Freimann:Neues Forschungszentrum für eine Welt ohne Typ-1-Diabetes

Eröffnung des neuen Studienzentrums für Diabetesforschung des Helmholtz Zentrums München, Heidemannstraße 1

Dem kleinen Lukas scheint die Eröffnung des Studienzentrums Spaß zu machen.

(Foto: Florian Peljak)

In Freimann hat ein neues Zentrum zur Erforschung von Diabetes eröffnet, an dem sämtliche Aktivitäten gebündelt werden. Die Mediziner stecken sich große Ziele für die Zukunft.

Von Anna Hoben

Drei Jahre ist es her, dass Jaqueline Kufner mit einer schweren Überzuckerung auf der Intensivstation im Krankenhaus landete. Sie war 30 Jahre alt und frisch verheiratet mit ihrem Ehemann Markus, die beiden wollten eine Familie gründen. Und nun war sie gerade noch einmal mit dem Leben davongekommen. "Es war knapp", sagt sie. Die Diagnose, die folgte - Diabetes, Typ 1 - war ein Schock. Nie hätte sie damit gerechnet; in ihrer Familie gab es zuvor keine Diabetiker.

Heute ist Jacqueline Kufner medikamentös gut eingestellt und hat gelernt, mit der Krankheit zu leben. Vor 14 Monaten kam ihr Sohn Lukas zur Welt. Um ihm eine ähnliche Erfahrung zu ersparen, haben seine Eltern ihn für die sogenannte Point-Studie angemeldet. Bei einem Test hatte der Kinderarzt festgestellt, dass er ein erhöhtes Risiko hat, ebenfalls an Diabetes zu erkranken. Auch wenn der Junge noch gesund ist - irgendwann könnte die Krankheit auch bei ihm auftreten.

An Kleinkinder wie ihn richtet sich die Point-Studie. Alle paar Monate bekommt Lukas nun Blut abgenommen; einmal am Tag nimmt er sein Essen mit einem beigemischten Pulver zu sich. Dabei handelt es sich entweder um Insulin oder um ein Placebo - "was es ist, erfahren wir in ein paar Jahren", sagt seine Mutter. Mit der Teilnahme möchte sie auch anderen betroffenen Familien helfen und dazu beitragen, dass in der Forschung "vielleicht irgendwann ein Durchbruch erwirkt werden kann".

Die ganze Familie ist zur Eröffnung des neuen Studienzentrums am Institut für Diabetesforschung des Helmholtz-Zentrums gekommen. Die Kufners sind eine von vielen Familien, die an den zahlreichen Studien des Forschungsinstituts teilnehmen. In dem neuen Zentrum in Freimann, an dem auch die Forschungsgruppe Diabetes der Technischen Universität am Klinikum rechts der Isar beteiligt ist, sind nun sämtliche Aktivitäten gebündelt. Warum es ein solches Zentrum braucht? Typ-1-Diabetes sei zunächst eine Autoimmunerkrankung, erklärt die Professorin und Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Anette-Gabriele Ziegler. Über viele Jahre träten keine Symptome auf - bevor die Krankheit dann schließlich als Stoffwechselerkrankung diagnostiziert werde.

Mit dieser Frühphase beschäftigen sie und ihr Team sich am Studienzentrum hauptsächlich: von der Früherkennung über frühe Prävention und Intervention bis hin zur Aufklärung über die Entstehung der Krankheit. Hinter all dem steht eine große Vision, die Ziegler seit Jahren verfolgt: "A world without 1", eine Welt ohne Typ-1-Diabetes. Noch ist es so, dass die Zahl der Betroffenen massiv zunimmt, noch ist es die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter; allein in Bayern sind 4500 Kinder betroffen.

"Ich bin froh, dass es diese Studien gibt"

Nach Kranksein und Schmerzen sieht im neuen Studienzentrum allerdings nichts aus, die Räume sind hell und freundlich. Nicht nur der kleine Lukas scheint sich bei der Eröffnung wie zu Hause zu fühlen. Er krabbelt von hier nach da, schaut neugierig am Rednerpult hoch und in die vielen Kameras. "Er fühlt sich wohl hier", sagt Jacqueline Kufner, und das bestätigen auch die anderen Studienfamilien: dass sie sich an dem Zentrum geborgen und bestens aufgehoben fühlten.

Eröffnung des neuen Studienzentrums für Diabetesforschung des Helmholtz Zentrums München, Heidemannstraße 1

Mit dabei sind der CEO des Helmholtz-Zentrums München, Matthias Tschöp, Gesundheitsministerin Melanie Huml, Direktorin Anette-Gabriele Ziegler sowie Dekan Peter Henningsen.

(Foto: Florian Peljak)

Auch die zehnjährige Rebekka Wacker ist mit ihren Eltern gekommen. Ihr Vater ist Diabetiker, und das Mädchen hat ebenfalls ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Seit vielen Jahren und noch bis sie 15 wird, nimmt sie deshalb an der Teddy-Studie teil, welche die Ursachen der Erkrankung erforscht. Das bedeutet: Untersuchungen alle paar Monate, regelmäßig Ernährungsprotokolle ausfüllen und Stuhlproben abgeben. "Sie hat uns schon ganz viel wissen lassen", sagt Anette-Gabriele Ziegler, sogar einen Milchzahn habe Rebekka zu Forschungszwecken abgegeben. Ruth Bartussek hat ihre beiden Töchter, ein und drei Jahre alt, zur Teilnahme an den beiden Studien "Frida" und "Frederik" angemeldet. Sie weiß, was die Krankheit für eine Familie bedeuten kann - ihr Vater war Diabetiker, ihr Bruder erkrankte mit elf Jahren. "Ich bin froh, dass es diese Studien gibt", sagt Ruth Bartussek.

Um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren, läuft zurzeit eine auffällige Plakatkampagne des Helmholtz-Instituts. "Scheisstyp" steht auf den Plakaten, der Buchstabe "i" ist dabei durch die Ziffer 1 ersetzt, wie in Typ-1-Diabetes. Auf anderen Plakaten sind Menschen abgebildet, die von der Krankheit betroffen sind. "Timmy ist T1mmy", steht da etwa. Zur Kampagne gehört auch, dass alle Kinderärzte in Deutschland in dieser Woche ein Heft mit Informationen zur Früherkennung und zu den Studien zugeschickt bekommen.

Das bayernweite Pilotprojekt "Frida" ist die bislang größte Studie zur Früherkennung; mehr als 91 000 Kinder haben bereits teilgenommen. Schirmherrin ist die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml. Von April an wird die Studie um "Frida Plus" erweitert. Sie wird dann auch ältere Kinder von neun bis zehn Jahren einschließen. Diese profitierten davon, dass die Diagnose mittlerweile noch verlässlicher ist, sagt Direktorin Ziegler.

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