Café Mozart am Sendlinger Tor:Reiz des Retro

Frühstücken, Mittagessen, Cocktails trinken: Das Café Mozart ist viel mehr als ein gewöhnliches Kaffeehaus. Auch weil die Betreiber so erfolgreich mit einer Melange aus Oma-Charme und modernem Ambiente experimentieren.

Sebastian Krass

Eigentlich hat dieses Lokal ja so gar nichts Iranisches an sich. Warum sollte es auch? Bei dem Namen: Café Mozart. Aber als die vier Betreiber Hamid Parvin, Reza Shahian, Ali Shahian und Farrokh Pesianzadehier vor einiger Zeit nach einem neuen Stoff für den Bezug der Sitzbank im Nebenraum suchten, landeten sie dann doch bei ihrer alten Heimat. "Der Stoff muss dick und schwer sein, damit er lang hält, und schwer entflammbar noch dazu", berichtet Ali Shahian. "So etwas ist hier in Deutschland sauteuer."

Zu allem Übel durfte es ja nicht irgendein robuster Stoff sein, sondern einer, der stilistisch in ein - so nennen die Chefs es selbst - "Oma-Café" passt. Fündig wurden sie, genau genommen die Schwester der Gebrüder Shahian, schließlich im Iran. "So richtig günstig war es da zwar auch nicht, aber immerhin", sagt Ali Shahian. Und das braun-beigefarbene verschlungene Design passt tatsächlich ganz gut zum Retro-Chic des Mozart.

Denn natürlich ist dieses Lokal in der Pettenkoferstraße, gleich beim Sendlinger-Tor-Platz, kein echtes "Oma-Café". Es ist nicht einmal ein echtes Café. Welches Café hat schon bis ein Uhr, am Wochenende bis drei Uhr auf? Aber das Mozart spielt geschickt mit den Gemütlichkeits-Motiven dieser Gastronomietradition. Im Jahr 2002 zog hier der Zeitgeist ein. Hamid Parvin war damals schon dabei, seine Partner waren Aleks Vulic und Chris Dengler, inzwischen auch bekannt für den Club Cord und das Hotel Lux. Die drei übernahmen die angestaubte ehemalige Konditorei, die seit Mitte der sechziger Jahre bestanden hatte. Tapete und Polster blieben drin, den Rest des Interieurs modernisierten sie behutsam. Das Konzept hingegen änderten sie umfassend. Fortan waren Kaffeekränzchen zwar weiterhin gern gesehen - es gibt Runden, die seit 30 Jahren herkommen. Aber mit großer Speise- und Getränkekarte sowie abendlicher DJ-Beschallung wurde das Mozart zum "Café-Bar-Restaurant". Es war Münchens erstes Lokal mit diesem Retro-Konzept, und es wurde gleich gut angenommen. Der berühmte Komponist allerdings ist hier nur Namensgeber und Designelement.

Zwei Jahre später aber gab es Probleme, zwischenmenschlicher und wirtschaftlicher Natur. Vulic und Dengler stiegen aus, sie reformierten dafür 2005 nach ähnlichem Schema das Oma-Café Jasmin in der Augustenstraße. Und Parvin holte sich die Brüder Shahian hinzu, die damals wie heute die Disco Living4 in der Kultfabrik führten. "Ich liebe diese Form von Gastronomie, in der man ein Allrounder sein muss", sagt der 39 Jahre alte frühere BWL-Student Reza Shahian über das Mozart. Er steht selbst mal in der Küche, mal hinter der Bar und leitet mal den Service. Einen Allround-Anspruch haben die Wirte auch mit der Speisekarte: "von Hausmannskost bis international", sagen sie. Von allem ein bisschen, könnte man auch sagen.

Das Mozart, das übrigens keine geschäftliche Verbindung zum Hotel im selben Haus hat, über mehrere Jahre zu führen, ist eine stete Gratwanderung zwischen Modernisierung und Retro-Charme. Denn manche Einrichtungsgegenstände sind irgendwann einfach durch - wie etwa jener Jahrzehnte alte und inzwischen per Iran-Import erneuerte Sitzbankbezug. Jedes Mal stellt sich dann die Frage, wie modern oder wie retro es weitergehen soll. "Wenn wir etwas Altes finden, muss es passen wie zum Beispiel die neue Standuhr hinten drin. Wir wollen den Charakter erhalten, aber wir wollen nicht, dass das hier ein Museum wird, in dem sich die Leute nur noch andächtig bewegen", erklärt Ali Shahian, 37 Jahre alt und Magister der Ethnologie. Er ist auch für die Büroarbeit zuständig. Den Museums-Effekt verhindern unter anderem die vier großen verschwommen ausgeleuchteten Mozart-Profile. Die blumige Tapete im Hauptraum hingegen zum Beispiel ist "über 30 Jahre alt, aber die hält auch noch prima". Auch der Mozart-Schriftzug im Griff der Eingangstür stammt aus vergangenen Zeiten.

Die wirtschaftlichen Probleme seien längst passé, sagen die Shahians. Inzwischen laufe das Geschäft vom Frühstück über das Mittagsgeschäft bis zur Cocktailzeit "wie ein Faden", sagt Ali Shahian. Vom Aufschwung des Nachtlebens in der nahen Sonnenstraße bekommt man im Café Mozart aber wenig mit, vielleicht liegt es dafür zu versteckt.

Mit neun Angestellten und 25 Aushilfen halten die vier Chefs - der vierte im Bunde, Farrokh Pesianzadehier, stieg vor ein paar Jahren zum Mitinhaber auf - den Laden am Laufen. Wichtig war es, dass sie nach Jahren des Kampfes endlich auch eine Freischankfläche haben. "Das Problem war, dass der Gehweg ein Zentimeter zu schmal ist, dafür haben wir auch schmalere Tischplatten angeschafft", erzählt er. Aber es sind eben doch nur ein paar Plätze, und deshalb ist der Sommer nach wie vor ein Problem. Bei schönem Wetter wollen die Leute einfach nicht im Plüschsessel sitzen. "Die Wetterabhängigkeit hier ist ein Phänomen. Wir waren am Anfang baff, wie das funktioniert", erzählt Resa Shahian. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Sobald das Wetter schlecht ist, kommt mehr Kundschaft. "Wir freuen uns über Regentage im Sommer, deshalb waren wir 2011 nicht unzufrieden." Und die Hauptsaison für Lokale wie diese beginnt ja erst.

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