumpanlage, die Überschwemmungen bei Starkregen verhindern sollen, solange die Sanierungen nicht abgeschlossen sind. Der MSE zufolge war die Pumpanlage seit 2016 nicht mehr in Betrieb. Gierszewski sagt, die Bewohner hätten sehr wohl in den vergangenen zwei Jahren die Inbetriebnahme verlangt und die Pumpen arbeiten hören.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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