"Crazy Horse" in München:Ein Mythos entkleidet sich

Stilvoll, sinnlich und spärlich bekleidet: Die Striptease-Tänzerinnen von "Crazy Horse" aus Paris sind erstmals für ein Gastspiel in Deutschland zu erleben. Die Show ist lasziv und frivol, doch nicht alle Münchner lassen sich von den Frauen bezirzen.

Von Lisa Sonnabend

Nun hat die Finanzkrise auch die Stripteasebranche erreicht. Eine gestresste Managerin schält sich aus ihrem Kostümchen, sie wackelt verführerisch mit dem Hintern, die Aktienkurse im Bühnenhintergrund blinken rot. Sonntagabend im Münchner Postpalast an der Hackerbrücke. Crazy Horse aus Paris, die berühmteste Stripshow der Welt, ist auf Tour, das erste Mal zu einem mehrtägigen Gastspiel in Deutschland.

Auch das ist eine Folge der Finanzkrise. Seit die Einnahmen in Paris nicht mehr so sprudeln, hat sich das Varieté neue Quellen erschlossen, auch im Ausland. Bei der Vorpremiere am Sonntag sind nicht alle Plätze besetzt, am Champagner wird nur genippt, die Stimmung ist verhalten. Auch das möglicherweise, weil den Münchnern das Geld nicht mehr so locker sitzt. Die Finanzkrise eben.

Crazy Horse - das ist Marke und Mythos. Seit 1951 wird in der Avenue George V in Paris freizügig getanzt. Die Show lässt sich beschreiben mit: stilvoll, sinnlich, verführerisch. Die Tänzerinnen werden nach strengen Regeln ausgewählt: Körpergröße und Brustumfang dürfen sich nicht unterscheiden, menschliche Makel sind nicht gestattet. Vor ein paar Jahren übernahm Philippe Decouflé, einer der bekanntesten Choreographen Frankreichs, die Show. Seitdem wurden schon Pamela Anderson oder Dita von Teese für Gastauftritte angeheuert - und nun die Tour.

"Es geht darum, dass Frauen Kunst sind", sagte Geschäftsführerin Andrée Deissenberg in einem Interview zur Süddeutschen Zeitung. Aber natürlich geht es auch darum, dass sich die Frauen entkleiden. Mal stehen die zehn Tänzerinnen nur in transparenten Tüchern gehüllt auf der Bühne, mal haben sie Strapse und bunte Kurzhaarperücken an - und sehr oft tragen sie Kleidungsstücke, bei denen an der Brust und am Popo der Stoff fehlt. Die Frauen tanzen auf Stühlen, an Stangen oder liegen auf dem Boden und wackeln mit den Beinen. Mal ragt nur ein Arm oder ein Bein in Highheels durch den Vorhang.

Die Frauen tanzen hervorragend, sind schön anzuschauen und ziemlich sexy. Einmal stehen die Tänzerinnen hinter einem Balken, ihre Körper werden von großen roten Punkten angeleuchtet. Lasziv drehen sie sich um, gehen ein wenig in die Hocke, nur ihre Pobacken sind im Scheinwerferlicht zu sehen. Doch der Funke springt an diesem Abend irgendwie nicht über.

Ein Grund: Der Raum ist nicht verrucht, hat zu wenig Charme. Zwar ist der 1926 erbaute Postpalast ein eindrucksvolles Rundgebäude mit schöner Kuppel. Doch die wurde mit einem schwarzen Tuch verhangen, damit der Raum kleiner wirkt. Von der Decke baumeln Discokugeln, ein roter Teppichboden liegt aus. Die Tische sind so eng gestellt, dass die Bedienung die Gäste bitten muss, nach vorne zu rutschen, damit sie die leeren Teller abservieren kann. Die meisten Zuschauer sitzen weit weg von der Bühne. Es ist, als schaue man eine Aufführung im Fernsehen an.

In Paris ist es kuscheliger, lauschiger, gemütlicher. Mit mehr Retro-Charme. In München ist das Varieté mit einer Dinnershow kombiniert. Am Eingang bekommen die Besucher einen Plastikchip, den sie gegen ein Glas Champagner einlösen können. Außerdem werden ihnen Bändchen ums Handgelenk gebunden: Wer ein weißes Band bekommt, darf so viel Wein und Bier trinken, wie er will. Wie im All-Inklusive-Urlaub.

Für das Essen ist der Münchner Feinkostkönig Käfer zuständig. Serviert werden eine Tarte mit Krabben und Avocado, die allerdings nur nach Avocado, nicht nach Krabben schmeckt. Anschließend eine hervorragende Ente in vier Variationen. Und zum Abschluss Tarte Tatin, eingelegte Quitten sowie - nicht ganz passend zum Pariser Abend - Bayerisch Crème.

Die Tänzerinnen müssen sich so unwohl fühlen wie eine Katze, die aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen wurde. Statt Jubel oder anerkennenden Pfiffen wird im Postpalast nur verhalten applaudiert. Mehrmals lachen die Zuschauer sogar, eine Frau ruft zum Scherz: "Ausziehen!"

Erst als plötzlich statt leichtbekleideter Frauen ein Mann in Anzug die Bühne betritt, kommt Stimmung auf. Der Künstler Robert Muraine hat keinen Sixpack zu bieten, nicht einmal Armmuskeln. Er entkleidet sich auch nicht. Er kann seine Arme aber hinter seinem Rücken verbiegen, als wären diese aus Gummi. Was für ein Körper!

Die Show Crazy Horse ist bis zum 15. Dezember im Postpalast München zu sehen. Mehr Informationen unter forevercrazy.de.

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