Die Schwabinger 7:Kein Trend, kein Schischi

Die Schwabinger 7 und sein Wirt "Manila" sind in München bereits Legende. Doch der Kultkneipe droht nun das baldige Aus. Wir haben uns auf die Suche nach dem Geheimnis der "7" gemacht.

Ursula Auginski und Beate Wild

Einmal hat er eine Postkarte aus dem Urlaub auf den Philippinen geschrieben. Seitdem heißt er "Manila". So verlor Gerd Waldhauser in der Schwabinger Kneipenszene hinter der Münchner Freiheit bereits in den Siebzigern seinen bürgerlichen Namen. Und gewann einen unsterblichen Ruf: Manila ist der Wirt der legendäre Kultkneipe Schwabinger 7. Der Schuppen brummt bis heute. Im Viertel ziehen Kollegen den Hut vor dem 66-Jährigen.

Im Moment gibt es wieder Gerüchte, dass die "7" bald der Abrissbirne zum Opfer falle. Erst vor kurzem hat eine Immobilienfirma das ganze Areal gekauft. Das Haus, in dem Manilas Kneipe ist, und auch das Nachbargebäude mit dem Monopol-Kino und Mama's Kebap-Haus. Im März 2009 laufen sämtliche Mietverträge aus. Der neue Besitzer will alles abreißen und ein Hochglanzgebäude errichten. Manila hat da noch seine Zweifel: "Seit 40 Jahren heißt es immer wieder, dass die Gebäude wegkommen sollen. Aber ich glaub' das erst, wenn es soweit ist", sagt er verschmitzt.

Ungefähr im Rhythmus von drei Jahren hätte es immer wieder Versuche gegeben, einen Neubau dorthinzustellen - gescheitert ist bisher jeder. "Freilich, irgendwann werden diese Baracken abgerissen", sagt Manila, halb traurig, halb scherzend. "Aber wenn wir hier rausmüssen ist Schluss." Denn woanders hinverpflanzen könne man so eine Kneipe wie die Schwabinger 7 nicht. Sollte das Ende nahen, gebe es jedoch eine riesige Abriss-Party, das sei garantiert. Und dass diese legendär werde, verstehe sich von selbst.

Trotzdem hofft er irgendwie noch auf ein Wunder. "Vielleicht geht es ja noch ein paar Monate länger, oder sogar ein paar Jahre", sagt Waldhauser. Doch so eng wie dieses Mal, sei es noch nie gewesen.

Wirt mit Auslandserfahrung

Das Ende der "7" wäre ein echter Verlust für München, sie ist eine richtige Institution geworden. Es gibt sie schon seit der Nachkriegszeit, untergebracht in einer ehemaligen, aus Bombenschutt erbauten Baracke an der Feilitzschstraße. Ursprünglich war hier ein Jazzclub. Manila sagt, eigentlich wären das die besten Zeiten gewesen. Als er 1969 die Kneipe übernahm, entschied er sich für ein Leben im Zeichen steten Bierausschanks. Zuvor hatte er ein paar Semester Betriebswirtschaft in München studiert. "Was heißt studiert", korrigiert er sich. Manilas ironischer Augenaufschlag ist unvergleichlich.

Dennoch betrat er international bewandert die nächtliche Wirte-Welt: in den Semesterferien hatte er die Trinkgewohnheiten anderer Länder unter die Lupe genommen. Erforschte als Tellerwäscher in Schweden die Folgen der landestypischen Prohibition, als allerlei Selbstgebranntes illegal kursierte. "Da wurde viel mit Methylalkohol gemacht", erinnert sich Manila. Die Mädels hätten die Verträglichkeit des Schnapses an ihrem Nagellack ausprobiert: "Wenn der weggeätzt war, war's nix."

Kein Trend, kein Schischi

Kein Trend, kein Schischi. Die "7" ist bis heute ihrer Zeit treu geblieben. Der Phase, als Alkohol und Anekdoten noch eine Lebensphilosophie waren. Am Boden kleben die Schuhsohlen fest, denn der stete Überfluss von Bier und Schnaps ist oberstes Gebot. Dunkel verquanzte Wände zieren tausende eingeschnitzte Liebesschwüre. Kerzen auf Whiskeyflaschen schenken schön-schummriges Licht. Das Publikum hat sich verändert, ist aber trinkfest. Manila steht nicht mehr hinter der Theke.

Max, in den 1980er-Jahren noch vom Chef persönlich instruiert, und mehrere Mitarbeiter wie Andi, ein hoffnungsfroher Medizinstudent, müssen den Meister ersetzen. Nicht selten bis morgens um sieben. Wenn Manila kommt, bleibt er unauffällig in einer Ecke stehen, trinkt mit bedächtigen Zügen ein paar Bierchen und schaut zu. Keiner kippt so gekonnt einen Kurzen wie Manila.

Kommunismus unterstützt

Manila ist beim x-ten Bier angelangt. Anzumerken ist ihm das nicht. "An einem Abend in der "7" hatten ich und zwei Helfer mehr Schnaps als alle unsere Gäste zusammen." Dafür habe er sich das Rauchen abgewöhnt. "Nur jetzt, wo alle das Rauchen so verdammen, will ich wieder anfangen", sagt er trotzig. "Aber es schmeckt mir einfach nicht!" Die alten Zeiten sind nicht wiederholbar. Eine Studentenrevoluzzer-Kneipe der großen 68er-Zeit sei die "7" übrigens nie gewesen. "Den Kommunismus haben wir aber schon unterstützt: Wir haben ja viel Wodka getrunken."

Gekifft wurde fast überall, aber Manila hat das nichts gebracht. Drogen hätte er aus der "7" verbannen wollen. Einmal ließ ein Mitarbeiter unwissentlich die Szene rein: "Um die wieder rauszukriegen, hab' ich zwei Jahre an der Tür gestanden!" Die Polizei machte immer wieder Razzien, aber für Manila war sie auch Helfer und Freund: "Da gab's eine Streife vom Schwabinger Polizeirevier, die hat bei mir bis morgens um sieben getrunken. Und mir eine echte Polizistenmütze geschenkt." Kaum zu glauben? "Es is' a guade G'schicht. Ob sie wahr is oder ned." Manila behält gerne letzte große Geheimnisse für sich.

Wahnsinn im Paradies

Einmal kamen seine Eltern aus Oberammergau zu Besuch. Haben ihn gefragt, wie er es in der "7" aushalte. "Die haben ned g'wusst, dass ich im Paradies war!" In seinem Schank- und Schwank-Dorado schlief er in jungen Jahren oft auf einer Matratze in einem Lagerraum gleich hinter der Theke. "Am liebsten wär' ich ganz eingezogen. Und die Mädels waren noch echt. Die hatten es nicht nötig, sich so übertrieben rauszuputzen wie die Weiber heute auf der Wiesn oder im P1. Die standen da drüber."

Die Schwabinger 7 ist der Wahnsinn. "Aber wie viel Wahnsinn braucht der Mensch, um normal zu bleiben?" Manila entdeckt zwei Damen und einen Herrn gehobenen Alters, gesetzt gekleidet. Freunde - aus alten Zeiten. Das Bier fließt wieder, und emsig besorgt der Wirt vier Gläser mit Wodka. Bleibt zu hoffen, dass es lange so weitergeht und die Abrissbirne noch nicht so schnell zuschlägt.

Adresse: Schwabinger 7 Feilitzschstr. 9 80802 München Tel.: 348470

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